Auto

Ein Bentley-Urgestein Die graue Eminenz der königlichen Kalesche

Das Auto ihrer Majestät geht doch auch optisch mit einer gewissen Wucht auf die Straße.

Das Auto ihrer Majestät geht doch auch optisch mit einer gewissen Wucht auf die Straße.

Wenn, wie der Volksmund meint, der Umgang den Menschen prägt, dann ist bei Richard Charlesworth die Wirkung unübersehbar: Er ist bei Bentley für das königliche Fahrvergnügen der Royals zuständig. Er selbst würde, obwohl aus bürgerlichem Haus, wahrscheinlich überall als englischer Landadeliger durchgehen.

Mindestens ein Bild seiner liebsten Kundin hat Richard Charlesworth immer in seiner Hosentasche. Sie bestellt zwar nicht oft ein neues Auto, dennoch kümmert sich der 58-jährige mit großer Hingabe um sie. "Hier", feixt der Schnauzbartträger, der selbst gut als distinguierter Adliger durchgehen würde, "das ist sie" und hält die Zwanzig-Pfund-Note mit dem Porträt der Queen in die Höhe. "Sie ist mir die wertvollste von allen".

Richard Charlesworth ist seit mehr als 30 Jahren im Dienst von Bentley.

Richard Charlesworth ist seit mehr als 30 Jahren im Dienst von Bentley.

Als zigtausende von Londonern jüngst im Park des Buckingham Palace das 60. Krönungsjubiläum von Queen Elizabeth II. feierten, stand ein Jubilar etwas abseits im hinterem Teil des weitläufigen Gartens: Die Bentley State Limousine, offizielles Dienstauto der Monarchin, ist seit zehn Jahren im Dienst. Richard Charlesworth ist ein Bentley-Urgestein. Er war schon Verkaufs- und PR-Manager in Europa und im Mittleren Osten, seit geraumer Zeit ist er für die Traditionspflege der englischen Nobelmarke verantwortlich – und eben für die Beziehungen zum Königshaus. Tradition hat die von Walter Owen Bentley gegründete Autofirma reichlich zu bieten und das zählt allerhand im Vereinigten Königreich. Dass die offizielle Staatskarosse aber kein Rolls Royce mehr ist, wie es Jahrzehnte lang der Fall war, daran hat auch Ferdinand Piëch ein wenig mitgewirkt.

Als der Volkswagen-Patriarch und sein damaliges BMW-Vorstandspendant Bernd Pischetsrieder um die Verteilung der Restbestände des zerfallenden Rolls-Royce-Konzerns verhandelten, deutete sich etwa zur gleichen Zeit und unabhängig davon in London an, dass die seinerzeit schon 45 Jahre regierende Elizabeth ein neues Dienstauto brauchen würde. Die notwendigen Gespräche mit dem Königshaus führte natürlich das Rolls-Royce-Personal, das damals auch die Marke Bentley mitverwaltete.

Erster Einsatz zum Goldenen Jubiläum

Im Park des Buckingham Palace, wird die Staatskarosse zum Magneten für die Zuschauer.

Im Park des Buckingham Palace, wird die Staatskarosse zum Magneten für die Zuschauer.

(Foto: Axel F. Busse)

Keiner von den englischen Autowerkern ahnte, wie sie auf der Basis der komplizierten Vereinbarungen der beiden Auto-Konzerne BMW und Volkswagen in mehreren Schritten aufgeteilt und in die jeweiligen Unternehmen integriert würden. "Die Queen hat sich damals fast täglich berichten lassen, wie es um die Verhandlungen steht und wer was bekommen wird", erinnert sich Richard Charlesworth. Sie wollte immer auf dem neuesten Stand sein und sich nicht womöglich von deutschen Staatsgästen erzählen lassen müssen, wer welche der beiden britischen Firmen übernehmen würde. Es sei halt die Gunst der Stunde gewesen, so der Insider Charlesworth, dass schließlich Bentley die Marke der neuen Staatskarosse werden sollte: "Die Queen war sofort einverstanden". Bis der Wagen zum 50. Thronjubiläum zum Ersteinsatz kommen sollte, verging aber noch eine geraume Zeit.

Basis des rund sechs Meter langen Straßenkreuzers ist ein Bentley Arnage, damals das Spitzenmodell der Marke. Von ihm stammt auch der Antrieb, ein sechsdreiviertel Liter großer Achtzylinder, der in überarbeiteter Form heute noch im Bentley Mulsanne zum Einsatz kommt. Der Ausgangsmotor habe 400 PS gehabt, zu mehr technischen Details will sich Charlesworth aber nicht hinreißen lassen. Schon gar nicht zur Nennung des Fahrzeuggewichts, denn daraus könnten Schlüsse auf Art und Umfang der Sicherheitseinrichtungen gezogen werden. Wer auf ca. vier Tonnen spekuliert, bekommt zur Antwort:, "so etwa in der Größenordnung".

