"Finger weg von billigem Plunder" Aaron Weiss gibt Millionen für Oldtimer aus
09.04.2016, 11:45 Uhr
Aaron Weiss verbringt viel Zeit bei seinen kostbaren Schätzen in der Garage in Passadena.
(Foto: sp-x)
Aaron Weiss hat eine der größten privaten Oldtimer-Sammlungen der USA. Mit billigen Exemplaren braucht man ihm gar nicht erst zu kommen: Weiss sammelt nur absolute Hochkaräter. Seine Sammlung pflegt er so nüchtern, wie andere ihr Aktiendepot.
Normalerweise lässt sich Aaron Weiss von seiner Frau nicht viel sagen, sondern behauptet - wie jeder in einer langen Ehe gereifte Mann - grundsätzlich das Gegenteil. Wenn seine bessere Hälfte ihn aber für krank erklärt, kann er ihr kaum widersprechen. "Da muss ich ihr leider recht geben", lacht der 64-jährige US-Amerikaner und lässt zum Beweis den Blick schweifen.
Um seine Krankheit zu diagnostizieren, muss man kein Arzt sein und auch nicht in seinen Körper schauen, sondern nur in seine Garage: Eine riesige Halle in Pasadena, eine halbe Stunde nordöstlich von Los Angeles. Hier hat er eine der eindrucksvollsten Sammlungen an klassischen Automobilen zusammen getragen, die ein Privatmann in Kalifornien sein Eigen nennen kann.
Es ist nie zu spät, anzufangen
Hört man ihn nur reden und blendet dabei die chromfunkelnde Kulisse aus, klingt Weiss dabei so nüchtern wie ein Anlageberater. Denn spät zum Autonarren berufen, investiert der schlaksige Senior im viel zu weiten Hawaii-Hemd nur in absolute Hochkaräter. "Und wenn Du mal Oldtimer für ein paar hunderttausend Dollar gekauft hast, dann solltest Du die Finger von dem billigen Plunder lassen", doziert er wie der Kostolany unter den Car-Collectors. "Da kann man sonst nur Fehler machen, weil man sich in dem Preissegment nicht auskennt. Und in die Sammlung passen solche Autos auch nicht."
Das ist nicht die einzige goldene Regel, die beim Aufbau seiner imposanten Sammlung mit über 30 millionenschweren Klassikern ("so ganz genau kenne ich die Zahl meiner Autos gar nicht") in nicht einmal 20 Jahren beherzigt hat. Eine weitere ist, dass er sich bislang auf keiner Auktion zu eine Spontankauf oder einer Bieterschlacht hat hinreißen lassen. Und überhaupt geht er die Auswahl seiner Autos eher nüchtern an. "Klar verguckt man sich in irgendeinen Wagen, träumt davon und will von nichts anderem mehr etwas wissen", sagt Weiss, der sein Geld mit dem Kauf, dem Bau und dem Betrieb von Gewerbegebieten im Großraum Los Angeles gemacht hat. Er vergleicht seine Obsession eher mit der Liebe: "Doch nach ein, zwei Wochen ist die Schwärmerei vorbei. Der Sex ist nicht mehr ganz so prickelnd und Du musst dich entscheiden, ob aus der Affäre etwas Festes werden soll", sagt der Sammler. "Erst wenn Du einen Wagen dann immer noch haben willst, dann solltest Du ihn wirklich kaufen".
Ganz so nüchtern wie er gerne tut, ist er dann aber doch nicht. Zum Beispiel wenn es um den Chrysler Town & Country geht, der in seiner prall gefüllten Halle steht: Er ist das Ergebnis einer schlafloser Nacht. "Das kommt davon, wenn dich deine altersschwache Blase aus dem Bett treibt und du danach nicht wieder einschlafen kannst", erzählt er von seinen Streifzügen durchs Internet und der ungewöhnlich spontanen Entscheidung für einen Deal von ein paar hunderttausend Dollar. So sehr er sich auch um eine gewisse Abgeklärtheit bemüht, ist der ach so nüchterne Investor natürlich längst zum Petrolhead geworden.
