Herbstgutachten vorgestellt Wirtschaftsforscher werden skeptischer
29.09.2016, 11:03 Uhr
(Foto: dpa)
Die führenden deutschen Wirtschaftsforscher heben ihre Prognose für das laufende Jahr an - und streichen die Erwartungen für 2017 etwas zusammen. Der Brexit wird zur großen Unbekannten. Sonst aber überwiegen die guten Nachrichten.
Deutschlands führende Wirtschaftsforscher sehen die Konjunktur zwar weiter im Aufschwung. Sie schauen allerdings skeptischer auf die Entwicklung im kommenden Jahr. Grund dafür ist vor allem der Brexit. In ihrem Herbstgutachten prognostizieren sie für nächstes Jahr eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um nur noch 1,4 Prozent. Im Frühjahr hatten sie noch 1,5 Prozent vorausgesagt. Für dieses Jahr heben die Ökonomen die Prognose aber deutlich an - von 1,6 auf 1,9 Prozent. 2018 dürfte das Wachstum nach ihrer Gemeinschaftsdiagnose dann bei 1,6 Prozent liegen.
Grund für die gewachsene Skepsis der Forscher sind internationale Unsicherheiten, vor allem aufgrund der britischen Entscheidung zum Verlassen der EU. "Es bestehen Risiken für die deutsche Konjunktur, vor allem weil vielerorts gesellschaftliche Strömungen im Aufwind sind, die die Integration der Weltwirtschaft in Frage stellen", warnte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner. Die Institute sähen die Gefahr, dass auch andernorts die Skepsis gegenüber internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit verstärkt Einfluss auf die Politik nehmen und so die deutsche, europäische und internationale Konjunktur beeinträchtigen könnte.
Einen wesentlichen Grund für die niedrigere Wachstumsrate im kommenden Jahr sehen die Forscher allerdings auch in einer dann geringeren Zahl an Arbeitstagen; kalenderbereinigt wird der Zuwachs 2017 bei ihren Berechnungen bei 1,6 Prozent liegen.
Stabiler Arbeitsmarkt - robuster Konsum
Insgesamt aber gaben die Ökonomen vor diesem Hintergrund eine positive Beurteilung der aktuellen Situation ab. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem moderaten Aufschwung, der von einem stabilen Arbeitsmarkt und kräftigen Konsum gestützt wird", erklärten sie. "Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einer guten Verfassung und trägt den privaten Verbrauch", sagte Fichtner. Darüber hinaus machten sich beim öffentlichen Konsum Aufwendungen für die Integration von Flüchtlingen bemerkbar, sodass die Binnenkonjunktur außerordentlich gut da stehe.
Die Ökonomen erwarten in dem Gutachten eine Zunahme der Arbeitslosenzahl im kommenden Jahr auf 2,696 Millionen. 2018 werde die Zahl dann voraussichtlich bei 2,724 Millionen liegen. Die Beschäftigung steige weiter kräftig, und es entstünden nächstes Jahr fast eine halbe Million neue Stellen. Die Industrie leiste jedoch anders als in früheren Erholungsphasen einen unterdurchschnittlichen Beitrag. Die bereits seit längerem schwachen Investitionen und die Exporte sollen nach der Prognose der Ökonomen im Laufe des Jahres aber etwas anziehen.
Konkret sagen sie ein Exportwachstum von 2,3 Prozent in diesem, 2,0 Prozent im nächsten und 4,2 Prozent im übernächsten Jahr voraus. Die Einfuhren sollen um 2,4 Prozent, 2,8 Prozent und 5,2 Prozent steigen. Die Konsumausgaben der Verbraucher werden sich nach der Prognose von 1,8 Prozent im Jahr 2016 auf jeweils 1,3 Prozent in den nächsten beiden Jahren abschwächen.
Könnte auch kräftiger nach oben gehen
Für die Inflationsrate erwarten die Wirtschaftsforschungsinstitute aufgrund nicht weiter rückläufiger Ölpreise eine Steigerung auf 1,4 Prozent im Jahr 2017 und 1,5 Prozent 2018. Die öffentlichen Haushalte werden nach der Prognose im Jahr 2016 einen Budgetüberschuss von 20,1 Milliarden Euro aufweisen, in den beiden Folgejahren sollen es dann 13,7 und 16,0 Milliarden sein.
Allerdings könnte die deutsche Wirtschaft nach Meinung der Ökonomen auch kräftiger expandieren als von ihnen prognostiziert, "denn die monetären Rahmenbedingungen sind aus hiesiger Perspektive außerordentlich günstig". Dies könnte zum Beispiel die Bauwirtschaft stärker stimulieren als unterstellt.
An der Prognose waren neben dem DIW das IWH aus Halle, das Münchner ifo Institut, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Essener RWI beteiligt. Die Institute erstellen ihr Gutachten zwei Mal jährlich im Auftrag der Bundesregierung.
Quelle: ntv.de, jwu/DJ