Wirtschaft

Milliarden für Millionen Wie die Regierung die Deutschen entlastet - und was noch kommen soll

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Warten auf die nächste Entlastungsrunde: Das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt haben die Inflation laut Wirtschaftswissenschaftlern deutlich gesenkt. Trotzdem laufen sie erstmal aus.

Warten auf die nächste Entlastungsrunde: Das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt haben die Inflation laut Wirtschaftswissenschaftlern deutlich gesenkt. Trotzdem laufen sie erstmal aus.

(Foto: picture alliance/dpa)

Energiegeld, Kinderbonus, Tankrabatt: Um die Belastungen durch die steigenden Preise für die Bürger abzumildern, hat der Bund bereits Milliarden verteilt auf rund ein Dutzend Einzelmaßnahmen. Weitere Entlastungen sind bereits in Arbeit. Ein Überblick.

Der Kanzler hat es versprochen, von Parteien, Verbänden und Experten kommen schon zahlreiche Vorschläge: Die Bundesregierung wird ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg bringen, um die explodierenden Energiekosten für die Verbraucher abzufedern. Es ist bereits das dritte Maßnahmenbündel seiner Art allein in diesem Jahr. Während die Regierung damit schon an den nächsten Schritten arbeitet, sind die Entlastungen aus den ersten Beschlüssen vom Frühjahr teils noch gar nicht bei den Bürgern angekommen. Oder sie sind teilweise schon wieder in Vergessenheit geraten.

Wie jüngst das RTL/ntv-Trendbarometer ermittelte, hat der Großteil der Bevölkerung das Gefühl, bei den zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung den Überblick verloren zu haben. 78 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut Forsa Befragten gaben an, sie blickten "da nicht mehr durch". Bislang fühlt sich eine kleine Minderheit von sieben Prozent dem Trendbarometer zufolge spürbar entlastet. 61 Prozent der Befragten sagten sogar, sie spürten gar keine Entlastung, obwohl etwa Entlastungen für Steuerzahler, Kindergeldempfänger, Autofahrer und ÖPNV-Nutzer - also wohl die Mehrheit der Bevölkerung - bereits in Kraft getreten sind.

Was schon beschlossen wurde

Hier für alle, die ihn verloren haben, ein Überblick darüber, was bereits an Hilfen geflossen ist, was schon beschlossen wurde und worüber derzeit noch debattiert wird:

Im Rahmen des ersten Entlastungspakets im Februar beschloss die Bundesregierung mehrere steuerliche Entlastungen, die rückwirkend zum ersten Januar in Kraft traten. Der Arbeitnehmerpauschbetrag und die Fernpendlerpauschale, die Steuerzahler in ihrer Steuererklärung geltend machen können, wurden angehoben. Zudem stieg der Grundfreibetrag, was Arbeitnehmer bereits auf ihrer monatlichen Gehaltsabrechnung bemerkt haben sollten.

Im Juli trat zudem die Abschaffung der EEG-Umlage in Kraft, was Stromkunden um 3,72 Cent pro Kilowattstunde entlastete. Zudem zahlte der Bund einen Heizkostenzuschuss von mindestens 270 Euro pro Haushalt an Wohngeldbezieher aus. Empfänger der Grundsicherung oder von Arbeitslosengeld erhielten ebenfalls im Juli Einmalzahlungen von 200 Euro. Mit dem Kindergeld zahlte der Bund einen "Kinderbonus" von 100 Euro pro Kind aus. Dazu gibt es für von Armut betroffene Kinder einen "Sofortzuschlag" von 20 Euro monatlich.

Beschlossen, aber noch nicht ausgezahlt, wurde eine einmalige Energiepreispauschale oder Energiegeld für alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen. Arbeitnehmern sollen die 300 Euro mit dem Septembergehalt ausgezahlt werden. Bei Selbständigen wird stattdessen die Steuervorauszahlung entsprechend gesenkt.

Seit knapp drei Monaten in Kraft und damit schon wieder kurz vor ihrem Ende stehen das seit Juni geltende 9-Euro-Ticket und die als Tankrabatt bekannte Senkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Während der von Anfang an politisch umstrittene Tankrabatt damit bald Geschichte sein dürfte, wird um eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket noch gerungen. Alles in allem wird das Volumen der staatlichen Entlastungen aus diesen zwei ersten Pakten auf rund 30 Milliarden Euro geschätzt.

