Damenwahl Frauenperspektive beim Autobau
19.03.2004, 11:20 UhrDie Autoindustrie will mit weiblichen Genen auf die Überholspur. Weil Frauen unter anderem eine wachsende Zielgruppe sind, räumen die Hersteller derzeit so manches überholte Klischee vom Tisch und setzen verstärkt auf Frauen-Power in der vermeintlichen Männerwelt des Autos.
Der jüngste Beweis automobiler Emanzipation kommt vom schwedischen Hersteller Volvo, der beim Genfer Automobilsalon die ausschließlich von Frauen entwickelte Designstudie Your Concept Car (YCC) ins Rampenlicht gestellt hat. Entgegen mancher Erwartung ist dabei allerdings kein pinker Kombi mit zahlreichen Kindersitzen, sondern ein sehr sportlicher und dennoch praktischer Zweitürer entstanden, sagt Volvo-Chef Hans-Olov Olsson.
Technologie und Ausstattung des Prototypen kommen dem typisch weiblichen Nutzungsverhalten programmgemäß entgegen, bedienen damit aber unfreiwillig auch manches Klischee. Doch natürlich lassen sich in der großen Mittelkonsole nicht nur Schminkutensilien und Handtaschen, sondern auch Bordwerkzeug oder ein Laptop unterbringen. Die wie im Kino wegklappbaren Rücksitze schaffen gleichermaßen Platz für Einkaufstüten aus Boutiquen und Baumärkten. Und auch Männer haben nicht wirklich Spaß am Auffüllen des Wischwassers, so dass leicht erreichbare Nachfüllstutzen und ein wartungsfreies Werkstattkonzept beiderlei Geschlecht entgegenkommen.
Was Volvo mit dem YCC im Großen vormacht und in einigen Details nach Angaben des Unternehmen auch für künftige Serienmodelle übernehmen will, hat Alfa Romeo schon am Markt realisiert: Zurzeit verkaufen die Italiener nach Angaben ihrer Presseabteilung in Frankfurt/Main den Alfa 147 als Sondermodell Shape, das bei einem Wettbewerb von Frauen für Frauen gestaltet wurde. Allerdings beschränkte sich der Einfluss weiblicher Gene dabei weitgehend auf optische Merkmale wie Farben, Muster und Materialien.
Hinter den Kulissen haben Frauen jedoch die vermeintliche Männerdomäne der Autoentwicklung mit Kompetenz und Kreativität längst unterwandert. Dabei machen zahlreiche Beispiele deutlich, dass sie nicht nur für Farben und Formen zuständig sind und über karierte oder gestreifte Sitzbezüge entscheiden. Vielmehr verweist etwa Audi-Sprecher Udo Rügheimer in Ingolstadt unter anderem auf Expertinnen in der Materialwissenschaft, der Qualitätssicherung sowie im Bereich technische Projektleitung.
Opel in Rüsselsheim feiert die Entwicklungsingenieurin Rita Forst als Mutter einer ganzen Motorengeneration und betraut sie mit der Geschäftsführung der deutschen Powertrain-Division. Und in Italien präsentiert Alfa Romeo öffentlich eine prominente Testfahrerin, die ihren männlichen Kollegen meist eine Nasenlänge voraus sei.
Mit dieser Orientierung tragen die Hersteller einer deutlichen Entwicklung des Marktes Rechnung. Die Frauen sind als Zielgruppe für die Autohersteller nicht mehr wegzudenken, sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen: Während 1976 nur 14 Prozent aller Pkw-Besitzer Frauen waren, liege der Anteil heute bei knapp 60 Prozent, sagt Dudenhöffer und erklärt dies mit dem Trend zu Singlehaushalten und der wachsenden Zahl der Zweit- und Drittwagen.
Selbst in den Fällen, in denen Frauen nicht als Käufer auftreten, haben sie nach den Erfahrungen aus dem Audi-Marketing großen Einfluss beim Autokauf. Dort gilt die Ehefrau laut Pressesprecher Rügheimer gemeinhin als Job-Stopper mit einem unumstößlichen Veto-Recht. Wenn jedoch die Entscheidung für ein bestimmtes Modell einmal gefallen ist, werde das Rollenverständnis eher traditionell: Dann wähle der Mann den Motor und die Frau die Farbe der Sitzpolster.
Generell jedoch haben Frauen und Männer nach den Beobachtungen Ferdinand Dudenhöffers durchaus unterschiedliche Prioritäten: So achten Männer vorzugsweise auf Leistung und Technik, während bei Frauen Sicherheit und Design ganz oben auf dem Anforderungsprofil stehen. Dennoch kann und wird es laut Dudenhöffer nicht das typische Frauen-Auto geben. Und falls doch, dann hätte es nach Angaben von Audi-Sprecher Rügheimer keine großen Erfolgschancen. So hätten eigene Untersuchungen ergeben, dass sich Frauen von Frauen-Autos nicht angezogen, sondern im Gegenteil beinahe diskriminiert fühlten.
Natürlich achte man bei der Entwicklung der Fahrzeuge auf die Bedürfnisse aller Kunden und damit auch auf die der Frauen, sagt Rügheimer. Doch explizite Frauen-Features gebe es deshalb nicht. Nur Chauvinisten hielten etwa Parksensoren für ein rein feminines Thema: Wer als Mann ehrlich zu sich selbst ist, der hat selbst schon oft genug von den Ultraschall-Sensoren an der Stoßstange profitiert. Und auch der Schminkspiegel sieht sicher so manches Männer-Gesicht.
Aber wenn es nach der Philosophie der Entwicklerinnen von Volvo geht, ist auch das kein Widerspruch. Denn sie sehen Frauen einfach als die anspruchsvollere Kundschaft: Wenn man deren Erwartungen erfüllt, hat man die der Männer oft sogar schon übertroffen.
Quelle: ntv.de