Wie Aston Martin Fahrfreude vermittelt Amateure unter Aufsicht
03.09.2009, 08:00 Uhr
Die Ähnlichkeit der Coupés mit aktuellen Jaguars ist kein Zufall, Aston Martin ließ bei demselben Designer arbeiten.
(Foto: Textfabrik/Busse)
"Es gibt wesentlich schlimmere Arten, zur Hölle zu fahren." Das könnten sich rund 30 deutsche Aston-Martin-Besitzer gesagt haben, als sie sich jetzt auf den Weg zum Nürburgring machten - jene mythenbehaftete Rennstrecke, die Ex-Formel-1-Champion Jackie Stewart vor fast 40 Jahren zur "grünen Hölle" erklärt hatte. Vielen der zwischen 426 bis 517 PS starken Sportwagen fehlt es an geeignetem Auslauf.

Die sonst in Deutschland recht spärliche Aston-Martin-Dichte stieg beim Treffen in der Eifel drastisch an.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Zur Abhilfe hat die deutsche Sektion des britischen Sportwagenherstellers die "On-Track"-Veranstaltungen erfunden, bei denen die solventen Coupé- und Cabrio-Freunde nach Herzenslust ihr Gaspedal im langflorigen Teppichboden unter sich versenken dürfen. Die 30 Selbstfahrer trafen am Eifelkurs rund 80 Gleichgesinnte und professionelle Instruktoren. Auf Grand-Prix-Strecke und Nordschleife war zwei Tage lang der Blick streng auf den Grenzbereich gerichtet.
"So ein Fahrzeug lernt man im normalen Verkehr kaum richtig kennen", hat Volker Herrmann festgestellt, der seit März ein Modell DB 9 sein eigen nennt. Für das schneeweiße Coupé hat er sich entschieden, weil es eine "wunderbare Kombination aus Eleganz und Sportlichkeit" darstellt. Sogar einen gewissen "Understatement-Charakter" hat der junge Unternehmer an dem Fahrzeug entdeckt. Mag sein, dass nicht jeder Betrachter darin gleich die 170.000-Euro-Karosse erkennt, aber wenn der sechs Liter große Zwölfzylinder beim Anlassen kurz aber kräftig faucht, kann es eigentlich keine Statusfragen mehr geben.
Sparsamkeit bei Besserverdienenden
Einen Aston Martin zu fahren ist in Deutschland weitaus exklusiver als zum Beispiel seine Wege im Ferrari zurück zu legen. 275 Neuzulassungen von den Boliden mit dem geflügelten Markenlogo registrierte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in den ersten sieben Monaten dieses Jahres, bei den roten Rennern aus Maranello waren es fast doppelt so viele. Aber auch unter Besserverdienenden sitzt das Geld offenkundig nicht mehr so locker. Beim Aston Martin Einsteigermodell, dem V8 Vantage, gingen die Zulassungen um rund 48 Prozent zurück. Wenig überraschend, dass das KBA je nach Modell zwischen 60 und 70 Prozent gewerbliche Zulassungen gezählt hat.

