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Ein Ami auf Europa-Tour Cadillac ATS Coupé - Dabei sein ist alles

Leichtmetallfelgen gehören zur Grundausstattung des ATS Coupé.

Leichtmetallfelgen gehören zur Grundausstattung des ATS Coupé.

(Foto: Axel F. Busse)

Es gibt leichtere Aufgaben im Autoverkauf, als Cadillac sie sich gestellt hat: Nicht nur, dass die amerikanische Marke sich mit den deutschen Premium-Marken messen will, sie tut dies auch noch ohne eine wichtige technische Ausstattung.

Das ATS Coupé, ein Zweitürer der gehobenen Mittelklasse, ist ein gelungenes Auto. Ausdrucksstark im Styling, bequem und komfortabel, mit einem leistungsstarken Motor und einem überdurchschnittlichen Fahrwerk. Dennoch sind keine Wunderdinge von ihn zu erwarten. Wenn nach dem Verkaufsstart Ende Oktober die Zahl der jährlichen Neuzulassungen dreistellig wird, wäre das schon ein Erfolg. Aber dem Hersteller geht es auch gar nicht um schnelles Geld.

Cadillac fährt in Europa gegen Marken wie Jaguar, Lexus oder Infiniti.

Cadillac fährt in Europa gegen Marken wie Jaguar, Lexus oder Infiniti.

(Foto: Axel F. Busse)

Cadillac hat Tradition und Cadillac ist Premium. Das Selbstverständnis der Marke deckt sich weitgehend mit der Wahrnehmung durch die Kunden in den USA. Aber der zum GM-Konzern gehörende Hersteller will auch Global Player sein und dafür bedarf es des Engagements in Europa. Nicht primär, um dort die Kunden zu beglücken, sondern um präsent zu sein. Denn der europäische Markt hat Steigbügel-Funktion. In Asien, allen voran China, orientiert sich der Geschmack der Autokäufer sehr stark an dem, was in Europa angesagt und akzeptiert ist. Deshalb ist Europa – und damit Deutschland als größter Einzelmarkt – so wichtig für Cadillac. Auch wenn die Marke sich hierzulande zunächst mit Verkäufen in homöopathischen Dosen begnügen muss.

Stärkster Motor im Feld

Als Orientierung für Auftritt und Ausstattung dienen die vergleichbaren Modelle der deutschen Premium-Marken wie etwa ein Audi A5 oder das 4er Coupé von BMW. Selbstbewusst wird vorgerechnet, dass der Caddi bei Kennzahlen wie Leistung oder Drehmoment mehr zu bieten hat, als die Vierzylinder-Turbobenziner dieser Fabrikate. Werte wie 276 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment werden in den Ring geworfen. Wahlweise gibt es Heck- oder Allradantrieb. Die Marktrealität sortiert das ATS Coupé aber eher als Konkurrent für Fahrzeuge von Jaguar, Lexus oder Infiniti ein.

Der Zweitürer ist abgeleitet von der Limousine mit dem gleichen Kürzel und 4,66 Meter lang. Die flachere Karosserie senkt den Schwerpunkt gegenüber dem Viertürer um 25 mm und schafft so bessere Voraussetzungen für eine dynamische Fahrweise. Den markanten Grill umgeben die senkrecht verlaufenden Tagfahrlichter, die Scheinwerfer setzen diese vertikale Grafik fort. Die ansteigende Seitenlinie akzentuiert die Keilform, das hohe Heck lässt dem Coupé einen nicht ganz so großen Kofferraum wie erwartet. Er hat ein Volumen von 295 Litern und das Gepäck muss über eine Kante von 68 Zentimeter Höhe gehievt werden.

Holz und Leder für Verwöhnte

Die kantige Frontgestaltung ist seit Jahren Kennzeichen von Cadillac.

Die kantige Frontgestaltung ist seit Jahren Kennzeichen von Cadillac.

(Foto: Axel F. Busse)

Die nicht zu knappe Ausstattung des Innenraums mit Holz und Leder soll den Premium verwöhnten Kunden neugierig für die Cadillac-Welt machen. Das Bedienkonzept der Mittelkonsole verzichtet auf die üblichen Dreh-Drück-Steller oder Rändelräder. Stattdessen quittieren berührungsempfindliche Oberflächen mit leichten Vibrieren die Aktivierung der Funktionen. Das ist, wie zum Beispiel im Falle der Lautstärkeregelung des Entertainment-Systems in Logik und Haptik gewöhnungsbedürftig. Aber, davon kann man getrost ausgehen, wer sich für einen Cadillac interessiert, sucht auch nicht das Gewöhnliche.

