Nutzen statt Besitzen Wer braucht noch ein eigenes Auto?
08.09.2014, 12:53 UhrMittlerweile ist es eine Massenbewegung: Immer mehr Deutsche verzichten auf einen eigenen Wagen und setzen auf eine gemeinschaftliche Nutzung von Autos. Carsharing gilt als umweltfreundlich, flexibel - und hat noch andere Vorteile.
West-Berlin vor 25 Jahren. Die Stadt ist noch geteilt, da wird hier das erste Carsharing-Angebot Deutschlands auf die Straße gebracht. Seitdem ist viel passiert. Mittlerweile gibt es etwa 150 Carsharing-Anbieter im gesamten Bundesgebiet, genutzt von mehr als einer Dreiviertelmillion Menschen in rund 380 Städten und Gemeinden.
Und die Branche wächst weiter. Noch ist das Carsharing-Angebot vor allem in den Ballungszentren vertreten. Was nicht nur an den modernen Lebensmodellen seiner Bewohner, sondern auch einer guten Infrastruktur mit einem guten Nahverkehrsnetz, einer Fahrradinfrastruktur und dadurch einfach zu erreichenden Mietstationen und Abstellplätzen liegt. Vom Bundesumweltamt wird das Gemeinschaftsauto als "umweltfreundliche Verkehrsform" geadelt. Demnach ersetzt jedes Fahrzeug im Schnitt vier bis acht Privatautos. Darüber hinaus sind die Fahrzeugflotten der Carsharing-Anbieter meist neu und vor allem sparsamer als private Modelle. Grundsätzlich hat sich das Autoteilen in zwei Formen etabliert:
Feste Stationen
Dieses Modell funktioniert mit festen Stationen. Die Nutzer leihen sich meist stundenweise ein Auto. Dabei werden die Wagen an einer Station abgeholt, zu der sie am Ende der Fahrt auch zurückgebracht werden müssen. Bei stationsbasierten Angeboten sind bisher 320.000 Teilnehmer registriert. Die Kosten belaufen sich auf 3,25 bis 4,40 Euro je Stunde. Ein Wagen für das komplette Wochenende ist ab 120 Euro zu haben - Benzin inklusive. Teilweise fällt eine Aufnahmegebühr und ein Monatsbeitrag für die Nutzung an. Die Aufnahmegebühr von bis zu 50 Euro fällt dabei weniger ins Gewicht als der immer wiederkehrende monatliche Obolus, der bis zu 33 Euro betragen kann. Geeignet ist diese Form des Autoteilens wegen der anfallenden Fix-Gebühren für alle, die sicher sind, regelmäßig ein Auto zu brauchen und eine Leihstation in der Nähe haben.
Free-Floating
Hier stehen die Autos an unbestimmten Orten frei in der Stadt. Die Kunden finden sie mit Hilfe des Internets oder einer Smartphone-App. Abgestellt werden können die Wagen auf einem beliebigen freien Parkplatz. Bei stationsunabhängigen Angeboten sind bisher 437.000 Nutzer registriert. Die Kosten belaufen sich auf rund 14 Euro je Stunde, Benzin- und Parkkosten inklusive. Allerdings wird hier minutenweise abgerechnet. Die Aufnahmegebühr beträgt bis zu 70 Euro. Eine Monatsgebühr entfällt. Free-Floating ist vor allem für Großstädter geeignet, die Wert auf Flexibilität und Spontanität legen.
