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BMW "dimmt" die Motoren Der 6er wird zum Gran Coupé

Beim neuen Modell hat BMW das 6er Coupé einfach um zwei Türen verlängert.

Beim neuen Modell hat BMW das 6er Coupé einfach um zwei Türen verlängert.

Zwei Türen und elf Zentimeter mehr unterscheiden das Gran Coupé vom bisher bekannten 6er-Modell. Es scheint, als sei den Bayern ein "großer Wurf" gelungen – nicht nur wegen der fünf Meter Außenlänge.

Wenn Abwarten ein Erfolgsprinzip ist, dann hat BMW mit seinem neuesten Produkt alles richtig gemacht. Erfunden haben die bayerischen Motorenwerker diese Strategie allerdings nicht. Das war Volkswagen. Nachdem andere Hersteller Klappdach-Cabrios, Kompakt-Vans oder Pickups mit unterschiedlichem Erfolg ausprobiert hatten, schoben die Wolfsburger ihre Version hinterher – und stellten im Nu den Klassenprimus.

Auf der Straße gelingt es dem 6er Gran Coupé, sein hohes Gewicht weitgehend zu überspielen.

Auf der Straße gelingt es dem 6er Gran Coupé, sein hohes Gewicht weitgehend zu überspielen.

BMW wird es mit dem 6er Gran Coupé nicht so leicht haben und das aus unterschiedlichen Gründen. In der Premium-Liga gelten andere Gesetze als zum Beispiel im Massenmarkt, den Volkswagen bedient. Die Wolfsburger haben zwar auch ein viertüriges Coupé im Angebot, aber dank der preislichen Positionierung muss der CC – ehemals Passat CC – nicht um Kunden kämpfen, die auch einen Mercedes CLS oder einen Porsche Panamera ins Auge fassen. Der neue BMW freilich muss besser sein als diese etablierte Konkurrenz.

Das erste viertürige Coupé, der Bristol 405, von 1954 ist heute fast vergessen. Deshalb sollte man den Mercedes-Verantwortlichen Respekt zollen, die das Konzept 2004 wieder belebten und den CLS vorstellten. Die schwungvolle Eleganz eines Coupés war bis dahin noch nie so bildschön und ausgewogen mit den praktischen Vorteilen eines Viertürers kombiniert worden. Inzwischen ist die zweite Generation am Start. Auch wenn sie durch verstärkte Einbindung in die neue Designsprache der Marke an Strahlkraft eingebüßt hat, wurden vergangenes Jahr wieder rund 6300 Neuzulassungen des CLS  beim Kraftfahrtbundesamt aktenkundig.

Chinesen verlangen mehr Radstand

Etwas Gleichwertiges suchte man bei BMW lange vergeblich. Dem 2009 vorgestellten Gran Turismo-Modell auf der Basis der 5er-Baureihe fehlt es an Granzezza, die wuchtige Karosse mit dem Radstand eines 7ers untermauert eher ihre Bestimmung als praktisches Vielzweckmobil und fond-orientiertes Reisefahrzeug, als dass es die ästhetischen Bedürfnisse automophiler Feingeister betören könnte. Der Münchner Erzrivale aus Ingolstadt hat seine Interpretation des Themas als Viertürer mit Fließheck angelegt. Der Audi A7 ist mit seinen fast Fünf Metern Länge zwar eine stattliche Erscheinung, kann aber nur als Nischenmodell reüssieren, da der A6 und der A6 Avant die Bedürfnisse der meisten Kunden nach einer komfortablen Business-Limousine bzw. einem Kombi perfekt abdecken.

In die Zwitter-Familie aus Coupés und Limousinen gehört auch Porsches Panamera, der trotz seiner für die Marke gewagten physischen Präsenz international ein Erfolg ist. In Deutschland wollten im vergangenen Jahr etwas weniger als 3400 Kunden ein Exemplar davon. Auch dieser Viertürer wird sich, wie jetzt das 6er Coupé von BMW, sichtbar verlängern. Zum Facelift wird Porsche eine um zehn Zentimeter gestreckte Variante anbieten – eine Verbeugung vor dem chinesischen Markt, wo Radstand als Indikator für sozialen Status gilt.

Nun also das große BMW-Coupé auf der Basis des 6ers. Als 2010 am Rande der Auto Messe in Peking die Studie Concept Gran Coupé vorgestellt wurde, war das Echo sehr positiv. Im selben Jahr hatten die betuchten Autofahrer der Welt den Aston Martin Rapide bei den Händlern ihres Vertrauens entdeckt, die BMW-Studie stand dem Engländer im Faszinations-Potenzial nicht nach.

Ab fünf Meter Außenlänge, diese Übereinkunft gilt global und markenunabhängig, handelt es sich um ein großes Auto. Das BMW Gran Coupé übertrifft diese Marke um sieben Millimeter. Es ist aufgrund seiner Proportionen kein klassisches Chauffeurs-Auto, wie es etwa die Lang-Versionen der etablierten Business-Limousinen sind. Aber da der in seiner Bedeutung für die deutschen Hersteller noch lang nicht ausgereizte Markt China ein überwiegender Viertürer-Markt ist, gab es für BMW keine andere Option, als den 6er zu verlängern.

6er legt vielversprechenden Start hin

Das Interieur des 6er Gran Coupé ist vorn mit dem des 6er Coupé identisch.

Das Interieur des 6er Gran Coupé ist vorn mit dem des 6er Coupé identisch.

