Wen wirft es ab, wer springt auf? Das Auto-Marken-Karussell
27.02.2009, 12:03 UhrJe schwieriger die Zeiten, desto schneller dreht sich in der Autowelt das Markenkarussell. Nachdem über viele Jahrzehnte kaum ein neuer Anbieter auf den Plan getreten oder ein alter ausgeschieden ist, kommt nun mit der Klimaschutzdebatte und Absatzeinbruch gleich doppelt Bewegung ins Spiel. Während bekannte Marken auf der Kippe stehen, drängen neue Hersteller auf den Markt. "Doch eine Marke zu etablieren, ist kein Kinderspiel", sagt Autoexperte Prof. Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Angesichts der großen Überkapazitäten und der anhaltenden Kaufzurückhaltung stehen derzeit einige Marken zur Disposition: Hummer wird von General Motors und Volvo von Ford zum Verkauf angeboten. Auch bei Saab gibt es zumindest entsprechende Gerüchte. Was passiert, wenn sich kein Käufer findet, ist ungewiss. "Man kann nicht mehr ausschließen, dass die bedrohten Marken dann einfach verschwinden: Sei es nur aus Europa oder sogar vom gesamten Markt", zeichnet Nick Margetts vom Marktbeobachter Jato Dynamics in Limburg eine düstere Prognose, die langfristig womöglich auch größere Marken trifft. Denn weltweit rechnet zum Beispiel Fiat-Chef Sergio Marchionne zum Ende der aktuellen Krise nur noch mit sechs Konzernen in der Automobillandschaft. Ob da für Nischenmarken wie Lancia, Mitsubishi oder Subaru noch Platz ist, weiß so recht keiner.
Neue Sportwagenhersteller
"Doch der Abschied hat lange vor der Wirtschaftskrise begonnen", sagt Margetts: 2005 wurden Rover und MG nach China verkauft und in Europa nicht mehr gesehen. Fahrzeuge von Proton, Ssangyong oder Isuzu gibt es hier nur noch gebraucht, und auch die deutsche Autogeschichte kennt viele große Pleiten: Borgward, Tempo, Glas, und zuletzt Wartburg und Trabant sind nur einige Beispiele.
Während alte Marken verschwinden, tauchen neue auf. Sieht man von der vor elf Jahren lancierten Mercedes-Schwester Smart ab, galt das bislang vor allem für Sportwagenhersteller. Denn mit Fahrzeugen wie dem YES!-Roadster oder dem Gumpert Apollo reichen schon kleine Stückzahlen für große Umsätze. "Zumindest in der Nische haben solche Autos deshalb eine Chance", sagt Dudenhöffer und blickt dabei auch auf den neuen Artega GT, der jetzt von Dellbrück aus seinen Siegeszug antreten will. In 18 Monaten wurde dort nach Angaben von Sprecher Matthias Hack eine Fabrik aus dem Boden gestampft, in der nun 50 Mitarbeiter ein Auto pro Tag auf die Räder stellen. Von der aktuellen Wirtschaftskrise merken die Westfalen bislang nichts: "Die erste Jahresproduktion ist weitgehend verkauft", sagt Vertriebschef Benedikt Altrogge. "Und tagtäglich kommen neue Bestellungen."
Schwierige Finanzierung
Doch in Zeiten wachsender Klimasorgen gesellen sich zu den exklusiven Sportlern zusehends auch umweltfreundliche Saubermänner, die von neuen Marken an den Start gebracht werden. Am weitesten ist dabei die US-Firma Tesla mit ihrem Elektro-Roadster. Nachdem in den USA die ersten 100 Exemplare verkauft sind, will Tesla den Wagen in diesem Sommer auch nach Europa bringen. In ihrem Windschatten fährt der ehemalige Aston Martin-Designer Henrik Fisker, der seinen Namen zur Marke gemacht und für 2010 den Karma angekündigt hat. Die sportliche Luxuslimousine fährt mit Strom und bekommt einen kleinen Benzinmotor, der unterwegs über einen Generator die Akkus lädt.
Dass solche Neugründungen nicht ohne Hürden sind, zeigt das Beispiel der Schweizer Firma Mindset mit ihrem Elektroauto aus der Feder des ehemaligen VW-Designchefs Murat Günak. Zwar gibt es nun einen fahrfähigen Prototypen des Viersitzers, der dank seines "Range Extenders" eine Reichweite von 800 Kilometern hat und auf 140 km/h kommt. Doch bevor die Serienproduktion beginnen kann, braucht Mindset finanzstarke Partner: "Bis jetzt haben wir uns mit eigenen Mitteln finanziert. Nun sprechen wir mit verschiedenen Gruppen, die sich für das Investment und die Aktie interessieren", sagt Geschäftsführer Daniel Buchter in Luzern: "Um die Serie von 10.000 Autos zu bauen, brauchen wir aus heutiger Sicht 120 bis 150 Millionen Euro."
Erfolgreiche Beispiele Dacia und Tata
Als Reaktion auf aktuelle Trends rücken auch die sogenannten Billigmarken weiter ins Blickfeld. Die populärste Neueinführung ist die rumänische Renault-Tochter Dacia, die in Deutschland 2004 mit 24 Zulassungen angefangen hat und 2008 auf 24.000 Verkäufe kam. "Da kann man lernen, wie eine erfolgreiche Marke aufgebaut wird", sagt Prof. Dudenhöffer. Eine ähnliche Karriere könnte es für den indischen Großkonzern Tata geben, wenn dieser sein Billigauto Nano nach Europa bringt. "Dieses Auto hat die besten Chancen, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu sichern", glaubt Dudenhöffer. Den Chinesen räumen die Experten laut Nick Margetts dagegen weniger gute Aussichten ein, weil ihre Fahrzeuge noch zu verwechselbar, der Preisvorteil zu gering und der Ruf noch nicht etabliert ist.
"Aber ganz egal, in welcher Ecke eine Marke den Neueinstieg wagt: Damit sie überhaupt die Chance auf einen Erfolg hat, brauchen ihre Produkte eine Alleinstellung", sagt Dudenhöffer. Entweder ist es der Preis wie bei Dacia oder Tata, die Kombination aus Technik und Fahreindruck wie bei Artega und YES!, oder der Umweltvorteil wie bei Tesla und Mindset: "Nur wer etwas wirklich Eigenständiges auf die Beine stellt, kann eine erfolgreiche Marke aufbauen."
Quelle: ntv.de