Der Radstand des alten Arnage wurde um 287 Millimeter verlängert, das Dach angehoben und mit einer Panoramascheibe versehen. Queen Elizabeth, bekanntlich von eher überschaubarer Körpergröße, kann fast aufrecht in den Wagen einsteigen. Die hinteren Türen haben einen Öffnungswinkel von 87 Grad. Dirk van Brackel, der auch den Bentley Continental GT gestaltete, zeichnete für das Design verantwortlich. Her Majesty ließ sich die Pläne und Skizzen vorlegen, sorgte zum Beispiel persönlich dafür, dass der ursprünglich sehr prunkvolle und chromlastige Entwurf zugunsten eines bescheideneren Auftritts abgemildert wurde.

Besonderer Getriebe-Modus

Das Panorama-Glasdach sorgt dafür, dass die Monarchin stets gut zu sehen ist.

Das Panorama-Glasdach sorgt dafür, dass die Monarchin stets gut zu sehen ist.

(Foto: Axel F. Busse)

Die Polster im Fond, von denen eines etwas angehoben wurde, um stets gute Sicht auf das Staatsoberhaupt zu gewährleisten, sind nicht etwa mit Leder bezogen. Auch das hat Tradition bei den gekrönten Häuptern auf der Insel. Graues, aber sehr feines Tuch ist es, worauf die Queen Platz nimmt. "Früher", erklärt Adelsexperte Charlesworth, "als die Royals noch mit Pferdefuhrwerken unterwegs waren, saß der Kutscher im Freien auf gegerbter Tierhaut. Die blaublütigen Fahrgäste unterm Dach konnten die höherwertigen Polster, die gewebten Bezügen, nutzen".. Rings um die Sessel wird auf Holz- oder Metallapplikationen verzichtet. Zur Gala-Uniform des Prinzgemahls gehören natürlich Orden und Abzeichen, Dolch, Säbel oder Degen – und das könnte beim Fahren dagegen klappern. Rund 50 Lieferanten haben unter der Bentley-Ägide für eine standesgemäße Ausstattung des Wagens gesorgt – natürlich stets mit königlicher Zustimmung. "Auf technischen Schnickschnack wollte sie weitestgehend verzichten", sagt Charlesworth. Es gibt nur eine dezente Innenbeleuchtung, damit die Untertanten auch bei Fahrten in Dunkelheit sehen, wem sie zujubeln.

 Drei Fahrer beschäftigt der Buckingham Palace, sie wurden ebenfalls in die Fahrzeugentwicklung eingebunden. Ausgiebige Testfahrten und Einweisungen in die Besonderheiten des Autos folgten. Zum Beispiel hat das Getriebe einen speziellen Modus, der es erlaubt, die Geschwindigkeit von neun Meilen die Stunde (etwa 14 km/h) präzise und ohne Gangwechsel zu halten. Dies ist die so genannte "Processional Speed", jenes Tempo also, in dem die Huldigungen des Volkes entgegengenommen werden, der von keinem Schaltvorgang gestört werden soll. Drei Jahre hat die komplette Entwicklung der Limousine in Anspruch genommen, fünf Monate dauerte die Fertigung von Hand. Lenkrad-Spezialist Noel Thompson etwa, der die Nähte am Lederkranz der Bentleys ausführt, benutzt zur millimetergenauen Markierung der Lochabstände eine Gabel. Für die königlichen Fahrzeuge ist sie aus Silber.

Der vormalige Prototyp wurde zum staatstauglichen Zweitfahrzeug ausgebaut, so dass jetzt ein Duo identischer Fahrzeuge besteht, die zusammen etwa 60.000 Meilen zurückgelegt haben. Viele davon durchaus umweltverträglich, denn der Motor ist auf Bio-Ethanol, als E85-Sprit ausgelegt. Jedes Jahren steigen sie Bentley-Ingenieure tief unters Blech der State Limousine und ersetzen, was nicht mehr Stand der Technik ist. Die Queen fährt praktisch immer Neuwagen. Dass  zur britischen Lebensart auch gewisse Schrullen und Eigenheiten gehören, ist hinlänglich bekannt. Auch der königliche Fahrdienst, ist nicht frei davon. Die Kühlerfigur, normalerweise der heilige George mit dem Drachen, ist durch ein Schraubgewinde mit dem Sockel verbunden. Überschreitet des Fahrzeug mit der Queen an Bord die Grenze nach Schottland, tritt der schottische Löwe als Insignie der Macht an dessen Stelle.

Quelle: ntv.de

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