Musik

Muss man gehört haben Voll auf die Zwölf - The Kinks

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Im Vergleich zu den Kinks-Brüdern Davies sind die Gebrüder Gallagher die reinsten Softies - sie schlagen und sie vertragen sich. Immer wieder. Im Alter der Rolling Stones zeigen sie jedoch wenig Anzeichen, es noch einmal miteinander zu versuchen.

Dieses Jahr gibt es eigentlich viel zu feiern für Ray Davies - am 21. Juni wird er 70 und im dann wäre da noch das 50-jährige Bestehen seiner Kinks zu zelebrieren.  Andere Bands würden sich für eine Jubiläumstour aufraffen, aber dafür muss man sich erstmal mögen - und das tun die verbleibenden Originalmitglieder nicht. Bassist Pete Quaife (†66) starb 2010 an Nierenversagen, er hatte sich allerdings schon 1969 aus dem Staub gemacht, da er die Gewalt in der Band nicht mehr aushielt. Die Brüder Ray und Dave Davies (67) sind eher schwierige Gestalten, deren Fäuste früher gerne mal zuckten. Aber auch die anderen sind keine Unschuldslämmer - Drummer Mike Avory (70) schlägt im Mai 1965 bei einem Konzert Dave mit seinem Beckenständer bewusstlos, weil dieser ihn schwer beleidigt. Quaife spielt in den 60er-Jahren auch schon mal mit gebrochenem Handgelenk - das hat er wiederum Dave zu verdanken. Aber niemand liebt und hasst sich so sehr wie die Gebrüder Davies - gegen sie wirken Noel und Liam Gallagher wie Chorknaben. Verblüffend ist nur, das die Streithähne es ziemlich lange durchhalten. Erst 1996 lösen sich die Kinks auf und können nun auf 24 Studioalben, sieben Live-Alben, 32 Compilation-Alben und sage und schreibe 78 Singles zurückblicken.

Geburtsstunde des Hardrock

Where have all the good times gone?

Where have all the good times gone?

Angefangen hat es 1964 mit einem absoluten Kracher - "You Really Got Me", der oft als Geburtsstunde des Hardrock gefeiert wird. Dave Davies möchte einen dreckigen Sound und fummelt mit einer Rasierklinge an seinem Gitarrenverstärker herum - mehrere Elektroschocks später hat er den gewünschten Effekt und die Welt eine der schönsten Rockhymnen überhaupt. Der Rest des Debütalbums besteht zumeist aus Rhythm & Blues-Covern. Der Nachfolger "Kinda Kinks", der noch im selben Jahr veröffentlicht wird, hat mit "Dancing in the Street" nur noch ein Cover - der Rest stammt aus der Feder von Sänger Ray Davies - darunter der nächste Hit  "Tired of Waiting", der ein wenig sanfter als 'You Really Got Me' klingt. Der Sänger ist ein exzellenter Songschreiber, was sich auch beim nächsten Hit "Where Have All The Good Times Gone' von dem Album "The Kink Kontroversy" beweist. Augenzwinkernd leiht er sich hier ein paar Phrasen aus Werken der rivalisierenden Bands The Rolling Stones und The Who aus, während sein Bruder den später von Punklegenden und Britpoppern so geliebten rotzigen Beatsound liefert.

Es lohnt sich immer, bei Davies auf den Text zu hören - oft ist er satirisch und liefert einen guten Einblick in das britische Leben. Es bleibt dem Songschreiber auch nichts anderes übrig, als sich auf die Heimat zu konzentrieren, denn die Kinks haben von 1965 bis 1969 Auftrittsverbot in den USA. Die britische Invasion muss ohne sie stattfinden, was vor allem finanziell sehr schmerzt. Was war passiert, dass die US-Amerikaner diese schmucken und leicht raufboldigen Briten nicht auf ihrer Bühne haben wollten? Es gibt anscheinend mehrere Gründe - Davies spricht 2005 in einem Interview mit "Q" von einer Kombination schlechten Managements, Pech und schlechtem Benehmen. Die Kinks ignorieren die dortige Gewerkschaft - als Künstler hätte man vor Auftritten im US-Fernsehen Mitglied werden müssen, dann verklagt ihr Manager noch einen Konzert-Promoter und laut Gerüchten soll Ray Davies noch einen Repräsentanten der Musikbranche geschlagen haben.

