Wirtschaft

Angriff auf den EU-Gasmarkt? Was hinter den Russland-Sanktionen steckt

Wladimir Putin und Donald Trump werden immer mehr zu Rivalen auf dem Gas-Markt. Europa steht dazwischen.

Wladimir Putin und Donald Trump werden immer mehr zu Rivalen auf dem Gas-Markt. Europa steht dazwischen.

(Foto: picture alliance / Evan Vucci/AP)

Mit neuen Russland-Sanktionen wollen die USA nicht Putin für seine Kriege bestrafen, sondern ihre Gasexporte nach Europa ankurbeln, kritisieren Berlin und Brüssel. Nutzt Washington den Kreml nur als Vorwand, um seine Industrie zu fördern?

Die USA und die EU sind nur noch eine Unterschrift entfernt von einem Showdown über die Russland-Sanktionen. Wegen Wladimir Putins Intervention in der Ukraine und den Cyberangriffen während des US-Wahlkampfs hat das US-Repräsentantenhaus weitreichende Sanktionen gegen Moskau beschlossen. Nun muss US-Präsident Donald Trump entscheiden, ob er sein Veto gegen das Gesetz einlegt. Berlin und Brüssel vermuten eine andere Agenda hinter den Strafmaßnahmen: Washington betreibe "unter dem Deckmantel von Sanktionen Industriepolitik zugunsten seiner eigenen Energieversorger", kritisiert das Auswärtige Amt.

Denn laut dem Gesetz darf Trump Sanktionen gegen Unternehmen verhängen, die "direkt und erheblich den Bau, die Modernisierung oder Reparatur von Energieexport-Pipelines Russlands ermöglichen". Das Weiße Haus darf Exportstopps verhängen, die betroffenen Firmen vom US-Finanzsystem abschneiden, ihren Managern und Aktionären die Einreise in die USA verweigern und ihr Vermögen in den USA einfrieren. Das Problem: Der Zorn Washingtons könnte auch viele EU-Firmen treffen, die Öl-und Gasgeschäfte mit Russland machen.

"Das Ziel von US-Sanktionen darf nicht die EU-Wirtschaft sein", mahnt deshalb die Bundesregierung. "Das US-Gesetz könnte unbeabsichtigte Auswirkungen auf die Energieversorgung der EU haben", warnt EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Man sei bereit, innerhalb von Tagen mit Gegenmaßnahmen zu reagieren. "America First kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen als Letztes kommen."

US-Firmen wittern neue Märkte

Die USA stecken in der Zwickmühle: Wenn sie Russland ernsthaft für seine Hackerangriffe und den verdeckten Krieg in der Ukraine bestrafen wollen, müssen sie Moskaus empfindlichste Stelle treffen: seine Öl- und Gasexporte. Doch damit riskieren sie den Bruch mit den EU-Ländern: Sie sind als Moskaus wichtigste Kunden völlig abhängig von russischem Gas.

Die politische Großwetterlage wird zugleich von einer stillen Revolution im Energiegeschäft überlagert: US-Firmen wollen den globalen Gasmarkt erobern. Dank unkonventioneller Vorkommen und Fördertechniken produzieren die USA inzwischen mehr Öl und Gas, als sie verbrauchen und exportieren es nach Asien und Europa. Die US-Industrie wittert fette Geschäfte auf den neuen Absatzmärkten. Eine "goldene Ära" hat Trump der Ölindustrie versprochen. Für sie sind die Russland-Sanktionen eine willkommene Gelegenheit. Und für die Konkurrenz in Europa sehen sie daher mehr nach Wettbewerbsverzerrung als nach politischen Strafmaßnahmen aus.

Der Vorwurf ist nicht aus der Luft gegriffen: "Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, der Ukraine und US-Verbündeten in Europa zu helfen, ihre Abhängigkeit von russischer Energie, besonders Gas, zu verringern", heißt es im neuen Sanktionsgesetz. Zudem verpflichtet der Entwurf Trump, sich gegen die Nordstream-Pipeline einzusetzen, mit der russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland geliefert werden soll.

Trump soll die Strafmaßnahmen "in Abstimmung mit den Verbündeten der USA" verhängen, heißt es zwar im Gesetz. Doch bisher deutet nichts darauf hin, dass der US-Präsident sich groß um die Belange der EU-Länder schert, wie das Nato-Treffen im Mai und der G7-Gipfel in Hamburg bewiesen haben. Und dass die US-Abgeordneten Trump zu einer so harten Haltung gegenüber Moskau zwingen, liegt auch daran, dass sie ihm nicht vertrauen: Ein Sonderermittler prüft, ob Trumps engste Vertraute während der US-Präsidentenwahl mit Moskau kollaboriert haben.

Vergeltung für Moskaus Gas-Krieg

Der Energie-Krieg zwischen den USA und Russland in Europa schwelt schon seit geraumer Zeit. Doch nicht Washington, sondern Moskau setzt seine Gaslieferungen dabei schon seit Jahren als politische Waffe ein, um Druck auf die EU und die Ukraine auszuüben. Im Winter 2015 drehte Gazprom in der Krim-Krise der neuen, prowestlichen Regierung in Kiew einfach die Leitungen ab.

Der Aufschrei über Washingtons vermeintlichen Energie-Imperialismus ist deshalb ein Stück weit Heuchelei: Berlin und Brüssel selbst haben sich über die Jahre immer wieder über Moskaus Erpressungsversuche beschwert. Als Reaktion auf Russlands Drohungen hat sich die EU in ihrer Energiesicherheitsstrategie offiziell das Ziel gegeben, "Lieferländer und -routen zu diversifizieren". Gas aus den USA war dabei bisher immer willkommen, weil die Lieferungen aus Übersee Europa unabhängiger von Moskau machten, aber nicht genug ins Gewicht fielen, um die Vormachtstellung des Kremls zu gefährden.

Weil die USA als Exporteur am Energiemarkt bald ähnlich große Macht wie Russland bekommen werden, treten sie nun auch genauso selbstbewusst auf - und versuchen, Europa von russischen Gaslieferungen zu entwöhnen. Seine Verbündeten mit Sanktionen zum Bruch mit Moskau zu zwingen, statt ihnen selbst die Wahl zu lassen, ist allerdings kein besonders kluger Schachzug Washingtons: Es könnte Europa direkt in Putins Arme treiben.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen