Weder als Radler noch als Fußgänger Kind muss keinen Helm tragen
11.04.2012, 12:22 UhrEine Mutter ist mit ihrem sechsjährigen Sohn per Fahrrad unterwegs. Als die beiden ihre Räder über eine Straße schieben wollen, läuft das Kind vor ein Auto. Die Versicherung will die Schuld auf die Mutter abwälzen. Diese habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, außerdem habe der Kleine nicht mal einen Helm aufgehabt. Das muss er auch nicht, stellt das Landgericht Coburg klar.
Wer vor dem Überqueren einer Straße von seinem Fahrrad absteigt und das Gefährt schiebt, gilt von diesem Augenblick an nicht mehr als Radfahrer, sondern als Fußgänger. Kommt es anschließend zu einem Unfall, ist es völlig unerheblich, ob das Opfer einen Helm getragen hat oder nicht. Das insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland ohnehin keine Helmpflicht für Radfahrer gibt. Darauf hat das Landgericht Coburg in einem inzwischen rechtkräftigen Urteil hingewiesen (Az. 21 O 757/10).
Im verhandelten Fall war eine Mutter mit ihrem sechsjährigen Sohn per Fahrrad unterwegs. An einer stark befahrenen Straße stiegen die beiden ab, um sie schiebend zu überqueren. Als die Mutter meinte, die Straße sei frei, machte sie eine leichte Vorwärtsbewegung, zog aber wieder zurück, als sie ein herannahendes Auto bemerkte. Der Junge deutete das Verhalten seiner Mutter als Signal zum Losgehen und lief vor das Auto. Dabei erlitt er vor allem am Kopf schwere Verletzungen.
Aufsichtspflicht verletzt?
Die Haftpflichtversicherung der Kraftfahrerin zahlte zunächst 50.000 Euro an das Kind, wollte nun aber die Mutter mit 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Sie habe ihre Aufsichtspflicht gegenüber Sohn verletzt, weil sie das Kind nicht an der Hand hielt. Zumal habe der Junge nicht einmal den zu seiner Sicherheit erforderlichen Fahrradhelm getragen.
Das Gericht folgte der Argumentation nicht. "Eltern müssen aufgrund des sogenannten Haftungsprivilegs gegenüber ihren Kindern nur so sorgfältig handeln, wie sie dies in ihren eigenen Angelegenheiten tun", erklärt Rechtsanwältin Jetta Kasper von der Deutschen Anwaltshotline. Grundsätzlich spreche nichts dagegen, die Straße an der gut übersehbaren Stelle zu überqueren. Zudem habe sich der Sechsjährige als geübter Fahrer gezeigt. Dass die Mutter sich bei der Einschätzung der Situation für einen Sekundenbruchteil geirrt habe, sei keine grobe Fahrlässigkeit.
Auch dass der Junge keinen Helm trug, tut dem Urteil zufolge nichts zur Sache. Schließlich gibt es keine gesetzliche Vorschrift über das Tragen von Helmen als Radfahrer. Außerdem war der Junge in der konkreten Unfallsituation nicht als Radfahrer, sondern als Fußgänger unterwegs.
Quelle: ntv.de, ino