Ein Filmstar legte dem Grundstein für die Sammelleidenschaft
Begonnen hat seine Leidenschaft mit einem Rolls-Royce, weil den während seiner Kindheit ein Filmstar in der Nachbarschaft gefahren hat. "Damals hat mir meine Mutter andächtig vorgeschwärmt, das müssten wohl die besten Autos der Welt sein", erinnert er sich. Wie so viele Amerikaner hat er sich dann aber erst einmal einen Camaro gekauft. Wenn er dienstlich durch Los Angeles fährt, dann in einem ärmlichen GMC Yukon, damit ihn die Geschäftspartner nicht für reich halten und über den Tisch ziehen.
Vor 20 Jahren hat es ihn dann aber plötzlich gepackt und er musste endlich selbst nach der Spirit of Ecstasy schauen. Er kaufte sich ein Camargue Cabrio und entdeckte die Sammelleidenschaft für sich. Seine reichen Freunde haben den Immobilienunternehmer schnell von den alten Engländern kuriert: "Wenn Du mit Oldtimern anfangen willst, dann richtig", rieten sie ihm und empfahlen ein 16-Zylinder-Modell von Cadillac. "Das war damals, zwischen 1929 und 1934 in den goldenen Zeiten von Detroit schließlich die Krönung des Automobilbaus", sagt Weiss und war nach der ersten Testfahrt Feuer und Flamme. "Das sind zwar verdammt komplizierte Biester", schimpft er über die riesigen Klassiker und ihre Motoren, die größer sind als mancher aktuelle Kleinwagen: "Aber wenn sie mal laufen, gibt es nichts besseres." Also kaufte sich Weiss einen Cadillac mit V16-Motor - und noch einen und noch einen. Am Ende hatte er alle wichtigen Modelle aus allen wichtigen Jahren beisammen. Und zwar nicht nur von Cadillac, sondern auch vom kleinen Konkurrenten Marmon. Weil ein Mann wie Aaron Weiss keine halben Sachen macht, hat er mittlerweile die vermutlich weltweit größte Sammlung amerikanischer V16-Modelle: Über ein Dutzend der luxuriösen Gebirge funkeln in seiner Garage.
Auf die Amis folgen die Europäischen Klassiker
Was andere freuen würde, war für ihn allerdings ein Problem: "What's next?" - was sollte er jetzt kaufen, diese Frage hat ihn lange nicht mehr los gelassen. Doch nicht zuletzt dank seiner Frau hat er nun seine Leidenschaft für Mercedes entdeckt. Während er in seinem Rolls-Royce oder Bentley, seinem Yukon oder, um Standschäden zu vermeiden, in einem seiner anderen millionenschweren Klassiker unterwegs ist, fährt seine Gattin seit Ewigkeiten ein und dasselbe Auto: Eine Mercedes E-Klasse. Laut Weiss würde sie aus diesem Auto am liebsten nie aussteigen. Schmunzelnd erzählt er, dass er sich dafür sogar schon einen Rüffel von Daimler-Chef Zetsche eingefangen habe. "Wir hätten schon gern, dass sie bisweilen mal ein neues Auto kaufen würden", habe er ihm bei einem Charity-Dinner ins Gewissen geredet.
Mit neuen Autos hat es bislang nicht geklappt. Aber bei den Oldtimern ist er mittlerweile auf den Mercedes-Geschmack gekommen. Natürlich aus ganz pragmatischen Gründen, wie er seinen Gästen gerne weiß machen möchte: "Bei den Amerikanern ging es nach dem Ende der V16-Motoren doch nur noch bergab", schimpft er auf die Marken aus Detroit. "Mercedes dagegen hat damals die besten Autos der Welt gebaut. Außerdem gibt es sonst nicht viele Marken, deren Klassiker solide und dauerhaft sechsstellige Preise erzielen", sagt der Sammler und erinnert noch einmal an seine goldene Investitionsregel. Während er seine US-Oldtimer als Diven bezeichnet, nennt er die alten Daimler durchweg alltagstauglich. Das ist nicht ganz unwichtig, wenn man eigens zwei Mechaniker beschäftigt, die jeden der Wagen mindestens einmal im Monat eine halbe Stunde durch die Stadt kutschieren, damit sie nicht einrosten.
