Auto

"Nippon-Ferrari" Honda NSX Der wahre Exot

Der Beiname "Nippon-Ferrari" war sicher keine Beleidigung. Auch aus heutiger Sicht ist das Design sehr gelungen.

Der Beiname "Nippon-Ferrari" war sicher keine Beleidigung. Auch aus heutiger Sicht ist das Design sehr gelungen.

(Foto: Textfabrik/Busse)

"Er sieht gut aus, bringt eine stramme Leistung auf die Straße und begeistert mit einem Sound, der süchtig macht": Der Honda NSX. Allerdings ist er auch ein seltenes Exemplar. Fast so selten wie ein Sechser mit Zusatzzahl.

In Computerspielen wie "Need for Speed" oder "Race Driver" fährt er die Konkurrenz immer noch in Grund und Boden, im wirklichen Leben ist er inzwischen fast so selten wie ein Sechser mit Zusatzzahl: Der Honda NSX. Vor 20 Jahren wurde er vorgestellt, in Deutschland genau 271 Mal verkauft.

Mehr werden es wohl kaum werden, denn die Produktion hat Honda bereits vor fünf Jahren eingestellt. Weltweit wurden innerhalb von 15 Jahren etwas mehr als 18.000 Exemplare überwiegend von Hand gefertigt, rechnerisch demnach etwa einhundert pro Monat – und damit weniger, als zum Beispiel heute vom VW Tiguan jeden Tag in Deutschland neu zugelassen werden.

Der NSX ist also ein wahrhaftiger Exot, ein deutsches Internet-Fanforum sprach 2008 von noch einhundert zugelassenen Fahrzeugen hierzulande. Doch die Gemeinde ist nach wie vor begeistert von dem Wagen, der seinen Sonderstatus unter anderem dadurch begründet, dass es auch fünf Jahre nach seiner Einstellung keine realistische Aussicht auf einen Nachfolger gibt. Zum Ende der für Europa vorgesehenen Produktion im September 2005 ließ der Hersteller via Pressemeldung zwar mitteilen, das "die Super-Sportwagen-freie-Zeit im Honda-Programm ... nicht von langer Dauer" sein und der "NSX-Nachfolger mit V10-Aggregat" auf den Markt kommen werde. Die Entwicklung eines "höchst innovativen Technologieträgers" laufe bereits "auf vollen Touren". Doch wie sich heraus stellen sollte, wurde nichts daraus.

Elektronische Drosselklappen und Alu-Leichtbau

"Der Honda NSX ist meines Erachtens einer der am meisten unterschätzten Sportwagen", sagt einer, der sich in der Szene auskennt. Marco Werner war nicht nur im Super Tourenwagen Cup als Honda-Werksfahrer auf der Piste unterwegs, sondern holte 2005 mit Audi den ersten seiner insgesamt drei Siege beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. "Er versammelt alle Attribute, die einen wahren Sportler ausmachen. Technisch hat Honda alles aufgeboten, was gut und teuer ist", sagt Werner, der in diesem Jahr mit dem Acura ARX-01C wieder eine Honda-Konstruktion pilotierte.

Der zunächst drei Liter große Sechszylinder wurde i der 2. Ausbaustufe auf 3,2 Liter vergrößert.

Der zunächst drei Liter große Sechszylinder wurde i der 2. Ausbaustufe auf 3,2 Liter vergrößert.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Schon vor 20 Jahren hatten die Honda-Konstrukteure die Bedeutung des Fahrzeugsgewichts für eine herausragende Performance entdeckt. Das Modell NSX war der erste Serien-Sportwagen weltweit, dessen Karosserie weitgehend aus Aluminium gefertigt war. Innovativ waren auch der Verzicht auf mechanische Steuerelemente für die Servolenkung sowie die Betätigung der Drosselklappen. Deren vollelektronische Aktivierung wurde zu einer der ersten Serien-Anwendungen der so genannten "Drive-by-Wire"-Technologie, die später von vielen Herstellern übernommen werden sollte. Tempomat und Antriebsschlupfregelung werden beim NSX ebenfalls elektronisch gesteuert.

