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29. GTI-Treffen am Wörthersee Bier, Busen und fette Bass-Boxen

Tausende Schau- und Zeigelustige aus ganz Europa reisen jedes Jahr an den Wörthersee.

Tausende Schau- und Zeigelustige aus ganz Europa reisen jedes Jahr an den Wörthersee.

GTI-Treffen am Wörthersee: Bescheidene Anfänge, eine explosive Entwicklung, lokale Widerstände und einen Neuanfang - all das hat die bunte Show schon überlebt.

Ein Erinnerungsfoto vom "heiligen" Stein ist das Mindeste, was ein echter Fan vom Wörthersee-Treffen mitbringen muss. Wenige Meter vom Seeufer entfernt steht das Objekt der Begierde, ständig umlagert von mehr oder weniger nüchternen Besuchern, deren Weltanschauung in drei Buchstaben komprimiert ist: GTI.

Die größte Party für Liebhaber des ersten Sportwagens von VW, entstanden aus der pfiffigen Idee eines Gastwirts im österreichischen Reifnitz, findet zum 29. Mal statt – eine bunte Show. Ein bisschen Tuningmesse, ein bisschen rheinischer Karneval und inzwischen auch eine Menge Kommerz prägen die Szenerie. Tausende Schau- und Zeigelustige aus ganz Europa reisen jedes Jahr um Himmelfahrt an. Kein Wunder, dass der Volkswagen-Konzern diese einmalige Werbeplattform für sich entdeckt hat und mit enormem Aufwand an Mensch und Material den Hauptsponsor gibt.

Damit der Stand der Wolfsburger publikumswirksam aufgebaut werden konnte, wurde eigens der "GTI-Stein" um ein paar Meter versetzt. Satte 25 Tonnen soll er wiegen, aus schwedischem Granit ist er und in einer deutschen Steinmetzschule wurde die Silhouette des ersten Golf GTI von 1976 heraus gemeißelt. Eine Auto-Ikone für die Ewigkeit. Nebenan präsentiert der Konzern jährlich Sondermodelle – die GTI-Gemeinde quittiert es mit Dankbarkeit.

Erstes Treffen mit 96 Autos

Der Gastwirt Erwin Neuwirth, damals selbst seit Kurzem Besitzer eines Golf GTI, hatte 1981 die Idee. Die kurze Feriensaison in dem 1500-Seelen-Nest Reifnitz musste sich doch irgendwie durch ein "Event" verlängern lassen. Zwar gab es das Wort damals noch nicht, aber beim Bürgermeister Nikolaus Launer traf der Kneiper auf offene Ohren. 96 Autos wurden beim ersten Treffen gezählt, im Jahr darauf waren es schon 1000.

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Irgendwann hörte Uwe Bartsch von der lustigen Sause der GTI-Fahrer am Wörthersee. "Da fahr'n wir hin", entschied der damals 22-Jährige mit seinen Kumpels. Dieses Jahr feiert "Papa Schlumpf", wie ihn die Mitglieder seines Golf GTI Clubs Kiel e.V. nennen, "silbernes Jubiläum". Ein Vierteljahrhundert lang sind sie jeden Mai die 1230 Kilometer von der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt bis in das Kärtner Dorf gefahren. "Die ersten zehn Jahre waren die schönsten", sagt er, "die Autos wurden abgestellt und dann das ganze Wochenende in den Festzelten abgefeiert".

"Bisschen viel Plastik in der Gegend", sagt Lars Thomsen, den sie im Club nur "Kamikaze" nennen. Und damit meint er nicht die freizügig ausgestellten Oberweiten der heutigen Beifahrerinnen. Solide Umbauten, fein in Blech gedengelt, "das war früher Ehrensache". Überhaupt ging es recht streng zu. "Da wurden die Zulassungen eingesammelt und nachgeschaut, ob der Wagen wirklich als GTI auf die Welt gekommen ist. Ein Golf LS mit karierten Sitzen oder schwarzer Heckscheiben-Einfassung wurde nicht durchgelassen". Kamikaze besitzt ein ganz besonderes Erinnerungsstück an das Treffen vor drei Jahren. Er gewann das von Ursula Piëch persönlich ausgelobte Jubiläums-Auto zum 25. Treffen, einen Golf V im Wert von 37.000 Euro. Die Familie des Konzern-Patriarchen Ferdinand Piëch hat ein ganz besonderes Verhältnis zum GTI-Treffen: Im Nachbarort Dellach besitzt sie ein Anwesen.

