Ein lukratives Ehrenamt? Zoff um Bezahlung von Betriebsräten
10.10.2013, 15:25 UhrWie viel soll ein Betriebsrat für seine Arbeit bekommen? Formal gar nichts: Das Mandat ist ein Ehrenamt. Doch das Gesetz lässt große Spielräume - das zeigt nicht nur der Fall Siemens.

Zahlt der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Pauschale, muss diese den tatsächlichen Aufwendungen entsprechen.
(Foto: dpa)
Er ist einer der mächtigsten Männer in der deutschen Wirtschaft: VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ist verantwortlich für 250.000 Mitarbeiter in Deutschland, weltweit sind es mehr als doppelt so viele. Osterloh gilt bei VW als Arbeitnehmer-Manager, als wuchtiger Gegenpart von VW-Personalvorstand Horst Neumann. Osterlohs Gehalt? Dürfte weit darunter liegen.
Das Büro von Osterloh will sich dazu nicht äußern. Früheren Berichten zufolge entspricht dessen Jahresgehalt aber dem eines Abteilungsleiters und läge so bei 120.000 Euro. Stimmt die Zahl, wäre es weniger als das Gehalt von Siemens-Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler, das derzeit für Diskussionen sorgt.
Im Gegensatz zu den Vorstandsgehältern wird die Bezahlung von Betriebsräten aber in der Regel nicht offen gelegt. Die Betriebsratsbüros von Daimler und Porsche schweigen dazu genau wie ihre Kollegen von VW. Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück fährt einen geleasten Cayenne. Was er ansonsten bekommt? "Mein Gehalt liegt irgendwo zwischen Meister und Fertigungsleiter", sagte Hück einmal vor Jahren der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Weder Vorteile noch Nachteile
Fakt ist: Nach dem Betriebsverfassungsgesetz sollen die Betriebsräte für ihr Ehrenamt als Arbeitnehmervertreter überhaupt nichts bekommen. "Sie sollen weder Vorteile noch Nachteile aus ihrer Position haben", erklärt Arbeitsrechtsexpertin Andrea Mehrer von der Nürnberger Kanzel Rödl & Partner. Bezahlt werden sie weiter vom Unternehmen, sind sie für die Betriebsratsarbeit freigestellt, richtet sich die Bezahlung nach ihrer bisherigen Position.
Und da beginnt die Grauzone: Denn wie soll sich das Gehalt bei hochrangigen Arbeitnehmervertretern wie Daimler-Betriebsratschef Erich Klemm entwickeln, der seit Jahrzehnten von seinem eigentlichen Job freigestellt ist? Klemm ist gelernter Maschinenschlosser, verhandelt aber inzwischen als Arbeitnehmervertreter mit den Vorständen über Regelungen, die Investitions- und Standortentscheidungen beeinflussen.
"Es ist eine fiktive berufliche Entwicklung zugrunde zu legen, unter Berücksichtigung vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", heißt es bei der IG Metall. Die Gewerkschaft hat dafür eigens Leitlinien entworfen. Danach soll die Vergütung sich nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes richten.
Die Umsetzung bleibt schwierig: "Nach dem Gesetz darf der Betriebsrat nicht für seine Machtposition bezahlt werden", warnt Arbeitsrechtlerin Mehrer. Bei Siemens beispielsweise hat die Arbeitnehmerseite durchgesetzt, dass Betriebsräte keine individuellen Boni, Sonderzahlungen oder Extra-Zuwendungen mehr bekommen. Medienberichten zufolge soll Betriebsratschef Adler aber nach seiner Wahl vom Vize zum Chef des Gesamtbetriebsrates Ende 2008 einen Gehaltszuschlag von 100.000 Euro bekommen haben.
Im Geschäftsbericht offengelegt
"Das Unternehmen muss sicherstellen, dass die zugrunde gelegte Prognose richtig ist", sagt Mehrer. Wird zu viel bezahlt, könnten sich sogar strafrechtliche Konsequenzen für das Unternehmen ergeben - zum Beispiel durch Untreuevorwürfe wie im Fall Volkswagen. Auswüchse, wie die legendären Luxusreisen der Betriebsratsmitglieder bei den Wolfsburgern dürften aber die Ausnahme bilden. Dennoch birgt die Frage auch andernorts für Diskussionsstoff. Kommende Woche treffen sich Daimler-Betriebsräte in Stuttgart vor Gericht. Unabhängige Betriebsräte werfen in dem Verfahren dem Konzern vor, Kollegen von der IG Metall zu hoch zu bezahlen.
Eindeutig nachvollziehbar sind nur die Einnahmen der Betriebsratsmitglieder aus Aufsichtsratsmandaten. Bei börsennotierten Unternehmen wird die Vergütung im Geschäftsbericht offengelegt. Gewerkschaftsmitglieder müssen nach den Vorschriften des DGB aber einen Großteil ihrer Tantieme abgeben. Die IG Metall überprüfe das strikt, sagte ein Sprecher. Mehr als 97 Prozent der von der Gewerkschaft entsandten Aufsichtsräte führten korrekt ab.
Ähnliche Transparenz auch für die normalen Gehälter herzustellen, dürfte allerdings schwierig werden. Zumindest bei Siemens hatten sich die Arbeitnehmer dagegen laut IG Metall schon einmal verwehrt. "Wenn überhaupt kann es nach dem IAS-Standard nur eine zusammenfassende Veröffentlichung der Einkommen der Beschäftigten, die im Aufsichtsrat sind, und der leitenden Angestellten der ersten Führungsebene geben", erklärte ein IG-Metall-Sprecher.
Nach Einschätzung der Arbeitsrechtlerin Mehrer wäre eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes notwendig. Das Gesetz könne zwar keine konkreten Beträge vorgeben, aber die Parteien verpflichten, die Gruppe der Arbeitnehmer zu definieren, an denen sich die Entwicklung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds zu orientieren habe, sagt sie. "Dann wäre der Rahmen dokumentiert und nachvollziehbar."
Quelle: ntv.de, Annika Graf, Christian Ebner, dpa