Das Geschäft mit Bier Hopfen und Malz sind noch nicht verloren
28.06.2017, 09:24 UhrDeutschland gilt weltweit als Biernation. Dabei geht der Pro-Kopf-Verbrauch seit Jahren zurück. Trotzdem ist die Branche ein bedeutender Wirtschaftszweig. n-tv schaut sich das Geschäft mit Bier genauer an.
Ob beim Fußballschauen auf dem Sofa oder zum Feierabend im Biergarten - die Deutschen lieben ihr Bier. Jedes Jahr werden mit dem Gerstensaft Milliarden umgesetzt. Früher war Bier das meistkonsumierte Getränk in Deutschland. Heute liegt es hinter Kaffee, Wasser und Säften auf Platz vier. Die Hersteller müssen sich einiges einfallen lassen, um nicht noch mehr Kunden zu verlieren.
Speziellere Biere aus kleineren Brauereien werden deswegen immer beliebter. Ein Marktvorteil für Mikrobrauereien und spezielle Läden, die ausgefallene Biere verkaufen. Dafür geben die Kunden auch bereitwillig mehr aus.
Kölns kleinste Brauerei
Peter Esser ist der Besitzer der Kölner "Braustelle". Er sagt: "Die Nachfrage nach ausgefallenen Bieren steigt. Die Leute sind inzwischen viel gebildeter in Bezug auf Bier." 2001 eröffnete der Braumeister im Stadtteil Ehrenfeld die kleinste Brauerei Kölns. Die "Braustelle" ist eine von hunderten kleinen Brauereien in Deutschland. Mit seiner Brauerei liegt Esser im Trend.
Obwohl der Bierkonsum in Deutschland seit Jahren stetig zurückgeht, steigt die Zahl der Brauereien. Die meisten gibt es in Bayern: 624 Stück. In Baden-Württemberg sind es immerhin noch 195. Auf dem dritten Platz folgt Nordrhein-Westfalen mit 132 Braustätten. Insgesamt gibt es in Deutschland 1408 Brauereien. Das sind so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Der Grund dafür: Mehr als die Hälfte der Betriebe sind Mikrobrauereien, die einen Jahresausstoß bis 1000 Hektoliter haben.
Esser stellt in der Kölner "Braustelle" jährlich rund 500 Hektoliter Bier her. Dafür werden alle Zutaten noch durch reine Muskelkraft in den Braukessel befördert.
Automatisierung bei Oettinger
In Großbrauereien funktioniert dieser Vorgang auf Knopfdruck - so wie bei Oettinger am Standort Mönchengladbach. Mit rund 30 Cent pro Halbliter-Flasche ist Oettinger das günstigste Markenbier in Deutschland. Nur Krombacher konnte 2016 noch mehr Bier absetzen.
Sven Willim ist Braumeister bei Oettinger. Er kontrolliert den Brauvorgang von der Leitwarte aus - alles per Computer, denn es kommt vor allem auf Effizienz an. Willim erklärt: "Das Sudhaus zum Beispiel ist vollautomatisiert." Dadurch wird weniger Personal benötigt. In Mönchengladbach arbeiten daher nur rund 200 Mitarbeiter für Oettinger.
Dennoch ist Bier in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Insgesamt arbeiteten 2016 mehr als 25.000 Menschen in den 1400 Brauereien. Die Branche macht fast acht Milliarden Euro Umsatz im Jahr - obwohl die Deutschen immer weniger Bier trinken. Lag der Pro-Kopf-Konsum von Bier 1990 noch bei 143 Litern im Jahr, waren es 2016 nur noch 104 Liter. Damit ist der Bierabsatz seit Beginn der 1990er-Jahre um rund ein Drittel zurückgegangen. Dass gerade den Deutschen das Bier weniger schmeckt, ist überraschend. Deutschland gilt als Biernation - auch wegen des Reinheitsgebots aus dem Jahre 1516. Wasser, Hopfen, Malz und Hefe: Mehr darf nicht rein in das Gebräu.
Bierbranche kämpft mit Fitnesstrend
Die Gründe für die sinkende Bierlust sind vielfältig. Jürgen Witt, Geschäftsführer der Brauereiverbände in Nordrhein-Westfalen, begründet den Rückgang mit der demografischen Entwicklung: "Immer ältere Menschen trinken weniger und auch die jungen Menschen haben sich teilweise umorientiert. Es wird viel Sport getrieben, man hat andere Lebensweisen und daher kommt es, dass weniger Alkohol getrunken wird." Trotzdem greifen vor allem Sportler immer häufiger zu alkoholfreiem Bier.
Ein knallharter Preiskampf belastet die Branche zusätzlich. Der Getränkehandel bietet eine fast endlose Auswahl an Sorten. Rund 6000 verschiedene Biere gibt es in Deutschland. Allein in den vergangenen zehn Jahren kamen etwa 1000 neue dazu. Diese Preise sind aber seit Jahren konstant. "Wir haben in Deutschland das Phänomen, dass seit 20 Jahren die Bierpreise gleich sind. Gleichzeitig sind aber die Rohstoffpreise extrem gestiegen", sagt Oettinger-Geschäftsführer Karl Liebl. Auch die steigenden Energiekosten müssten beachtet werden.
Großbrauereien gleichen sich an
Eine Kiste Markenbier für unter 10 Euro ist nichts Außergewöhnliches mehr. Auf dem Biermarkt sind Schleuderpreise normal geworden. Biersommelier Michael Busemann weiß, dass Supermärkte Kunden mit besonderen Angeboten in ihre Läden locken. "Wenn ein Supermarkt oder ein Getränkemarkt ein Bier besonders günstig anbietet, kommen die Leute und kaufen dieses Bier." So komme es, dass fast drei Viertel der Biere, die im Fernsehen beworben werden, über Aktionspreise verkauft werden. "Diese sind dann deutlich billiger und das drückt insgesamt auf den Preis", so Busemann.
Um trotzdem noch Geld zu verdienen und möglichst viele Menschen anzusprechen, gleichen sich die großen Hersteller geschmacklich immer mehr an. Oettinger-Braumeister Willim sagt: "Die großen Fernsehbiere sind alle sehr gleich - sowohl qualitativ als auch geschmacklich." Alle produzieren auf einem sehr hohen Level und hätten das Ziel, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. "Auch wir könnten Craftbeer machen. Diese Biere sind für viele dann aber so speziell, dass man davon nicht genug trinken möchte."
Das beliebteste Bier in Deutschland ist und bleibt das Pils. Mit einem Marktanteil von 50 Prozent liegt es unangefochten an der Spitze. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Export und Weißbier, mit einem Marktanteil von jeweils 8 Prozent. Alkoholfreie Biere haben immerhin noch einen Anteil von gut 5 Prozent. Doch auch Spezialitätenbiere wie Keller-, Land- oder Festbiere werden bei den Deutschen immer beliebter. Zudem ist Craftbeer im Kommen. Laut einer Umfrage kauft jeder Fünfte mindestens einmal im Monat ein Craftbeer. Die Deutschen sind offen für Neues und greifen gerne tiefer in die Tasche, um sich etwas zu gönnen.
Quelle: ntv.de