Auto

Mercedes schafft Handwerkerfreund Ein City-Titan für MacGyver

Nach rund sieben Jahren bringt Mercedes wieder einen kompakten Stadtlieferwagen auf den Markt. "Citan" heißt der Alleskönner, der in Zusammenarbeit mit Renault entstanden ist. Sein Credo: einfach, gut und dennoch ein Mercedes. Kann das funktionieren?

Bei Mercedes heißt es im Augenblick: Nicht kleckern, sondern klotzen. In allen Bereichen machen die Stuttgarter Druck. Da ist die neue A-Klasse bei den Kompakten, mit dem CLS Shooting Brake wird ein dynamischer Familienlaster für die gut situierte Familie präsentiert und für die Freunde der SUV-betonten Stadtdynamik wird der GL aufgemotzt. Doch der eigentliche Star kommt aus dem Nutzfahrzeugbereich. In keiner der erwähnten Sparten hat man sich so innovativ bei der Einführung eines neuen Produktes gezeigt.

Für den neuen Stadtlieferwagen "Citan", den City-Titan, haben die Marketingleute bei Daimler Nutzfahrzeuge tief in ihren Erinnerungen gekramt und den wahren Helden aller Handwerker auferstehen lassen: MacGyver. Ja, eben den Typen, der mit der Büroklammer eine Bombe entschärft und mit dem Sekundenkleber eine Tür öffnet. Oder war es umgekehrt? Egal, der fährt jetzt jedenfalls in drei neuen Kurzfilmen einen Mercedes "Citan". Vorgestellt wurde der erste schon im Internet, zwei weitere gibt es zur Nutzfahrzeug IAA in Hannover.

Citan ist eine "Visitenkarte"

Doch was fährt der MacGyver da eigentlich? Einen Stadtlieferwagen. Richtig. Doch es ist nicht irgendein Handwerkstransporter, dass behaupten zumindest die Stuttgarter. Sie sehen in einem Mercedes auch in diesem Segment eine "Visitenkarte". So jedenfalls Marketingchef Bernd Stegmann. Doch wenn Handwerker Nutzfahrzeuge kaufen, schauen sie in erster Linie aufs Geld. Teuer sollten die Stadtflitzer nicht sein. Das wissen auch die Verantwortlichen bei Mercedes und so haben sie sich einen Partner in Frankreich gesucht, der im Segment der Kleintransporter die Nase ganz vorn hat: Renault. Zugegeben eine gewagte Ehe, denn der Ruf der Franzosen hat in den letzten Jahren gelitten. Der Hauptgrund waren massive Qualitätsmängel. Allerdings hatten die nicht die Motoren. Was der Staatskonzern in puncto Diesel-Motoren ablieferte, war ordentlich. Auch der Renault Kangoo erfreute sich großer Beliebtheit. Wenn da nur nicht … Aber darüber sprachen wir schon.

Um den kleineren und größeren Unebenheiten aus dem Weg zu gehen, hat Mercedes das Diesel-Antriebsaggregat unter die Fittiche genommen und es nach seinen Ansprüchen überarbeitet. Der Turbo-Direkteinspritzer mit 1,5 Liter Hubraum ist nach der Kur in drei Leistungsstufen verfügbar: Als 108 CDI mit 75 PS und 180 Nm Drehmoment, als 109 CDI mit 90 PS und 200 Nm oder als 111 CDI mit 110 PS und 240 Nm. Den 111 CDI und einen aufgeladenen Benzin-Direkteinspritzer mit 1,2 Liter Hubraum und 114 PS wird es ab Sommer 2013 geben. Die Marke mit dem Stern setzt aber ganz auf die Selbstzünder, denn die Erfahrung lehrt, dass die sich bei Handwerkern am besten verkaufen. Und die sind auch ganz auf Effizienz ausgerichtet. Deswegen sind weder beim 108 CDI, noch beim 109 CDI Höchstgeschwindigkeiten zu erwarten. Der kleinste Motor liegt in der Spitze bei etwa 150 km/h, der größere Bruder bringt es auf 160 km/h. Für den Sprint auf Tempo 100 werden zwischen 13 und 16 Sekunden benötigt. Zudem wird es in beiden Modellen ab 110 km/h laut und die Lust, weiter auf die Tube zu drücken, ist angesichts der Geräuschkulisse nicht wirklich gewünscht. Ein Stadttransporter ist eben kein Rennwagen, will er auch gar nicht sein.