Was noch kommen soll

Finanzminister Christian Lindner hat zudem Entlastungen im Rahmen eines Inflationsausgleichsgesetzes bei der Einkommensteuer angekündigt, die die Kalte Progression, durch die Inflation entstehende Mehrbelastung, ausgleichen sollten. Davon sollen nach Lindners Aussage insgesamt 48 Millionen Steuerzahler profitieren. Für die Staatskasse bedeutet das einen Verzicht auf geschätzt zehn Milliarden Euro. Auch eine weitere Erhöhung des Kindergeldes ist in Lindners Vorschlag enthalten. Beschlossen ist der Gesetzentwurf noch nicht. Während Bundeskanzler Olaf Scholz "grundsätzliches Wohlwollen" für die Pläne signalisierte, gibt es von Abgeordneten der SPD und der Grünen Kritik an der Gewichtung der Entlastungen von Gering- und Gutverdienern.

Auf diese bereits beschlossenen oder absehbaren Entlastungen sollen weitere folgen. "Tag und Nacht" arbeitet die Ampelkoalition am nächsten Paket. So sagte das zumindest der Kanzler auf einem Bürgerdialog in der vergangenen Woche.

Ein Teil des kommenden Pakets dürfte ein neues Energiegeld sein. Anders als die erste Tranche, die nun im September ausgezahlt wird, soll der Personenkreis ausgeweitet werden. Nicht nur einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige, sondern auch Rentner, Studenten und andere Gruppen sollen berücksichtigt werden. Das wollen nicht etwa nur Sozialverbände und die Opposition so, sondern auch der Bundeskanzler. Außerdem gibt es Forderungen, dass der Betrag angesichts der seit dem Frühjahr noch einmal stark angestiegenen Energiepreise deutlich erhöht und sozial gestaffelt werden sollte. Aus dem linken Lager kamen Rufe nach hohen Einmalzahlungen pro Haushalt, etwa in Höhe von 1500 Euro. Der Ökonom Marcel Fratzscher schlug zudem vor, ein Energiegeld nicht nur einmalig, sondern für eine Zeit von eineinhalb Jahren monatlich auszuzahlen.

Ebenfalls vom Kanzler schon angekündigt ist die Reform des Wohngeldes. Sie soll zum Jahreswechsel kommen. Der Mietzuschuss für einkommensschwache Haushalte soll dabei laut Scholz nicht nur erhöht werden, sondern vor allem soll der Kreis der Empfangsberechtigten ausgeweitet und eine Heizkostenkomponente eingeführt werden. Wohlfahrtsverbände fordern eine dauerhafte Anpassung an die Mietentwicklung.

Im Frühjahr war der Vorschlag von Ökonomen für einen Preisdeckel für einen Energiegrundbedarf noch ungehört verhallt. Jetzt hat auch die SPD die Idee in ihren Vorschlag für das kommende Entlastungspaket aufgenommen. Demnach könnten die Energiepreise pro Haushalt für einen Minimalverbrauch begrenzt werden. Der Staat müsste für die Differenz zum Marktpreis aufkommen. Für alles, was darüber hinaus verbraucht wird, müssten dann die Verbraucher die Kosten voll tragen. Das Vorgehen hätte den Vorteil, dass die Verbraucher vor der vollen Wucht des Energiepreisschocks geschützt würden.

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Ohnehin geplant hatte die Ampelkoalition die Einführung eines Bürgergeldes anstelle des bisherigen Hartz-IV-Systems. Angesichts der besonders hohen Belastung armer Haushalte durch die Inflation fordern Sozialverbände im Zuge der Umstellung eine drastische Erhöhung der Zahlungen.

Viel gefordert und doch heftig umstritten ist ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket. Als mögliche Nachfolgeregelung wird unter anderem ein vergleichbares 29-Euro-Ticket für den Nahverkehr diskutiert. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen schlägt ein auf Dauer angelegtes, bundesweites 69 Euro teures Monatsticket vor. Im SPD-Entlastungspapier findet sich ein 49-Euro-Ticket. Knackpunkt bleibt die Finanzierung. Die Verkehrsverbünde führen auch an, dass es für die Entwicklung eines alternativen verbundübergreifenden Angebots mehr Zeit bräuchte.

Quelle: ntv.de

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