Den Herren nicht abgeneigt

Für den scharfzüngigen und leicht egomanen Songschreiber haben die Amerikaner damals einfach nicht den Humor der Nordlondoner verstanden. Aber die Briten tun es, ebenso die Europäer und so werfen sich die Musiker auf diesen Markt. Davies feiert in seinen Liedern die berühmte Exzentrik der Inselbewohner. Die Deutschen erwärmen sich besonders für das gut gelaunte "Dandy", das sich auf dem Album "Face To Face" befindet und machen es zum einzigen Nummer-Eins-Hit der Band in den deutschen Charts. Hier amüsiert sich Ray angeblich über das Balzgehabe seines jüngeren Bruders  - Dave Davies bringt es auf acht Kinder von drei Frauen und war auch den Herren nicht abgeneigt, wie er in seiner Autobiografie "Kink". enthüllt. Bei "Face to Face" lassen die Kinks ihren Beat-Sound früherer Tage sein und werden poppiger, was nicht unbedingt schlecht sein muss, wenn man das großartige "Sunny Afternoon" hört. Hier geht es um einen Mann, dessen Reichtum vom Staat einkassiert wurde, der sich aber trotzdem nicht die Laune verderben lässt.

Der Beat-Sound wird poppiger.

Der Beat-Sound wird poppiger.

1967 erscheint "Something Else", auf dem sich die ultimative Londonhymne der Kinks wiederfindet - "Waterloo Sunset". Die Idee kommt Davies, als er im Krankenhaus liegt und von dort das Treiben auf der der Londoner Themse betrachtet. Auf "Something Else" taucht auch "Death of a Clown" auf. Der jüngere Davies wird sich Zeit seines Lebens darüber aufregen, dass seine musikalischen Beiträge nie richtig gewürdigt wurden - vor allem nicht von seinem großen Bruder. Der hat seit "Something Else" die Kontrolle über den Sound übernommen - und gibt sie auch nicht wieder her, was zu Reibereien in der Gruppe führt. Fortan geht es in Richtung Konzeptalbum, was zwar die Kritiker begeistert, aber nicht zu riesigen Verkaufszahlen führt. Schon schade, denn "The Kinks Are the Village Green Preservation Society" aus dem Jahr 1968 ist ein richtig schönes Hippie-Album voll barockem Pop und Folkperlen, das vom britischen Leben auf dem Lande erzählt und alten Traditionen nachtrauert.

Die Streithähne bleiben bestehen

"Arthur", das 1969 mit dem schmissigen "Victoria" als Eingangssong erscheint,  wird zumindest in den USA geschätzt und taucht in den dortigen Charts auf - und nachdem sich Davies bei Gewerkschaft entschuldigt, wird das Konzertverbot in den USA aufgehoben und die Briten können endlich wieder dort touren. Und siehe da - mit dem nächsten Album "Lola versus Powerman and the Moneyground" winkt 1970 auch wieder kommerzieller Erfolg. "Lola", diese selbstironische Geschichte eines Teenagers, der in einem Club von einem Transvestiten aufgerissen wird, gehört zu den größten Hits der Kinks - auch Menschen, die nicht der englischen Sprache mächtig sind, können hier tüchtig "Loooooooola" mitgrölen. Zu dem Zeitpunkt hat sich Bassist Quaife - sehr zum Leidwesen der anderen - aus der Band verabschiedet. Er wird von John Dalton ersetzt und Keyboarder John Gosling wird für einige Jahre festes fünftes Mitglied der Band. Bis zum Ende der Kinks gibt es ein Kommen und Gehen von Musikern - einzig das streitbare Brüderpaar Davies bleibt als feste Größe bestehen.

Es gibt optimistische Töne ...

Es gibt optimistische Töne ...

