
Was ist echt? Kim Kardashian soll sich mehreren schönheitschirurgischen Eingriffen unterzogen haben.
(Foto: picture alliance / Evan Agostini/Invision/AP)
Schönheitsoperationen boomen, Deutschland ist unter den Ländern mit den meisten Behandlungen weltweit. Schon junge Leute optimieren ihre Körper, angestachelt von Social Media und den dort verbreiteten Schönheitsidealen.
Size Zero wie Kate Moss, eine große Oberweite wie Pamela Anderson oder ein praller Hintern wie Kim Kardashian: Jedes Jahrzehnt hat seine Schönheitsideale. Entfliehen kann man ihnen kaum. Models, Schauspielerinnen, Influencer - früher im Fernsehen, auf Magazintiteln und Plakatwänden - heute zusätzlich auf Social-Media-Plattformen.
Der Druck ist groß, auszusehen wie die Idole. Natalia Osada sagt im ntv-Podcast "Wieder was gelernt": "In den 1990er Jahren war Pamela Anderson ein großes Vorbild für viele junge Frauen. Sie haben davon geträumt, diesem Schönheitsideal gerecht zu werden. Für mich war relativ früh klar, dass ich mich auf jeden Fall unters Messer legen möchte". Die Influencerin war 23 Jahre alt, als sie sich für eine Brustvergrößerung entschieden hat. Ihre erste Schönheits-OP sei wichtig für ihr Selbstbewusstsein gewesen.
Brustvergrößerung bei jungen Leuten im Trend
Brustoperationen sind auf der ganzen Welt beliebt, vor allem bei US-Amerikanerinnen und Brasilianerinnen. Deutschland landet mit knapp 140.000 OPs pro Jahr auf Platz fünf, so die International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS).

Influencerin und Realitysternchen Natalia Osada hat sich mehreren Schönheitsoperationen an Brust, Lippen und Po unterzogen.
(Foto: Christopher Bär)
Nach einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) aus dem vergangenen Jahr möchte sich etwa jeder dritte Befragte die Brust verkleinern, straffen oder vergrößern lassen. Bei den unter 30-Jährigen ist es sogar etwa jeder zweite. Bundesweit wurden rund 4000 Frauen und Männer befragt, die zum Schönheitschirurgen gehen.
"Die U30-Patienten wollten am häufigsten ihre Brust vergrößern, verkleinern oder straffen lassen. Relativ häufig werden zudem Intimkorrekturen nachgefragt. An fünfter Stelle folgt die Botoxbehandlung. Dann erst kommen Fettabsaugungen und Nasenkorrekturen", sagt Dr. Helge Jens im Podcast, Präsident der DGÄPC und Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Aachen.
Botox weltweit am beliebtesten
Schönheitsoperationen boomen. Immer mehr Frauen - und auch Männer - lassen ihre Körper nach ihren Vorstellungen verändern. Weltweit gab es 2023 laut ISAPS rund 35 Millionen Behandlungen, ein Anstieg um über 3 Prozent. Deutschland gehört mit 1,2 Millionen Eingriffen zu den Ländern mit den meisten Eingriffen.
Die beliebteste Behandlung überhaupt ist die Behandlung mit Botulinumtoxin, kurz Botox. Der Wirkstoff, ein Nervengift, wird hauptsächlich bei Falten auf der Stirn, um die Augen oder an der Nase eingesetzt. In den Muskel gespritzt, glättet sich die Haut. Kostenpunkt ab 300 Euro.
In Deutschland lassen sich die meisten Menschen Schlupflider korrigieren. Dabei wird ab 1800 Euro das obere Augenlid gestrafft- die beliebteste Behandlung bei Männern. Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat den Eingriff im Dezember "aus medizinischen Gründen" durchführen lassen. Die weiteren Lieblingsbehandlungen der Deutschen sind Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen, Faltenunterspritzungen und Botoxbehandlungen.
Botox und Anti-Falten-Spritzen sind vor allem bei Frauen beliebt, sie gehen auch häufiger zum Chirurgen als Männer. Die Patienten werden immer älter - der Altersdurchschnitt liegt in Deutschland inzwischen bei rund 44 Jahren.