Vor allem sparsam

Die Hauptcharakteristik der Motoren liegt in ihre Sparsamkeit im Stadtverkehr. Beim kleinsten Diesel mit der BlueEFFICIENCY getauften Technologie soll der Verbrauch nach Werksangaben nur bei 4,3 Litern auf 100 Kilometern liegen. Im realen Stadtverkehr darf im Schnitt mit einem Liter mehr gerechnet werden. Immer noch ein beachtlicher Wert. Die BlueEFFICENCY-Modelle verfügen serienmäßig über eine Eco Start-Stopp-Funktion. An Haltepunkten wie Ampel oder Schranke schaltet der Motor automatisch ab. Blöd nur, dass bei erhöhter Motortemperatur, der Stillstand nicht mal eine Ampelphase anhält. Um die Kühlung des Aggregats wieder in Gang zu bringen, springt das Triebwerk nach wenigen Sekunden wieder an. Das nervt und der Spareffekt dürfte damit auch hinüber sein. Um dem aus dem Weg zu gehen, gibt es in der Mittelkonsole die Eco-Off-Taste. Die macht dem lästigen An und Aus ein Ende und wird wahrscheinlich öfter benutzt, als es die Spar-Idee vorsieht.

Eine Empfehlung für den 108 CDI oder 109 CDI auszusprechen, ist nicht einfach. Der größere der Beiden zeichnet sich durch Laufruhe und eine sehr präzise Schaltung aus. Sein Manko ist, dass er trotz seiner 90 PS etwas behäbig wirkt. Anders der 108 CDI, der glänzt durch seine Spritzigkeit. Dafür gibt er sich knurrig und leidet unter etwas langen Schaltwegen, die an einigen Stellen sogar hakelig wirkt.

Besonderen Wert legten die Mercedes-Entwickler beim Citan auf ein markentypisches Fahrverhalten. So wurden auch hier die Vorgaben von Renault auf Stuttgarter Niveau gehoben, denn neben den Motoren ist auch das Fahrwerk vom Kangoo übernommen. Mercedes hat Dämpfung und Stabilisatoren neu entwickelt und aufeinander abgestimmt. Gekürzte Federn mit hoher Federrate und Stoßdämpfer mit straffer Dämpfkraft an Vorder- und Hinterachse führen zu einem dynamischen Fahrverhalten und verhindern unangenehme Nickschwingungen. Stabilisatoren an Vorder- und Hinterachse reduzieren die Seitenneigung in Kurven. Um den fast sportlichen Charakter zu betonen, wurde der Citan als Kastenwagen in der Langversion und als Kombi mit Normallast rund 15 Millimeter tiefer gelegt.

Der schwäbische Innenraum

Im Innern des Handwerker-Busses geht es indes - der schwäbischen Mentalität entsprechend -spartanisch zu. Das Augenmerk liegt hier auf Nutzen statt Luxus. Die fein gemaserte Hartplastik soll zwar etwas Charme in den Innenraum bringen, kann aber nicht verhindern, dass einen die Armatur samt Mittelkonsole wie die Eiger Nordwand anspringt. Hoch aufragend und wirklich nur mit dem Notwendigsten versehen, prägt sie den Arbeitsplatz des Meisters hinterm Lenkrad. Wobei alle wichtigen Hebel gut zur Hand liegen. Die elementaren Informationen sind einsichtig, ein Radio mit kleinen, knubbeligen Drehreglern gibt es auch. Darin enthalten USB- und Aux-Anschluss, sowie die Möglichkeit zur Kopplung des Smartphones über Bluetooth. Aufträge für den nächsten Einsatz können also auch während der Fahrt entgegen genommen werden.

Letztlich bleibt der Innenraum pragmatisch. Die Gummimatten auf dem Boden machen die Reinigung des Fahrzeuges ebenso einfach wie die grob strukturierten Fußmatten. Beim größten Kastenwagen mit dem längsten von drei Radständen fasst der Laderaum bis zu 3,8 Kubikmeter, und der mit einem normalen Van am ehesten vergleichbare Crewbus mit Pkw-Zulassung bietet zu Preisen ab 20.325 Euro zu seinen fünf Sitzen auch noch mindestens 700 Liter Kofferraum. Für die Unterbringung von Kleinteilen gibt es ein Hochregal am Dachhimmel. Eine super Idee. Doch wehe dem, der dort Klapperteile versenkt. Die kann er dann, mangels Einblick, nur über die taktile Suche wieder finden. Wer aber Stadtplan oder Klatte verstauen will, hat hier reichlich Platz.

Apropos Stadtplan: Bei der Ausstattung des Citan gibt es keine großen Abstriche. Einen Abstandstempomaten oder einen Spurhalteassistenten sucht man zwar vergebens, und statt eines Online-Navis pappt eine Nachrüstlösung an der Scheibe. ESP und wenigstens ein Airbag sind Standard, fünf weitere gibt es gegen Aufpreis und Extras wie Sitzheizung oder Klimaanlage kann man ebenfalls ordern. Außerdem merkt man dem Citan an, dass er für den harten Einsatz im Alltag gebaut ist und der Fahrer oft stundenlang am Steuer hockt: Die Sitze sind betont ergonomisch und die Bezüge machen einen ausgesprochen robusten Eindruck.

Der Mercedes Citan hat alles in allem durchaus das Zeug, das Feld der Kleintransporter von hinten aufzurollen, wenn er Mitte September in den Handel kommt. Mit Preisen ab 17.445 Euro ist er etwas teurer als der Renault Kangoo, bleibt aber knapp unterhalb des VW Caddy.

Quelle: ntv.de

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