Das war die L.A. Auto Show Goldrausch im Westen
19.11.2007, 15:51 UhrDie Krise der amerikanischen Autoindustrie hat keine Stadt der USA so hart getroffen wie Detroit. "Wenn die Autoindustrie hüstelt, bekommt Detroit eine Lungenentzündung", ist eine oft zitierte Redewendung. Von einstmals mehr als zwei Millionen Einwohnern ist die Bevölkerungszahl auf 900.000 abgerutscht. Downtown, das Zentrum, gilt vielen Einheimischen schon als "ghosttown" Detroit. Doch nicht nur die Bewohner verlassen die Stadt. Den Bedeutungsverlust dokumentieren auch strategische Entscheidungen deutscher Hersteller. Porsche beschickt die Messe nicht mehr, Volkswagen verlegt seine Nordamerika-Zentrale nach Washington.
Dafür präsentieren sich Autos made in Germany in Los Angeles umso intensiver. Marken wie VW, Porsche und Audi haben sich die Messe als Rahmen für spektakuläre Präsentationen ausgesucht und auch BMW und Mercedes sind in den Hallen mit großen Ständen vertreten.
Dritte Studie der neuen Kleinfamilie
"Wir wollen die innovativste Volumen-Marke der Welt sein", konstatierte VW-Entwicklungsvorstand Dr. Ulrich Hackenberg, nachdem er aus dem jüngsten Familienmitglied der von Volkswagen "New Small Family" getauften Kleinwagenreihe gestiegen war. Der Space Up! Blue ist nicht nur ein kompakter Van ohne B-Säule, sondern auch ohne Schadstoffausstoß.
Eine Brennstoffzelle soll ihm einen emissionsfreien Radius von bis zu 350 Kilometern verschaffen, allein mit Batteriebetrieb seien bis zu 100 Kilometer drin. Mittels Solarzellen-Dach wird die Klimaanlage mit Energie versorgt und wenn die Fahrgäste bei der Arbeit oder beim Einkaufen sind, wird der Kleinwagen einfach an der nächsten Steckdose aufgeladen.
Näher am Tagesgeschehen als diese Studie, aber noch weit weg von der automobilen Wirklichkeit der US-Kundschaft sind zwei andere Ziele, die Hackenberg in das Bekenntnis kleidete: "Wir glauben an den Diesel und an den Frontantrieb". Die sauberste TDI-Technologie soll mit einer gewaltigen Marktoffensive in Nordamerika hoffähig gemacht werden, wobei, so der neue VW-Amerika-Chef Stefan Jacoby, der Konzern auch "in neue Segmente vordringen" will. Die Entscheidung freilich, ob VW wieder in den USA Autos bauen wird, wie einst den Golf in Westmoreland, werde erst 2008 getroffen.
Audi will Amerika den Diesel schmackhaft machen
Einen Selbstzünder als Treibsatz hat auch die Cross Cabriolet quattro Studie, deren feierliche Enthüllung auf dem Audi-Stand miterlebt werden konnte. Die schadstoffarme Dieseltechnik, so VW und Audi unisono, sei in allen US-Bundesstaaten zulassungsfähig und verbinde deshalb in idealer Weise Sparsamkeit mit Umweltbewusstsein. Ein Jetta TDI wird den landesweiten Anfang machen. Dass Sparsamkeit im Heimatland der Spritfresser überhaupt zum Argument werden konnte, liegt daran, dass die umgerechnet rund 0,60 Euro pro Liter, die gegenwärtig an US-Zapfsäulen für Benzin gezahlt werden müssen, für dortige Verhältnisse bereits eine drastische Verteuerung darstellen.
Wahscheinlich ist die Cross Cabriolet quattro-Studie dem künftigen A3-Cabrio näher als dem kompakten Geländewagen Q5, dessen Freiluft-Variante er darstellen soll. Aber Symbolwert hatte die Präsentation allemal, denn nirgendwo ist offenes Fahrvergnügen so mit dem Lebensstil der Menschen verbunden wie in Kalifornien.
