Tag nach der Bluttat von Orlando US-Wahlkämpfer vereinnahmen Massaker
13.06.2016, 07:48 Uhr
Nach dem Anschlag in Orlando werden von verschiedenen Seite Konsequenzen gefordert.
(Foto: REUTERS)
Kurz nach dem Attentat im Schwulenclub "Pulse" gibt es Spekulationen über das Motiv des Täters. Dabei stehen die Ermittler noch am Anfang. So mancher hat sich aber bereits festgelegt - und schlachtet das Thema für politische Zwecke aus.
Grelle Scheinwerfer erhellen die nächtliche Kulisse auf der Straße in Orlando. Polizeiwagen versperren den Weg. Die Straßen rund um das "Pulse" sind weiträumig abgesperrt. In dem Club, in dem ein 29-jähriger Mann in der Nacht zuvor das wohl grausamste Blutbad eines Einzeltäters in der Geschichte der USA anrichtete, werden noch immer Spuren gesichert. Fast 24 Stunden nach der Tat ist nicht viel mehr klar als das, was niemand wahrhaben will: 50 Menschen sind tot, 53 weitere verletzt, darunter viele schwer. Vor dem gelben Absperrband haben sich etliche Journalisten positioniert. Ab und an kommen Schaulustige vorbei.
Während am Tatort stumm das Blaulicht der zahlreichen Polizeiwagen durch die Nacht zuckt, wird im Rest des Landes längst hitzig und verbissen über die Konsequenzen der Tragödie debattiert. Strengere Waffengesetze fordern die einen, schärfere Sicherheitsvorkehrungen gegen Terrorismus und einen härteren Umgang mit mutmaßlichen Islamisten die anderen. Jeder will die Deutungshoheit gewinnen.
Der Islamische Staat (IS) behauptet, seine Finger mit im Spiel gehabt zu haben. Der Todesschütze Omar Mateen soll sich in einem Anruf bei der Polizei zu der Terrormiliz bekannt haben. Der Vater und die Ex-Frau Mateens beschreiben ihn als nicht sehr religiös, aber psychisch labil und gewalttätig.
Über Motiv schnell geurteilt
Und Donald Trump twittert. Orlando sei erst der Anfang, er habe es gewusst und nicht umsonst ein Einreiseverbot für Muslime gefordert, schreibt der Republikaner, der seine Partei wohl in die Präsidentschaftswahl im Herbst führen wird. Später fordert er Präsident Barack Obama zum Rücktritt auf.
Andere nutzen das Massaker ebenfalls für ihre politischen Zwecke. Etwa der republikanische Hardliner Ted Cruz, der ähnlich wie Trump von Obama fordert, er solle das Wort "radikal-islamischer Terrorismus" in den Mund nehmen. Dabei ist zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar, was den Täter bewegte.
Die Ermittlungsbehörden und auch Obama selbst weisen ausdrücklich darauf hin, dass es aus ihrer Sicht zu früh ist, um ein Urteil zu fällen. Ein Urteil darüber, was Mateen dazu brachte, in ein Auto zu steigen, rund 170 Kilometer weit zu fahren, dann in einen Club zu gehen und das Feuer auf feiernde Menschen zu eröffnen. Mit einem Sturmgewehr. Einer Waffe, wie sie so ähnlich auch beim Militär benutzt wird. Einer Waffe, die für Schützen hergestellt wurde, die in kürzester Zeit sehr viele Schüsse mit hoher Präzision abgeben wollen. Einer Waffe, die er ganz legal kaufen konnte.
"Das ist so alarmierend"
Mehr als 300 Menschen, so heißt es später, waren da, als das Grauen begann, viele von ihnen auf der Tanzfläche. Das "Pulse" ist ein überaus beliebter Club in Orlando, immer voll, besonders an diesem Samstagabend. Schließlich ist Juni der "Gay Pride Month", in dem Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle die Fortschritte feiern, die sie nach langen Jahren gesellschaftlicher Diskriminierung erreicht haben.
Man kann nur erahnen, was für entsetzliche Szenen sich in den verzweigten Gängen des Clubs abgespielt haben. Der Täter nahm Geiseln, hätte vielleicht noch viel mehr Unschuldige niedergemetzelt. Nach drei Stunden stürmt die Polizei gewaltsam. Mateen wird erschossen.
Ein Mitarbeiter eines nahen Schnellrestaurants war da gerade vor der Notaufnahme, um Essen auszuliefern. Seine Eindrücke fasst er am Tag darauf mit einem Wort zusammen: "Schrecklich." Auch die 24-jährige Brooke Mielke ist noch immer fassungslos. Sie wohnt in der Gegend, war selbst schon in dem Club. Jetzt steht sie vor der Absperrung und schüttelt den Kopf. "Das ist meine Heimatstadt", sagt sie. Und ja, sie habe Angst vor Terror. "Das ist so alarmierend." Eine Gruppe junger Männer nähert sich, reden wollen sie nicht. "Wir haben Freunde, die gestern dort waren", sagt einer. "Wir haben noch nichts von ihnen gehört."
Merkel: Deutschland wird offenes Land bleiben
Bundeskanzlerin Merkel sprach Obama, den Opfern, den Angehörigen und den Helfern ihre Anteilnahme aus. "Unser Herz ist schwer, dass der Hass und die Bösartigkeit eines einzelnen Menschen über 50 Leben gekostet hat", sagte Merkel am Rande der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Peking. Aber auch solch mörderische Anschläge und die tiefe Trauer darüber würden Deutschland nicht davon abhalten, ein "offenes Leben" fortzusetzen.
Quelle: ntv.de, Maren Hennemuth, dpa