Komfort unverzichtbar

Dank der nur 1,20 Meter hohen Karosserie und der gestreckten Bauweise hatte das Auto schnell den Beinamen "Nippon-Ferrari" weg. Dass es trotz reichlicher Verwendung von Leichtbaumaterial und Verzicht auf mechanische Steueraggregate nicht gelang, das Gewicht des fahrbereiten Autos deutlich unter 1450 Kilogramm zu drücken, lag an dem Komfortanspruch des Sportwagens: Weder auf Klimaautomatik und HiFi-System mit CD-Wechsler müssen die Insassen verzichten, noch auf elektrisch gesteuerte Ledersitze oder Airbags. Polster- und Dämmmaterial bringen zusätzliche Kilos auf die Waage. Die Kunst des Weglassens wurde erst 2002 konsequent geübt: Das Modell NSX-R wurde offiziell mit 1244 Kilogramm gewogen.

Der vor der Hinterachse platzierte V6-Motor sorgte für eine gute Gewichtsverteilung und sicheres Kurvenverhalten auch ohne ESP.

Der vor der Hinterachse platzierte V6-Motor sorgte für eine gute Gewichtsverteilung und sicheres Kurvenverhalten auch ohne ESP.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Als technisches Meisterwerk entpuppte sich auch der zunächst drei Liter große V6- Motor. Er besitzt Titan-Pleuel und Platin-Zündkerzen, die teuren Werkstoffen trieben den Neupreis zuletzt auf rund 90.000 Euro. Der Motor ist direkt hinter den zwei Sitzen quer zur Fahrtrichtung eingebaut. 1995, also lange bevor zum Beispiel BMW oder Audi mit der Vokabel "Hochdrehzahlkonzept" operierten, ließ dieser Motor bis zu 8000 Umdrehungen zu. Seine höchste Leistung erreicht das Aggregat bei 7300 Touren, sein maximales Drehmoment von 304 Newtonmetern bei 5300. In der letzten Ausbaustufe war der Hubraum des Motors 3,2 Liter groß und 280 PS stark. Das reichte für fast ebenso viele Stundenkilometer Höchsttempo.

Ohrstöpsel und Helm empfehlen sich

Das enorme Beschleunigungsvermögen (4,9 Sekunden von Null auf Hundert) und die beeindruckende Top-Geschwindigkeit fordern von den Insassen allerdings eine gewisse Leidensfähigkeit. Der kaum 40 Zentimeter hinter ihren Ohren gelegene Ansaugtrakt und die nur wenig weiter entfernte Abgasanlage verbreiten bei Vollgas ein derart infernalisch brüllende Geräuschkulisse, dass Ohrstöpsel und Helm als hilfreiche Accessoires angesehen werden können. Letzterer bietet sich vor allem dann an, wenn man die Absicht hat, das Targadach abzunehmen. Nicht, dass die Zugluft stören würde. Aerodynamisch ist der NSX immer noch auf der Höhe der Zeit und die Insassen gut geschützt. Aber der fette Krawallsound schwappt ohne Dach noch ungefilterter auf die wie in einem Flugzeug-Cockpit liegenden Insassen. Das hält die Eigentümer der wenigen zum Verkauf stehenden Exemplare aber nicht davon ab, je nach Baujahr und Laufleistung zwischen 20.000 und 70.000 Euro zu verlangen.

"Er sieht gut aus, bringt eine stramme Leistung auf die Straße und begeistert mit einem Sound, der süchtig macht", charakterisierte Marco Werner einst den Honda NSX. Seine Aussage kann auch als Messlatte für einen Nachfolger gelten. Im Jahr 2005 waren in den USA, einem der Hauptmärkte, verschärfte Abgasbestimmungen in Kraft getreten, die weitreichende und damit zu teure Nachbesserungen des inzwischen mehr als 15 Jahre alten Motor- und Auspuff-Grundkonzeptes erfordert hätten. Sie wurden von Honda als Hauptgrund für die Einstellung genannt. Nachdem im Januar 2007 in Detroit ein GT-Sportwagenkonzept als potenzieller Nachfolger des NSX präsentiert worden war, machte die weltweite Finanzkrise dem Projekt dem Garaus: Im Dezember 2008 gab der damalige Honda-Chef Takeo Fukui den Abbruch aller NSX-Nachfolgemodell-Entwicklung bekannt.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen