Fahrradfahren auf Spartanisch Fixies ohne Schnickschnack
13.07.2010, 12:21 Uhr
Ganz ohne alles: Bei Fixierädern reduziert sich das Radfahren auf das Wesentliche.
Ungewöhnlicher Trend: Puristische Fahrräder, wie sie vor 100 Jahren gebaut wurden. Die Polizei spielt dabei allerdings nicht mit.
Ihnen fehlt alles, was Polizisten beim Blick auf ein Fahrrad interessiert. Sie haben keine Bremsen und keine Beleuchtung, keine Schutzbleche und natürlich erst recht keine Klingel. Doch gerade wegen ihrer spartanischen Ausstattung, einer Rückbesinnung auf die Urzeiten des Fahrrads, sind die sogenannten Fixies vor allem im Straßendschungel der Großstädte sehr beliebt. Die Räder können ihre Abstammung aus dem Bahnradsport nicht verheimlichen und wirken auf den ersten Blick wie abgerüstete Rennräder. Allerdings besitzen sie einen starren Antrieb ohne Freilauf. Sobald das Hinterrad rollt, muss der Fahrer in die Pedale treten.
Während moderne Velos über Bremsen und Gangschaltungen mit bis zu 27 Übersetzungen verfügen, entsprechen die Fixies Rädern, wie sie am Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Zwar wurde die Nabenschaltung bereits im Jahr 1902 erfunden, konnte sich aber anfangs nicht durchsetzen, und erst 1924 nach der Erfindung der heute noch weitgehend unverändert gebauten legendären Torpedo-Dreigangnabe kamen die ersten Räder mit Schaltung auf den Markt. Auf die Kettenschaltung mit noch mehr Gängen mussten die Radler noch länger warten. 1940 erfunden, brachte der italienische Schaltungsspezialist Campagnolo diese Technik erst um 1950 auf den Markt. Heute gilt dies bei manchen Zeitgenossen als überflüssiger Schnickschnack. Für sie ist das Fixie Radfahren pur.
Ideale Arbeitsgeräte
Räder mit einem feststehenden Gang und ohne Freilauf oder Rücktrittbremse – im Englischen heißen die Modelle Fixed Gear Bikes - sind vor allem bei Fahrradkurieren beliebt. Sie haben (meistens) auch keine Schwierigkeiten, die Räder ohne Bremsen zu verzögern. Sie regulieren den Vortrieb und das Abbremsen über den Tritt in die Pedale. "Wenn man aufhört zu treten", so ein Hamburger Kurier, "bleibt man einfach irgendwann stehen." Außerdem sind die Räder dank ihres geringen Wartungsbedarfs die idealen Arbeitsgeräte für diese Berufsgruppe. Dass sich die Fixies einmal zu Kultgeräten entwickeln würden, konnte sich niemand vorstellen. Inzwischen begeistern Videoclips die Szene im Internet. Besonders beliebt ist auf Youtube der Clip "Fix and the City".
Viele Fixie-Liebhaber sehen sich als Puristen in der aus ihrer Sicht zu stark technisierten Radwelt. Dabei wird allerdings übersehen, dass eine wirkungsvolle Bremse Unfälle und Ärger mit der Polizei vermeiden kann. Schließlich hat der Gesetzgeber in der Straßenverkehrszulassungsordnung vorgeschrieben, dass Fahrräder in Deutschland mindestens zwei unabhängig voneinander funktionierende Bremsen besitzen müssen. Daher werden inzwischen auch Räder angeboten, die beide Welten miteinander verbinden. Einige Modelle verfügen über eine feststehende Übersetzung plus Freilauf und Bremsen.
Polizei spaßfrei
Zahlreiche der angebotenen Fixies können zudem schnell und problemlos mit einem Freilauf ausgerüstet werden. Die sogenannte Flip-Flop-Nabe, wie sie der Hersteller Felt in seinem Modell Curbside (ab 699 Euro) montiert, besitzt ein Gewinde für starre Ritzel an der einen und ein weiteres für Freilaufritzel an der anderen Seite. Um die Antriebsart zu wechseln, reicht es, das Hinterrad herumzudrehen. Der amerikanische Komponentenhersteller Sram liefert seine Torpedonabe (in sieben Farben für 109 Euro), die mittels einiger Umdrehungen mit dem Schraubendreher auf die verschiedenen Antriebsarten eingestellt werden kann.
Ob mit oder ohne Freilauf, die Polizei versteht bei Fixies inzwischen keinen Spaß mehr. Statt Bußgelder zu kassieren, beschlagnahmen die Ordnungshüter die Räder und sperren sie weg.
Quelle: ntv.de, sp-x