Wichtig: Für etwaige Schäden am Wagen - unabhängig davon, ob Stations- oder Free-Floating-Variante - kommt eine im Preis enthaltene Vollkaskoversicherung auf. Sie gehört zum Standard, je nach Anbieter allerdings mit unterschiedlichen Selbstbeteiligungen. Bei einem selbst verschuldeten Unfall wird der Kunde mit 500 bis 1500 Euro an den Reparaturkosten beteiligt. Allerdings kann er die Vorab-Selbstbeteiligung durch eine Zuzahlung von 39 bis 99 Euro im Jahr auf 200 bis 350 Euro senken. Die Stiftung Warentest hat jüngst die Angebote verglichen:
Die größten Anbieter mit festen Stationen
- Nutzer: ca. 250.000
- Fahrzeuge: ca. 755, davon ca. 82 E-Autos
- Anzahl der Städte: 76
- Stationen: 351
- Durchschnittsalter der Fahrzeuge: 18-36 Monate
- Buchung: Telefon, Internet, App, Station
- Vorausbuchung: Nach Verfügbarkeit
- Abrechnung: E-Mail, Brief, Internet
- Fahrzeugtypen: Kleinstwagen, Kleinwagen, Kompaktklasseautos, Mittelklasseautos, Vans und Transporter
- Preis: Ab 3,20 Euro
- Aufnahmegebühr: 0-50 Euro
- Monatsgebühr: Entfällt
- Nutzer: ca. 42.000
- Fahrzeuge: ca. 1900, davon ca. 38 E-Autos
- Anzahl der Städte: 95
- Stationen: 776
- Durchschnittsalter der Fahrzeuge: 18 Monate
- Buchung: Telefon, Internet, App, Station
- Vorausbuchung: Spontan, bis 6 Monate im Voraus
- Abrechnung: E-Mail, Brief, Internet
- Fahrzeugtypen: Kleinstwagen, Kleinwagen, Kompaktklasseautos, Mittelklasseautos, Vans und Transporter
- Preis: Ab 3,05 Euro
- Aufnahmegebühr: 0-25 Euro
- Monatsgebühr: 0-30 Euro
- Nutzer: ca. 42.000
- Fahrzeuge: ca. 1050, davon ca. 14 E-Autos
- Anzahl der Städte: 15
- Stationen: 290
- Durchschnittsalter der Fahrzeuge: 24 Monate
- Buchung: Telefon, Internet, App, Station
- Vorausbuchung: Spontan, bis 6 Monate im Voraus
- Abrechnung: E-Mail, Brief, Internet
- Fahrzeugtypen: Kleinstwagen, Kleinwagen, Kompaktklasseautos, Mittelklasseautos, Vans und Transporter
- Preis: Ab 2,25 Euro
- Aufnahmegebühr: 0-30 Euro
- Monatsgebühr: 0-25 Euro
Die größten Anbieter für Free-Floating
- Nutzer: ca. 240.000
- Fahrzeuge: ca. 3550, davon ca. 500 E-Autos
- Anzahl der Städte: 8
- Stationen: Entfällt
- Durchschnittsalter der Fahrzeuge: 24 Monate
- Buchung: Internet, App
- Vorausbuchung: Spontan, bis 30 Minuten vorher
- Abrechnung: Internet
- Fahrzeugtypen: Nur Kleinstwagen
- Preis: Ab 7,20 Euro
- Aufnahmegebühr: 29 Euro
- Monatsgebühr: Entfällt
- Nutzer: ca. 255.000
- Fahrzeuge: ca. 2400, davon ca. 60 E-Autos
- Anzahl der Städte: 5
- Stationen: Entfällt
- Durchschnittsalter der Fahrzeuge: 6 Monate
- Buchung: Telefon, Internet, App
- Vorausbuchung: Spontan, bis 30 Minuten vorher
- Abrechnung: E-Mail, Internet
- Fahrzeugtypen: Kleinwagen, Kompaktklasse
- Preis: Ab 8,70 Euro
- Aufnahmegebühr: 19 Euro
- Monatsgebühr: Entfällt
Carsharing ist vor allem für all jene geeignet, die die hohen Fix-Kosten und die Verpflichtungen eines eigenen Autos scheuen. Wer wenig fährt, spart Geld. Ein gewachsenes Umweltbewusstsein, eine zunehmende Urbanisierung Deutschlands und nicht zuletzt ein verändertes Wertesystem werden in Zukunft für eine weitere und flächendeckendere Ausbreitung des Gemeinschaftsautos sorgen.
Quelle: ntv.de