Hersteller am Pranger "Traditionsrezepte" mit Aromen
23.09.2010, 12:13 UhrKühnes Schlemmertöpfchen, Rügenwalders Leberwurst oder Unilevers "Maille à l'Ancienne" Senf basieren auf alten Traditionsrezepten, das steht jedenfalls auf den Etiketten. Die Verbraucherorganisation Foodwatch fragt sich, warum die Hersteller dazu noch billige Aromen verwenden müssen.
Die Verbraucherschutz-organisation Foodwatch prangert Etikettenschwindel bei Lebensmitteln an. In vielen sogenannten Premiumprodukten seien häufig neben "besten natürlichen Zutaten" oder trotz angeblich traditioneller Herstellung auch Aromen zu finden. Als Beispiel nennt Foodwatch das "Schlemmertöpfchen Feine Gürkchen" von Kühne, dessen EtikettTradition "seit 1772", "beste natürliche Zutaten" und "erlesene Kräuter" verspreche, aber gleichzeitig den Farbstoff Riboflavin und Aromen aus dem Labor enthalte.
"Produktion im industriellen Maßstab hat mit traditioneller Herstellungsweise wenig zu tun", erklärt Anne Markwardt von der Foodwatch-Kampagne abgespeist.de. "Also sollte die Werbung auch nicht so tun, als ob bei des gleichzeitig ginge." Die Hersteller wollten ihre industriell hergestellten Standardprodukte auf diese Weise zu höheren Preisen absetzen. Das "Schlemmertöpfchen" von Kühne kostet demnach doppelt so viel wie viele andere Gewürzgurken und sei "teurer als manche Bio-Gurke".
Kühne erklärte Foodwatch gegenüber den Einsatz von Aromen mit "naturbedingten Sachzwängen", da zur Gurkenreife oft nicht genügend Kräuter zur Verfügung stünden. Für eine weitergehende Stellungnahme war das Unternehmen zunächst nicht zu erreichen.
"Natürlich" ist nicht authentisch
Aromen sind hochkonzentrierte Geschmacksstoffe, die für die Industrie viele Vorteile haben, weil sie im Allgemeinen billiger sind als echte Gewürze und Kräuter. Zudem benötigen weniger Lagerkapazitäten und beschleunigen und vereinfachen den Produktionsprozess. Die Aromen in den kritisierten Premiumprodukten werden laut Foodwatch zwar aus natürlichen Produkten hergestellt. Doch auch diese "natürlichen Aromen" müssen nicht aus den Früchten, Gemüsen oder Kräutern stammen, nach denen sie schmecken. Foodwatch moniert, dass die Industrie praktisch nie preisgebe, woraus ihre Aromen im Detail bestehen.
Der Aromen-Einsatz werde dann zur Verbrauchertäuschung, wenn Hersteller, "beste natürliche Zutaten", Premium-Qualität oder "traditionelle Herstellung" versprechen, statt dessenin der Verpackung aber nur "der übliche Industriestandard inklusive Aroma-Mischung" stecke, soFoodwatch. Kritisch sei dies insbesondere, wenn die Produkte dann häufig zu höheren Preisen verkauft würden.
Aroma-Tuning für Dosengemüse
Foodwatch wirft auch vielen anderen Herstellern Werbung für vertraute und einfache Produkte vor, die Tradition und Qualität versprächen und statt dessen billige Aromen enthielten. So wird die "Pommersche Gutsleberwurst" laut Hersteller Rügenwalder "nach alter Tradition" über Buchenholz geräuchert - kommt aber dennoch nicht ohne Aromen aus. Auch in Gemüsekonserven wie den "Gartenerbsen und Möhrchen" von Bonduelle stecken Aromastoffe - dabei gibt der Hersteller an, dass "Geschmack und Qualität" des "besten Zartgemüses" wegen der "erntefrischen" Verarbeitung erhalten blieben. Und Unilever verkauft den "Maille à l'Ancienne"Als "Senf nach alter Art mit Weißwein" und hält dabei nach eigener Aussage "an Traditionen, den überlieferten Rezepturen und den hohen Qualitätsansprüchen fest". Dass Aromen und Konservierungsstoffe auch schon im "überlieferten" Original-Rezept enthalten waren, darf allerdings bezweifelt werden.
Quelle: ntv.de, ino/AFP