"Einen Mercedes 300 SL hat jeder"
Jetzt, wo sich Weiss für Mercedes interessiert, gibt es plötzlich wieder reichlich Investitionsmöglichkeiten: Erst vor kurzem hat er ein wunderbar grünes 290er Cabrio von 1936 aus Wiesbaden gekauft. Daneben seht ein 300Sc Cabrio von 1956, ein Adenauer Cabrio ist gerade bei der Aufarbeitung, der 280 SL sowie der 450 SLC warten noch darauf, dass sie an Wert gewinnen. Seit ein paar Minuten ist außerdem ein 190 SL frisch von der Restaurierung aus dem Classic Center zurück. Ausgerechnet der 300 SL lässt ihn jedoch kalt, obwohl der doch zu den teuersten Mercedes-Modellen zählt. "Aber den hat schließlich jeder", zuckt er hagere Mann ziemlich versnobt mit den Schultern.
Weiss versteckt seine Sammlung zwar in einem schlichten Industriebau irgendwo in Passadena. Wenn der Immobilien-Magnat dort sehr zum Ärger seiner Frau mal wieder die Zeit vergisst, achtet er peinlich genau, dass alle Türen geschlossen sind, weil er sonst vor lauter Schaulustigen doch nicht zum Arbeiten kommt. Anders als viele europäische Sammler, mauert sich Weiss nicht ein in seiner Schatzkammer ein, sondern nutzt sie vor allem für Wohltätigkeitsveranstaltungen. Schulklassen sind bei ihm Stammgast und wer großzügig spendet, darf zwischen Weiss' Oldtimern auch seine Firmen- oder Vereinsparty feiern. Einmal im Jahr holt er die Autos alle aus der Garage und veranstaltet mit Freunden den San Marino Motor Classic Concours - eine Art Pebble-Beach im Kleinformat, aber kaum schlechter besetzt. Dass Weiss das sehr wohl beurteilen kann, sieht man in der großen Trophäen-Wand, die seine Garage ziert. Natürlich ist er auch Stammgast beim berühmtesten Concours der Welt - und Seriensieger. Sieben Mal hatte er ein Auto dort und jedes Mal war es auf dem Podium: Oft genug als Bestes in der jeweiligen Klasse.
Vor dem Kauf denkt der Sammler schon an die Restauration
Der Sammler hat einen hohen Anspruch, mit dem er seine Fahrzeuge restaurieren lässt. "99,5 Punkte sind mir zu wenig, nur mit der Maximalwertung von 100 Punkten bin ich zufrieden." An einem nicht perfekt restaurierten Oldtimer kann er sich einfach nicht freuen. Noch in der Sekunde, in der er den Zuschlag bei einer Auktion erhält oder einen Kaufvertrag unterschreibt, denkt er deshalb schon an die Aufarbeitung.
Bevor der Wagen bei ihm in die Garage kommt, geht er deshalb zu einem der vielen Restaurateure, mit denen er zusammenarbeitet. Wenn das Auto dann endlich in Passadena steht, ist es nicht nur so gut wie neu, sondern wahrscheinlich sogar besser. Nicht umsonst mussten die Spezialisten aus dem Classic Center in Irvine bei seinem 190 SL sogar wieder die gelben Kontrollpunkte am Unterboden setzen, die damals bei der Abnahme am Ende der Produktion in Sindelfingen auf die verschiedenen Schraubverbindungen gepinselt wurden.
Nur in einem Punkt nimmt es Weiss nicht ganz so genau: Bei der Farbe des Lackes. "Ich hasse schwarze Autos", sagt der Sammler und findet selbst in den dunkelsten Exemplaren seiner Sammlung noch ein paar rote oder blaue Farbpigmente. Dass er kein Schwarz mag, hat allerdings nichts mit dem Gemüt oder den Geschmack zu tun, sondern hat wieder ganz pragmatische Gründe "Schwarze Autos sind so verdammt schwer, sauber zu halten. Man sieht auf denen auch die kleinste Spur an Dreck", sagt er und haucht schnell noch ein Staubkorn von der Motorhaube des 190er, um auch den letzten Makel in seiner Sammlung zu beseitigen.
Bei seinen Autos ist Weiss penibel bis zur Unverträglichkeit: "Zumindest meine Frau hält mich aber für einen Schlamper und würde das Wort Perfektionist nie über die Lippen bringen", sagt der Sammler mit einem ironischen Lachen. Denn während er seine Autos meist ohne Umweg über Passadena direkt zum Restaurieren gibt, kann er Reparaturen im Haus sogar wochenlang liegenlassen.
Quelle: ntv.de, lvb