Nach Ansicht des jüngst in den Bereich Einkauf- und Lieferanten-Netzwerk gewechselten Entwicklungsvorstands Dr. Klaus Draeger ist damit "die 6er Baureihe komplett". Mit dem Marktstart am 2. Juni in Europa und wenig später in den USA und China werde das Auto "einen Akzent setzen". Der Verkaufsauftakt des in 2011 erneuerten 6ers verläuft vielversprechend. Seither sind von Coupé und Cabrio weltweit rund 13.000 Einheiten verkauft worden.

Das Gran Coupé des 6ers besticht durch harmonische und stimmige Proportionen, so dass die rund elf Zentimeter mehr Radstand (jetzt 2,97 Meter) die weiche und fließende Linienführung nicht in Unordnung bringen. Die lange Haube und die bogenförmige Spannung des so genannten "Greenhouse", also der verglasten Kabine, sind typische Designmerkmale dieser Fahrzeuggattung erklärt Designer Karim Habib das neue Auto. Die dritte Bremsleuchte haben die Gestalter an die Nahtstelle zwischen Dachkante und Heckscheibe gelegt, ein Merkmal, dass den Beobachtern am Straßenrand helfen wird, den Viertürer vom bekannten 6er-Coupé zu unterscheiden.

Zunächst kommt das Fahrzeug in zwei Varianten auf den Markt. Das Modell 640i hat einen Reihen-Ottomotor mit sechs Zylindern, der mittels doppelter Turbo-Aufladung 320 PS leistet. Das 1750 Kilogramm schwere Auto wird mittel 450 Newtonmeter Drehmoment angeschoben und erreicht so die 100-km/h-Marke in 5,4 Sekunden. Der ebenfalls aufgeladene Sechszylinder-Diesel hat zwar "nur" 313 PS, geht aber dank 630 Newtonmeter nicht weniger dynamisch zu Werke. Ihm gelingt es, das je nach Ausstattung mindestens 40 Kilogramm schwerere Fahrzeug ebenfalls in 5,4 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Wer viertürig Achtzylinder im 6er fahren will, muss sich noch bis ins dritte Quartal dieses Jahres vertrösten. Dann steht der 650i Gran Coupé bei den Händlern und wird mit einem 450 PS leistenden Biturbo-Benziner die  Begehrlichkeit der Kunden wecken. Diese Version wird dann auch mit dem Allradsystem "xDrive" zu haben sein.

Es gilt als Tabu unter den Präsentatoren neuer Auto-Modelle, bei der Schilderung der Vorzüge ihres Produkts auch die Namen von Wettbewerbern zu nennen. Dies war Mitte dieser Woche in Sizilien nicht anders, als Klaus Draeger das noch von ihm verantwortete 6er-Derivat der Presse vorstellte. Doch auch er weiß, dass Audi große Stücke auf seinen neu entwickelten Vierliter-Biturbo hält, der zur Steigerung der Effizienz bei geringer Lastanforderung die Hälfte der Zylinder stilllegt. Wenn man zuhause Strom sparen wolle, so der überraschende Seitenhieb des Ingenieurs Richtung Ingolstadt, "dann schalten Sie auch nicht einzelne Lampen ab, Sie dimmen alle." Den Effekt dieses "Motor-Dimmens" kann man im Datenblatt ablesen: Die Dreiliter-Triebwerke schafften auf dem Prüfstand einen Normverbrauch von 7,7 (Benziner) und 5,5 Liter je 100 Kilometer (Diesel).

Vorlesefunktion für SMS und E-Mail

Beiden Motoren gemein ist ein spontanes Ansprechverhalten und eine durchgehend kernige Beschleunigung, die von den unterschwellig spürbaren Schaltvorgängen der Achtgangautomatik nur minimal unterbrochen wird. Die dabei entstehende Geräuschkulisse könnte man sich noch etwas herzhafter vorstellen, doch spürbare Präzision der (aufpreispflichtigen) Aktivlenkung und das einstellbare Fahrwerk lassen ein unmittelbares und dynamisches Fahrgefühl entstehen. Dass die Insassen dabei von edlem Leder, auf Hochglanz polierten Furnieren und High-End-Entertainment umgeben sind, versteht sich fast von selbst. Zum Beispiel kann man sich erstmals mit einer speziellen Funktion seine E-Mail und SMS-Texte vom Bordsystem vorlesen lassen.

Leider muss man in der stark geneigten Frontscheibe mit Spiegelungen der auf dem Armaturenbrett sitzenden Lautsprechereinheit rechnen und auch die Sicht nach hinten ist durch das schmale Heckfenster eher begrenzt. Während der Benziner ab 79.500 Euro zu haben ist, beginnt für den Diesel die Preisliste bei 83.000 Euro. Die kraftvollen Selbstzünder sind auch in der 6er-Baureihe sehr beliebt, ihr Anteil lag in den ersten drei Monaten 2012 in Deutschland deutlich über 40 Prozent.

Wer mit Geld und Geduld reichlich gesegnet ist, muss aber noch nicht im Juni zuschlagen. Bekanntlich verfügt BMW seit Kurzem über einen dreifach aufgeladenen Diesel, der mehr als 380 PS locker macht. Ihn im Gran Cabrio zu sehen ist eine Option, über die bei BMW zum jetzigen Zeitpunkt zwar niemand reden will, die aber ebenso nahe liegend ist wie die Annahme, dass in Bälde eine M-Version den sportlichen Anspruch der Neukonstruktion untermauern wird.

Quelle: ntv.de

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