Auto

Das Erbe Italiens Fiat vor dem Umbruch

Die Namen Fiat und Agnelli waren seit der Gründung des Familienunternehmens vor 105 Jahren untrennbar miteinander verbunden. Nach dem Tod von Umberto Agnelli, dem letzten männlichen Träger des berühmten Nachnamens, wird sich jetzt notgedrungen eine Trennung vollziehen. Dabei ist es aber noch völlig unklar, ob der nächste Präsident der Gruppe aus den Kreisen der Gründer-Dynastie kommen wird oder ein externer Manager das Amt übernimmt. Schon gibt es in den Medien und unter Experten wilde Spekulationen darüber, für welche Strategie sich Familie und Unternehmensführung entscheiden werden. "Ich bin sicher, dass Agnelli dem Vorstandschef Giuseppe Morchio, dem er blind vertraute, Anweisungen über seine Nachfolge hinterlassen hat", sagt der Wirtschaftshistoriker und Fiat-Experte Valerio Castronovo. Nachdem Umberto 40 Jahre im Stillen die Fäden hinter den großen Entscheidungen und Umstrukturierungen bei Fiat gezogen hatte, war er erst nach dem Tod seines Bruders Giovanni Anfang 2003 an die Spitze des Unternehmens gerückt.

"Er hat sich stets die schweren Aufgaben aufgebürdet, wenn die Zeiten bei Fiat schlimm waren", erklärt Castronovo, Autor des Buches "Fiat: Ein Jahrhundert italienischer Geschichte". Zwar habe der schüchterne Jurist stets im Schatten seines charismatischen Bruders gestanden: "Aber was viele nicht wissen, ist, dass Giovanni sich hauptsächlich um die externen Beziehungen kümmerte, während Umberto stets der operative Arm des gesamten Unternehmens war." Unter seiner Führung schaffte es Fiat in nur 15 Monaten, mit Hilfe eines vernünftigen Sanierungsplans, eines neuen Führungsteams und einer erneuten Konzentration auf das Kerngeschäft mit Autos aus einer ausweglos erscheinenden Finanzsituation herauszukommen. Turin und ganz Italien atmeten auf: Dank Umberto schien es, als würde sich die schwer angeschlagene Autosparte erholen und am Ende doch nicht an den US-Giganten General Motors (GM) verkauft.

Der hält seit vier Jahren 20 Prozent an Fiat Auto und hat die Option, auf Wunsch Fiats auch den Rest zu übernehmen. Damit würde das Land ihren wichtigsten und bedeutendsten Traditionskonzern verlieren. "Fiat gehört zum Erbe Italiens", so die Zeitung "Corriere della Sera". Und "La Repubblica" brachte es auf den Punkt: "Der Tod Umberto Agnellis stellt Fiat und das ganze Imperium in Turin vor eine Reihe von Problemen, die nicht leicht zu lösen sein werden." Die Möglichkeit, dass auch künftig ein Agnelli den Konzern leitet, ist dabei durchaus nicht von der Hand zu weisen. "Nur würde er eben nicht Agnelli sondern Elkann heißen", sagt Castronovo mit Blick auf Giovanni Agnellis 28-jährigen Lieblings-Enkel John Philip Elkann. Er gilt seit Jahren als nächster Anwärter auf die Präsidentschaft, hat Ingenieurswesen studiert und sitzt auf Wunsch seines Großvaters schon seit fünf Jahren im Aufsichtsrat.

Wegen seines jungen Alters könnte sich die Familie Agnelli, die mit 33 Prozent noch der Hauptaktionär des Unternehmens ist, aber auch für einen Übergangskandidaten entscheiden, so etwa den Familienfreund Franzo Grande Stevens oder den Vize-Präsidenten der Finanzholding IFIL, Gianluigi Gabetti. Auch Giuseppe Morchio in der Doppelrolle als Vorstandschef und Präsident oder eine Rückkehr des ehemaligen Vorstandschefs Gabriele Galateri - heute Präsident der mächtigen Mediobanca - sind im Gespräch. "Bei den Entscheidungen werden vor allem die drei Schwestern Umbertos eine große Rolle spielen", sagt Castronovo.

Die wissen, dass die Zeit drängt und das gesamte zukünftige Schicksal von Fiat in ihren Händen liegt. Schließlich werden die Mega-Darlehen, mit denen die Gläubigerbanken dem Konzern aus dem Gröbsten heraushalfen, 2005 in Aktien umgewandelt. Damit werden die Banken Hauptaktionäre der Gruppe. Und die könnten sich für einen Chef entscheiden, dem weder der Name Fiat noch Autos am Herzen liegen - sondern die Finanzen. Und das könnte nach Branchenbeobachtern heißen: Ein Verkauf von Fiat Auto an GM und der Verlust eines Stücks italienischer Geschichte.

Quelle: ntv.de

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