Social Media kreiert Schönheitsideale
Schönheits-OPs sind längst kein Tabu mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Man muss es nicht mehr heimlich hinter verstohlener Hand sagen, dass man sich Botox spritzen lässt oder dass man sich die Oberlider hat machen lassen", sagt Chirurg Jens. "Das war vor Jahren noch anders."
Heute gilt: Wer zum Schönheitschirurgen geht, erzählt das gern weiter. Auch in den sozialen Medien. Experten beobachten, dass Tiktok, Instagram und Co. das Selbstbild extrem beeinflussen. Jeder zweite Jugendliche - die dort besonders viel unterwegs sind - würde gern etwas an seinem Körper ändern, zeigt eine Studie der österreichischen Initiative Safer Internet. Rund jeder vierte Jugendliche hat schon einmal über eine Schönheits-OP nachgedacht. Zwei von drei jungen Leuten sehen einen Zusammenhang zwischen Schönheitsidealen und Fotos in den sozialen Medien.
Doch die Bilder sind oft digital bearbeitet. Gekennzeichnet werden muss so ein Filter in Deutschland bisher nicht - anders als in Norwegen, Frankreich und Israel.
"Sie kriegen es an jeder Straßenecke"
Fast jeder vierte unter 30 jährige will wegen Social Media anders aussehen, steht in der DGÄPC-Umfrage. Die Accounts und Algorithmen generieren Trends, die die jungen Leute abholen, erklärt Jens im "Wieder was gelernt"-Podcast. "Aber fast 70 Prozent sagen auch, dass sie über drei Jahre nachdenken, bevor sie operativ etwas machen lassen." Das betreffe vor allem Brustoperationen. Für Falten-, Lippen- und Botox-Behandlungen gelte das nicht. "Das wird unbedacht gemacht. Überall wird davon erzählt. Sie kriegen es an jeder Straßenecke."

Dr. Helge Jens ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC).
(Foto: Domhof-Klinik Aachen)
Immer mehr günstige Beautyketten drängen auf den Markt. Und wittern das große Geschäft. Sie heißen "Docboom" oder "Paau" und bieten an den Shoppingmeilen oder in Einkaufszentren Behandlungen To go an. Mit Dumpingangeboten locken sie vor allem junge Menschen an. Die Ketten können Produkte in größeren Mengen und damit günstiger einkaufen als die kleinen, niedergelassenen Praxen. Die Nachsorge ist oft nicht einkalkuliert.
Einer der größten Anbieter ist mit über 60 Filialen weltweit M1 Med Beauty, rund 40 davon in Deutschland - Tendenz steigend. Der Umsatz des Betreibers M1 Kliniken AG ist im ersten Halbjahr 2024 auf rund 168 Millionen Euro gestiegen.
Doch bei den Billigketten arbeiten oft Ärzte ohne spezielle Facharztausbildung und Erfahrung. Trotzdem nennen sie sich Schönheitschirurg, Kosmetischer Chirurg oder "Beauty Doc" - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, diese Begriffe sind nicht geschützt. "Die Mediziner werden in diesen Ketten teilweise nach dem Studium in einem Wochenendkurs angelernt", warnt Schönheitschirurg Jens.
Tödlicher Brazilian Butt Lift
Kliniken im Ausland locken deutsche Kunden gern mit niedrigen Preisen. Für hierzulande teure Eingriffe reisen immer mehr Menschen in die Türkei, nach Polen, Ungarn oder Tschechien. Auch dort gibt es gute Chirurgen, dennoch kann der Eingriff überraschend teuer werden: Deutsche Krankenkassen übernehmen oft die Kosten der teuren Nachbehandlung nicht.
Im schlimmsten Fall endet die Behandlung sogar tödlich. Vergangenes Jahr ist eine Britin nach einer Po-Vergrößerung - dem Brazilian Butt Lift - in der Türkei gestorben. 2021 hat das Düsseldorfer Landgericht einen Arzt verurteilt, zwei seiner Patientinnen hatten den Eingriff nicht überlebt.
Der Brazilian Butt Lift ist die gefährlichste Schönheitsoperation überhaupt. Der Po wird mit Eigenfett vergrößert. Von Bauch oder Oberschenkeln wird Fett abgesaugt und ins Gesäß gespritzt. Das Fett darf nicht in die Blutbahn gelangen, ansonsten droht eine tödliche Embolie. Eine von 3000 Patientinnen stirbt an den Folgen. Trotzdem ist sie eine der beliebtesten OPs weltweit.