Der kommerzielle Erfolg der Band hält Anfang der 70er-Jahre aber nicht lang. Das von Hardcore-Fans geliebte "Muswell Hillbillies" mit seinen Bluegrass-Tönen wird von den Massen 1971 nicht goutiert. Aber das scheint Davies und seinen Mannen egal zu sein, denn sie machen weiter mit ihren Konzeptalben und die Musik wird immer verschrobener - die Anlehnung an alte Vaudeville-Musik ist gewollt und verzückt nur noch die treusten Fans. Zu dem Zeitpunkt hat die Band ihr eigenes Londoner Studio, Konk, in dem sie sich richtig austoben kann. Jahr für Jahr erscheint ein neues Werk mit theatralischer Musik und Texten. Erst mit  "Sleepwalker" kehren sie 1977 zu einem normalen Rockalbum zurück. Das war sicherlich auch so von ihrem neuen Label gewollt. Interessanterweise feiert die Gruppe nun ihre größten Erfolge in den USA - "Low Budget" aus dem Jahr 1979 wird dort trotz politischer Songs zu einem großen Charterfolg. Das 1983 veröffentlichte "State of Confusion" weist mit "Come Dancing" sogar einen veritablen Hit auf. Aber das ist es dann auch mit dem kommerziellen Erfolg. Die nächsten Alben werden nur noch wenig wahrgenommen und die Stimmung in der Band ist mies. 1984 hat Drummer Mike Avery die Nase voll von den ständigen Querelen mit Dave und hört auf. Bob Henrit ersetzt Avory, der noch heute Kinks-Songs mit ehemaligen Mitgliedern der Kultband spielt. Bei manchen Konzerten der Cast Off Kinks taucht ab und zu auch Ray Davies auf, der zur Freude des Publikums den ein oder anderen Song mitträllert.

Sie liegen sich in den schütteren Haaren

1996 heißt es dann aber "Aus die Maus" - nach 32 Jahren Nervenzusammenbrüchen, Gekloppe und Gekeife, das sich - so viel Selbstironie und Egomanie muss sein - 1993 im Song "Hatred ("A Duet)" manifestiert, herrscht für eine Weile Funkstille und man teilt nur noch über die Presse die passenden Tiefschläge aus. 1997 schreibt Dave Davies eine ziemlich abstruse Autobiografie, in der er behauptet, mit Außerirdischen in Kontakt zu stehen. 2004 erleidet er einen Schlaganfall, Monate vorher war sein älterer Bruder bei einem Raubüberfall angeschossen worden. Beide erholen sich nun im selben Haus , aber die Versöhnung dauert nicht lange und bald liegen sie sich wieder in den etwas schütteren Haaren.

Ray Davies macht mit seinen Solo-Geschichten weiter, 2011 bringt er das viel beachtete Album "See My Friends" heraus, auf dem er mit Stars wie Bruce Springsteen und Metallica kooperiert. Der Sänger wird immer noch als einer der einflussreichsten Songschreiber Großbritanniens verehrt; bei der Abschlussfeier zu den Olympischen Spielen in London 2012 tritt er mit mit "Waterloo Sunset" auf. Dieser Tage strömen die Londoner in das Musical "Sunny Afternoon" über die frühen Jahre der Kinks. Was eine Wiedervereinigung der Band für eine Tour betrifft, da gibt es jetzt zarte optimistische Töne aus dem jeweiligen Davies-Lager. Sie sprechen wieder miteinander und es könnte sogar sein, dass Ray Davies seinen 70. Geburtstag mit dem jüngeren Bruder begeht. Ein Anfang ist gemacht - die Fans dürfen hoffen.

Zugabe:

Nick Hasted - "The Kinks -Die Story": Hasted ist ein Fan, keine Frage, deshalb wird am Anfang schon mächtig geschwärmt und leicht gegen Rivalen wie "The Who" getreten, aber es gibt einen guten Überblick über das Werk und liefert aktuelle Interviews aus dem Umfeld der Kinks wie auch der Mitglieder.

Nächstes Jahr wird es auch einen Film geben: "You Really Got Me - The Legend of the Kinks", gedreht von Julien Temple, konzentriert sich laut Presseheft auf die "Kain und Abel"-Geschichte der Davies-Brüder. Wer da jetzt Kain und wer Abel ist, wird man wohl noch sehen - in Sachen charakterliche Defizite scheinen sich die beiden Herren nicht viel zu nehmen.

Ray Davies - "Americana: The Kinks, the Riff, the Road": Hier plaudert Davies über die Hassliebe, die zwischen den Kinks und den US-Amerikanern besteht.

"Kink" - die ziemlich durchgeknallte Autobiografie von Dave Davies, in der er neben Anekdoten aus dem Sex & Drugs & Rock'n'Roll-Leben noch die abstruse These präsentiert, dank telepathischer Fähigkeiten mit Außerirdischen zu kommunizieren.

kindofkinks.net - der inoffizielle Nachrichtenticker von allem, was die Kinks betrifft - hier wird jedes Zucken der Davies-Brüder dokumentiert.

Quelle: ntv.de

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