Ein Traum in Weiß: Volker Herrmann stieg vom Porsche Cayenne auf einen Aston Martin um.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die Roadster-Version des V8-Modells kostet derzeit mindestens 126.150 Euro. Wer für einen Mercedes SL 500 ein paar Extras bestellt, kann schnell auf den gleich Preis kommen, muss sich aber mit 38 PS weniger zufrieden geben. Volker Herrmann hat gleich etwas höher angefangen. Sein DB 9 hat 477 PS und kostet ohne Sonderausstattung 168.565 Euro. An gutem Einvernehmen mit der örtlichen Zulassungsstelle fehlt es ihm offenbar nicht, denn außer dem Buchstabenkürzel "DB" hat er auch noch ein "007" auf dem Kennzeichen. Aston Martin als James Bond-Fahrzeug - ein Klassiker. Vorher fuhr Herrmann einen Porsche Cayenne. Den hat er behalten, denn daheim im Schwäbischen "fällt im Winter auch ab und zu mal Schnee. Da bin ich mit dem Porsche besser unterwegs."
Der Steigerung der persönlichen Fähigkeiten hinterm Lenkrad dienen "On-Track"-Veranstaltungen und Trainingskurse. Wie die meisten Hersteller von Sportwagen bietet auch Aston Martin Lehrgänge unter Anleitung erfahrener Instruktoren an. Am Nürburgring können die Kunden und jene, die Händler als ernst zu nehmende Interessenten benannt haben, alle Modelle durchtesten.
Instruktoren auf dem Beifahrersitz
Der Grand-Prix-Kurs ist dafür ein ideales Terrain, vor allem, wenn wie diesmal die Strecke trocken und nur jeweils ein halbes Dutzend Autos auf dem Kurs unterwegs sind. Zwar sind farbige Pylonen zur Orientierung aufgestellt, "aber es ist immer eine Hilfe", sagt Voker Herrmann, "wenn der Beifahrer Tipps gibt". Hier ein bisschen stärker auf die Bremse, dort ein bisschen früher einlenken und bei der Haarnadelkurve ausgangs der Start-Ziel-Geraden ruhig bis in den zweiten Gang runterschalten, sonst fehlt es beim Herausbeschleunigen an Drehmoment.
Aston Martin ist eine Traditionsmarke, was auch bedeutet, dass man es mit traditionellem Motorenbau zu tun hat. Kompressor oder Turbolader sucht man hier vergebens. Die Saugmotoren schöpfen ihre Leistung aus der Drehzahl, ihr Drehmoment aus dem Hubraum. Wer da den Tourenzähler aus dem Auge verliert, dem bleibt beim Anstieg zum Michael-Schumacher-S schnell mal die Kraft weg.
Neue Erfahrung mit Längs- und Querbeschleunigung
Beim Vergleich der unterschiedlichen Modelle haben es die Teilnehmer mit den lederbezogenen Lenkrädern sprichwörtlich "in der Hand", wenn es um Bestätigung der eigenen Kaufentscheidung oder um Neuorientierung geht. Unter dem selbstgemachten Druck, eine vorzeigbare Rundenzeit hinlegen zu wollen, unter der alltagsfernen Mehrbelastung von Längs- und Querbeschleunigung stellen sich Beobachtungen ein, die bei einer Händler-Probefahrt kaum auffallen. Zwar mag zum Beispiel der Ganghebel im V8-Handschalter für einen unterdurchschnittlich großen Fahrer zu weit hinten sitzen, gleichzeitig lernt er aber das durch 14 Zentimeter weniger Radstand deutlich agilere Handling des Fahrzeugs schätzen.

Helm ist Pflicht: Auf der Grand-Prix-Strecke steht Sicherheit an erster Stelle.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die komfortablere Abstimmung der großen Coupés entzückt den Freund des herrschaftlichen Gran-Tourismo-Reisens, während ein anderer die Touchtronic-Schaltung verdammt, weil er erst in der Kurve den Gang wechseln wollte und die fest mit der Lenksäule verbundenen Schaltpaddel außer Reichweite geraten sind. Mit einem leichten Untersteuern bei der Kurveneinfahrt oder dem zarten Eingriff des Stabilitäts-Programms beim Herausbeschleunigen haben sich die meisten schnell angefreundet und vor der NGK-Schikane auch schon mal 200 km/h auf dem Tacho.
Für Volker Herrmann waren es jedenfalls dankbare zwei Tage, die Appetit auf mehr gemacht haben. Die Teilnahme an einem Fahrertraining ist nach den Erfahrungen auf dem Rennkurs keine nur theoretische Möglichkeit mehr. Auch über die Modellpalette hat der 29-Jährige dazu gelernt.
"Irgendwann wird es wohl ein DBS werden", sagt der Inhaber einer Telekommunikations-Ladenkette, "man muss sich ja noch steigern können".
Quelle: ntv.de