"Als hätte man ein Brot unter die Haut geschoben"
Auch Natalia Osada hatte eine solche Operation. 2018, mit Ende 20, hatte sie sich inspiriert von den Kurven der Kardashian-Schwestern für den Brazilian Butt Lift entschieden. Ein plastischer Chirurg operierte sie kostenlos, zum "Tausch" gab sie in seiner Praxis einem Online-Magazin ein Interview.
Doch als sie nach der OP aufwachte, war ihr sofort klar, dass etwas nicht stimmt. "Es war überhaupt nicht das Volumen, was ich mir gewünscht hatte. Alles hing oben, als ob man einfach ein kleines Brot unter die Haut geschoben hat, unten war es genauso wie vorher", berichtet die Influencerin im Podcast. "Mir ist auch Fett aus den Nähten rausgelaufen, das ist supergefährlich. Mir war klar, da ist gewaltig etwas schiefgelaufen."
Jahrelange Schmerzen waren die Folge. Die heute 34-Jährige konnte nicht richtig sitzen und nicht mehr auf dem Rücken schlafen. Erst die vierte Nachbehandlung durch einen anderen Arzt hat sie gerettet. Aussehen wie früher wird sie nie mehr.
Brust-OP? "Mein Freund will das gar nicht"
Verletzungen, schwere Infektionen, Erblinden: Risiken gibt es bei Beauty-Eingriffen immer, warnt Jens. Werde Botox zum Beispiel im unteren Gesichtsdrittel gespritzt, könne der falsche der über 30 Muskeln dort gelähmt werden, wochenlang könne man nicht essen, trinken oder lachen.
Trotzdem wollen immer mehr Menschen ihren Körper optimieren und verändern lassen. Der Antrieb kommt dabei meist von ihnen selbst, beobachtet Jens. "Die Frauen in meiner Praxis mit Wunsch nach Brustvergrößerung sagen immer: 'Mein Freund will das gar nicht.' Oder: 'Für meinen Freund müsste ich es nicht machen.'
Viele Wünsche kann der Facharzt nachvollziehen: "Dass sich jemand mit einem perfekten Körper operieren lassen will, ist selten. Frauen mit ganz kleinen Brüsten oder mit extrem hängenden, leeren Brüsten nach zwei Schwangerschaften wünschen sich normale Brüste."
Trend zu mehr Natürlichkeit
Doch womöglich ist der Trend zu großen Eingriffen vorbei, der "Hollywood Reporter" sieht inzwischen den Beginn einer "Ent-Kardashianisierung Amerikas": Kurven, üppige Brüste und Hinterteile mit aufgespritzten Lippen sind out. Weniger ist mehr, sagen plastische Chirurgen in den USA, die das Branchenmagazin Ende November befragt hat. Mehr Natürlichkeit sei gefragt - die Patienten wollen minimale Liftings im Gesicht und an den Armen, Bauchstraffungen oder Brustverkleinerungen.
Diesen Trend sieht Jens auch für Deutschland kommen, ausgelöst auch durch Abnehmspritzen wie Ozempic. "Einige meiner Patienten und Patientinnen, haben über eingefallene Gesichter geklagt. Die kann man mit Hyaluronsäure oder Eigenfett wieder aufpolstern." Über die weiteren Folgen sei aber noch wenig bekannt. "Wenn diese Spritzen großen Erfolg haben, werden die Straffungsoperationen im Bauch- und Oberschenkelbereich, an den Oberarmen und an den Brüsten deutlich zunehmen."
Mit Schönheits-OPs ist es ein bisschen wie mit Tattoos, hat man eins, will man immer mehr, warnt Natalia Osada. Auch wenn die Behandlung eigentlich gar nicht nötig ist. Trotz ihrer traumatischen Erfahrung wird sie sich vielleicht bald wieder unters Messer legen. Diesmal aber besser vorbereitet: Jungen Frauen rät sie, einen guten Arzt auszuwählen und gründlich zu überlegen, ob man den Eingriff wirklich braucht.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de