Werbeplattform für den Konzern

Heute, wo Volkswagen durch zahlreiche Präsentationen, fußballplatzgroße Stände mit langbeinigen Models und Auftrieb von Musikpromis wie Peter Maffay einen Gutteil der Show bestreitet, schieben sich fast alle Konzernmarken im Kriechtempo durch die engen Straßen des Ortes. Noch ist der Audi A1 nicht mal auf dem Markt, da wird er schon "gepimpt": Sieben verschiedene "Sondermodelle" des neuen Kleinwagens werden opulent inszeniert auf dem Stand der Ingolstädter dem Publikum dargeboten, perfekt durchgestylt als "Follow-Me"-Fahrzeug fürs Flugplatzvorfeld, als Hot Rod mit aufpumpbarem Fahrwerk oder als "Pickerljäger", wie die Einheimischen die Kontrolleure der Autobahn-Vignette nennen. Auch Seat und Škoda sind mit Ständen vertreten, ein Reifenhersteller pflegt die Erinnerung an das Golf-Sondermodell "Pirelli".

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Die ausgelassene Party, die heute einigermaßen friedlich die Fahrer hemmungslos verbastelter Gölfe vereint, die Schnüffler von verbranntem Gummi und die fliegenden Händler von Tuning-Accessoires jedweder Couleur, wäre vor einigen Jahren beinahe außer Kontrolle geraten. Lärm, Dreck, zersplitterte Flaschen in zerfurchten Vorgärten, abgedrehtes Ballermann-Gehabe von alkoholisierten PS-Junkies mochten viele Anwohner nicht länger hinnehmen. "Das hätte mich beinahe meine politische Laufbahn gekostet", erinnert sich Nikolaus Launer. Der Landeshauptmann, vergleichbar mit einem deutschen Ministerpräsidenten, wurde eingeschaltet, es gab eine Anhörung in Wien, der VW-Konzern wollte mit der negativen Berichterstattung nicht befleckt werden und zog sich vorübergehend zurück.

Passierscheine regeln den Ansturm

"Wenn wir es weiter machen, dann nur vernünftig organisiert", entschied Launers Amtsnachfolger Adolf Stark. Die Gemeindeverwaltung kanalisiert seitdem die Fluten der Anmeldungen, Glasflaschen wurden durch Plastikbecher ersetzt, das unkontrollierte Herumfahren durch die Ausgabe von 3000 und 4000 Passierscheinen, das Stück zu 40 Euro. Die Privilegierten dürfen mit ihren Fahrzeugen in den Ort, flanieren mit hoch geschwenkten Schmetterlingstüren und wummernden Bassboxen an den mit Campingstühlen und Dosenbier gewappneten Schaulustigen vorbei.

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Die allermeisten Einwohner wissen das Treffen inzwischen als Wirtschaftsfaktor zu schätzen, die Hälfte von Ihnen lebt unmittelbar vom Umsatz, der in Fremdenzimmern und Gastwirtschaften gemacht wird. "Wir sind froh, dass der Konzern auf diese Weise zu seinen Kunden geht", lobt Stark. Seine Mitarbeiter haben dieses Jahr nicht nur Anmeldungen auch aus England, Norwegen und der Ukraine registriert, sondern auch Journalisten aus Japan betreut.

Die GTI-Freunde aus Kiel, die in den wilden Jahren 14 Tage Urlaub für den Trip an den Wörthersee nahmen, sind keine verbitterten Nostalgiker. Sie kommen noch immer gern zum Treffen, auch wenn es heute "vor allem ums Geld geht", wie "Kamikaze" findet. Dass es nicht lohnt, sich gegen den Wandel aufzulehnen, haben sie in ihrem Club selbst gemerkt. "Zeitweilig waren wir bis auf sieben Mitglieder runter", sagt Thomsen, "heute sind wir wieder 42." Inzwischen werden auch Mitglieder aufgenommen, die keinen GTI fahren.

Quelle: ntv.de

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