Pauschale vor Auszahlung Wer um die 300 Euro bangen muss
01.09.2022, 10:18 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Immerhin ...
(Foto: imago images/Deutzmann)
Auch wenn schon fleißig neue Entlastungspakete geschnürt werden, steht jetzt die Auszahlung der 300 Euro Energiepreispauschale an. Entgegen der eigentlichen Ankündigung könnten aber wohl nicht alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen davon profitieren. Alles rund um das Thema EPP lesen Sie hier.
Die von der Bundesregierung beschlossene Entlastung wegen der stark gestiegenen Energie- und Spritpreise zahlt sich für einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige unter anderem in Form der Energiepreispauschale (EPP) von 300 Euro aus. Mit der Gehaltsabrechnung wird diese im kommenden Monat an alle Personen ausgezahlt, die zum 1. September in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
Doch kurz vor der Überweisung kommt nochmal Unruhe in die Sache. Denn die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung bezweifelt, dass die EPP bei überschuldeten Verbrauchern ankommt. Denn möglicherweise ist das Geld pfändbar. Aber der Reihe nach.
Zunächst einmal, wer bekommt die Energiepreispauschale?
Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen (Steuerklassen 1-5) wird einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro gezahlt. Nach dem Regierungsentwurf profitieren laut Bundesarbeitsministerium (BMAS) auch "alle in diesem Jahr geringfügig Beschäftigten von der Energiepreispauschale - sowohl die 450 -Euro-Minijobber als auch kurzfristig (geringfügig) Beschäftigte - unabhängig von der genauen Art der Besteuerung."
Wie lange muss die Tätigkeit ausgeübt werden?
Steuerpflichtige müssen im Jahr 2022 anspruchsberechtigende Einkünfte erzielen. Die Tätigkeit muss weder zu einem bestimmten Zeitpunkt noch für eine Mindestdauer ausgeübt werden.
Wer muss nun dennoch um das Geld bangen?
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) könnte die EPP bei verschuldeten Menschen gepfändet werden. Denn laut BAG-SB wurde es versäumt, die Unpfändbarkeit der Leistung klar im Gesetz zu regeln. Denn sobald es eine Lohn- oder Kontopfändung gibt oder jemand in der Insolvenz ist, ist es mit viel Aufwand verbunden, die Pauschale ausgezahlt zu bekommen. "Uns scheint, als sei die Lebensrealität der fast sieben Millionen überschuldeten Menschen im Gesetzgebungsverfahren wieder einmal komplett vergessen worden", heißt es in der Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft. Laut dem Verband gelten in Deutschland fast sieben Millionen Menschen als überschuldet.
Gegenüber der "Bild-Zeitung" bestätigte das Bundesfinanzministerium (BMF): "Über die Pfändbarkeit der Energiepreispauschale entscheiden letztlich die Gerichte." Was etwas verwirrt, denn auf der Seite des BMF heißt es: "Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um 'Arbeitslohn' oder 'Arbeitsentgelt' handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich."
Unklar ist laut BAG-SB, ob die Lohnprogramme nach dieser Klarstellung arbeiten oder auf eine gesetzliche Regelung bestehen. Und wird nicht der Lohn, sondern das Konto gepfändet, reicht die Klarstellung des Bundesfinanzministerium aber wohl auf keinen Fall aus.
Der Verband stellt entsprechende Musterbriefe und eine Beratungsstellensuche auf seiner Webseite www.meine-schulden.de zur Verfügung, um den Menschen den Weg zum Erhalt der Pauschale möglichst leicht zu machen. Inwieweit die Gerichte den Freigabeanträgen stattgeben, bleibt aber abzuwarten.
Wer bekommt die Unterstützung sowieso nicht?
Nichterwerbstätige. Darunter fallen auch die meisten Rentner. Ebenso bekommen Azubis ohne Vergütung und Studierende kein Geld.
Muss die EPP beantragt werden?
Nein. Die Energiepreispauschale wird mit der Gehaltsabrechnung vom Arbeitgeber ausgezahlt. Selbständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.
Wann wird das Geld überwiesen?
Gesetzlich geregelt ist, dass der Anspruch auf die EPP am 1. September 2022 entsteht. Das Datum markiert aber keinen Stichtag für die Anspruchsvoraussetzungen. Anspruch auf die Zahlung hat jede Person, die irgendwann im Jahr 2022 die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat. Arbeitgeber müssen allen Beschäftigten, welche am 1. September bei ihnen angestellt sind, die 300 Euro ausbezahlen. Doppelzahlungen in den Fällen eines Arbeitgeberwechsels kann es somit nicht geben.
Unterliegt das Geld der Einkommensteuer?
Ja.
Werden auch Sozialabgaben fällig?
Nein, laut BMAS fallen auf die Energiepreispauschale keine Sozialversicherungsbeiträge an, da es sich dabei nicht um Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handelt.
Was bleibt übrig?
Laut Berechnungen des Steuerzahlerbunds bekäme ein verheirateter Arbeitnehmer mit Kind, Steuerklasse 4 und Jahresgehalt von 45.000 Euro 216,33 Euro Energiepreispauschale. Bei einem Jahresgehalt von 15.000 Euro erhielte derselbe Arbeitnehmer 248,83 Euro. Ist er in Steuerklasse 3 eingetragen, bleibt er unter dem Grundfreibetrag, muss also keine Steuern zahlen und bekommt die volle Pauschale ausgezahlt.
Für Besserverdiener bleibt netto weniger übrig. Den Berechnungen des Verbands zufolge bekommt ein Single mit Steuerklasse 1 und 72.000 Euro Jahresgehalt am Ende 181,80 Euro Zuschuss netto. Bei ihm greift der Spitzensteuersatz, außerdem fällt durch die Pauschale auch wieder Solidaritätszuschlag an. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem Kind, Steuerklasse 4 und Jahresgehalt von 72.000 Euro bekäme 184,34 Euro Pauschale.
Was kostet der Zuschuss den Staat?
Das Finanzministerium rechnet insgesamt mit einem Betrag von rund 13,8 Milliarden Euro. Da die Einmalzahlung steuerpflichtig ist, verbleiben unter dem Strich Kosten von rund 10,4 Milliarden Euro.
Gibt es Kritik?
Natürlich. Zum Beispiel vom Bund der Steuerzahler. Der moniert, dass es sich nur dann um eine wirkliche Entlastung handeln würde, wenn die Energiepreis-Pauschale steuerfrei wäre. Auch Rentner und Selbstständige erhielten keinen wirklichen Zuschuss.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 29. August 2022 erstmals veröffentlicht.)