Schwachpunkt des Innenraums sind die Rücksitze und der Weg dorthin. Zwar summt der Vordersitz elektrisch angetrieben weit genug nach vorn, doch der schmale Zustieg wird noch von einer Fußangel in Gestalt des unteren Gurtteils versperrt. Ist der Passagier in die hintere Mulde geglitten, wird er dankbar für jeden Zentimeter sein, den er kleiner als 1,85 Meter ist. Andernfalls muss er damit rechnen, bei Bodenwellen Kopfkontakt mit dem Dachhimmel zu bekommen. Aber Beulen sind nicht zu erwarten, denn der ist gut gepolstert.

In Fahrt gekommen präsentiert sich der Vierzylinder in Verbindung mit dem Sechsgang-Automatik-Getriebe als leistungswillig und im Lauf kultiviert. Nur in Lastphasen werden Drehzahlen jenseits von 4000 Touren zur akustischen Auffälligkeit. Dann klingt der Motor unwirsch und angestrengt. Andererseits fällt bei gleichmäßigem Tempo um 180 km/h auf, dass Wind- und Abrollgeräusche nur mäßig in den Innenraum dringen, auch der Motor hat seine vorlaute Art abgelegt. Mit der gegenüber der Limousine leicht verbreiterten Spur liegt das ATS Coupé satt auf der Straße, lenkt willig ein und reagiert bei Lastwechseln ruhig und beherrscht. Das Magnetic-Ride-Fahrwerk (Option) dämpft gelassen ab. In schnellen Kurven registriert man, dass zwar die Seitenwülste der Lehnen guten Halt geben, die Sitzpolster aber etwas besser ausgeformt sein könnten.

Ab 39.600 Euro auf der Höhe der Zeit?

Ein gediegen moblierter Innenraum für den Kampf in der oberen Mittelklasse.

Ein gediegen moblierter Innenraum für den Kampf in der oberen Mittelklasse.

(Foto: GM)

Der sportliche Sprint auf 100 km/h soll laut Hersteller in etwas mehr als sechs Sekunden erledigt werden. Trotz der höheren Leistung gegenüber - zum Beispiel A5 oder 4er BMW - bleibt das ATS Coupé bei der Höchstgeschwindigkeit auf Distanz. Je nach Version werden 230 oder 240 km/h versprochen. Als Begründung sind derzeit lediglich Andeutungen zu bekommen, die auf die spätere Einführung einer noch leistungsstärkeren und damit schnelleren Version schließen lassen. Die Herstellerangabe von 8,3 Litern Verbrauch je 100 km dürfte für die Praxis kaum Bedeutung haben, bei dieser Testfahrt waren es 9,8 Liter.

Die Sicherheits- und Assistenzsysteme sind auf der Höhe der Zeit. Das in vier Ausstattungslinien angebotene Fahrzeug verfügt je nach Version über Frontkollisionswarner, Spurhalteassistent und Verkehrszeichnerkennung. Für die Premium-Ausstattung ist das "Driver Assist"-Paket erhältlich und bietet über das "Driver Awareness"-Paket hinaus adaptiven Geschwindigkeitsregler über den gesamten Tempobereich, automatische Kollisionsvorbereitung, Gurtstraffer, elektronische Parkbremse, Toter-Winkel-Warner sowie den Ausparkwarner "Rear Cross Traffic Alert". In der Basisversion werden für das ATS Coupé 39.600 Euro aufgerufen.

Was es weder für Geld noch gute Worte gibt, ist ein Dieselmotor im ATS. Eigentlich braucht man den in Europa, wenn man nennenswerte Stückzahlen erreichen will. Die Aussagen, wann es soweit sein wird, sind vage und lauten "in drei bis vier Jahren". Da erscheint es einleuchtend, dass im aktuellen Firmenlogo der Marke der bisher bekannte Lorbeerkranz fehlt. Zu gewinnen gibt es hierzulande nämlich erstmal nichts, aber bekanntlich ist ja Dabeisein alles. An Zuversicht fehlt es jedenfalls nicht. Ein Berliner Händler, der seit kurzem das Cadillac-Vertriebsnetz verstärkt, hat gleich 15 Exemplare des ATS Coupés bestellt.

Quelle: ntv.de

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