Schon vor 100 Jahren auf Hybrid gesetzt
Mit Dieselmotoren will Porsche bekanntlich nichts zu tun haben, aber die Zuffenhausener Sportwagenschmiede schlägt in Los Angeles auf andere Weise eine Brücke über mehr als zehn Dekaden Automobil-Ausstellungen. In Kalifornien, wo die schärfsten Umweltgesetze weltweit gelten, soll ein musealer Kutschenwagen belegen, dass der Name Porsche eigentlich schon vom Anfang des Automobilbaus an mit ökologisch korrekter Fortbewegung verbunden ist.
Im Technischen Museum zu Wien fristete bis dato der Lohner-Porsche aus dem Jahr 1900 ein weitgehend unbeachtetes Dasein. Das Fahrzeug mit Elektromotoren in den Vorderradnaben wurde von der "Hof-, Wagen- und Automobilfabrik Jakob Lohner & Co" gefertigt und später von Ferdinand Porsche noch mit einem Verbrennungsmotor versehen. Der hatte die Aufgabe, die wenig leistungsfähigen Blei-Akkus wieder aufzuladen und machte die Selbstfahrkutsche so zum Hybridpionier.
Jetzt steht das betagte Gefährt auf der LA Auto Show in unmittelbarer Nachbarschaft des Cayenne Hybrid, den Porsche wahrscheinlich 2009 in Serie anbieten wird. Auch der künftige Viertürer Panamera, das bekräftigt Vorstandsmitglied Klaus Berning, wird den Kombi-Antrieb aus Verbrennungs- und Elektromotormotor bekommen. "Wir sind nicht mal sicher", so Berning, "dass der Hybrid wirklich das beste Zukunftskonzept ist. Aber wir bieten es an, weil der Markt es fordert und wir es können".
Für den Großraum Los Angeles, wo Porsche ein gutes Drittel seiner Gesamtproduktion absetzt, die Autos aber auf den überfüllten Highways häufiger stehen als fahren, mag es sinnvoll erscheinen, einen Elektromotor an Bord zu haben. Für die ausgedehnten Weiten des mittleren Westens dürfte eher ein Diesel das effiziente Fortbewegungsmittel sein. Gut möglich also, dass der wichtigste Automarkt der Welt auf diese Weise eine Zweiteilung erfährt.
Detroit gibt sich nicht geschlagen
Die einheimischen Hersteller versuchen nach Kräften gegenzuhalten. Vier neue Hybridautos wird allein General Motors in 2008 vorstellen, verkündete GM-Patriarch Bob Lutz vor dem Messepublikum. Die Marke Chevrolet soll dabei künftig international als Vorreiter aufgebaut werden. "Wir streben die Weltmarkt-Führerschaft im Bereich der Ressourcen schonenden Technologien an", sagte Lutz. Das zu untermauern, würden Brennstoffzellen-Fahrzeuge des Modells Equinox schon in Kürze in Freizeiteinrichtungen des Disney-Konzerns als Shuttle-Autos eingesetzt. Das Elektroauto Volt fasziniert durch spannendes Desgin und Reichweite.
Wie eine raffinierte Förderungsmaßnahme für den grünen Anstrich der US-Autoindustrie mutete die Preisverleihung des "Green Car Awards" an, die ebenfalls auf der LA Auto Show stattfand. Unter den fünf Finalisten waren drei General-Motors-Fabrikate mit Hybrid-Antrieb. Als Gewinner kürten die Juroren den Chevrolet Tahoe Hybrid, ein wie der Equinox serienreifes Fahrzeug.
Stadt der Engel und Autos
Nicht einmal acht Wochen sind es mehr, bis in Detroit wieder die Messehallen geöffnet werden. Von der Westküste aus wird mit Interesse beobachtet werden, wie sich die Show in der Heimatstadt von General Motors, Ford und Chrysler gegen den Niedergang wehrt. Für die Los Angeles Times war eigentlich schon immer klar, wo die Schwerpunkte liegen: Die Städte im Osten der USA, so orakelte das Blatt am 27. Januar 1907, hätten allenfalls ein Automobil je 100 Einwohner aufzuweisen, in der "Stadt der Engel" seien aber es schon ein Fahrzeug je 80 Einwohner unterwegs. Deshalb habe doch wohl die Westküstenmetropole als "automobil city of the world" zu gelten, schrieb das Blatt anlässlich der ersten L.A. Auto Show vor hundert Jahren.
Quelle: ntv.de