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Cadillacs Power-Kombi CTS-V Wagon Griff nach den Sternen

Understatement: Die Urgewalt von mehr als 550 PS ist dem CTS-V nicht anzusehen.

Understatement: Die Urgewalt von mehr als 550 PS ist dem CTS-V nicht anzusehen.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Platz wie eine Familienkutsche, Tempo wie ein Rennwagen – so funktionieren Sportkombis. Bisher ist der Markt fest in der Hand der Deutschen. Im Herbst will Cadillac den Kampf aufnehmen – mit dem CTS-V Wagon.

Keine Frage: Mehr als 500 PS kann man sinnvoller einsetzen. Zum Beispiel, in dem man vier Kompaktlimousinen damit antreibt. Aber ein Kombi mit dem Spurtvermögen eines Rundstrecken-Renners hat eben einen speziellen Reiz – groß genug, um zahlungskräftigen Kunden sechsstellige Summen aus der Tasche zu locken. Doch das winzige Marktsegment befindet sich im Umbruch. Audi stellte den 580 PS starken RS6 Avant ein, von aktuellen 5er-BMW gibt es (noch) keine M-Version, nur Mercedes hält für mehr als 108.000 Euro die AMG-Version des E-Klasse-T-Modells bereit. Der Caddy-Kombi hat nicht ganz die Ausmaße einer E-Klasse, reiht sich mit 4,86 Metern Länge zwischen den T-Modellen der C- und E-Klasse ein.

Unter dem variablen Ladeboden ist noch Platz für Kleinteile, die Ladekante ist jedoch recht hoch.

Unter dem variablen Ladeboden ist noch Platz für Kleinteile, die Ladekante ist jedoch recht hoch.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Das Auto, das auf dem Genfer Autosalon seine Europapremiere erleben wird, bedient sich eines ähnlichen Motors wie der Stuttgarter Stern-Träger: Acht Zylinder und 6,2 Liter Hubraum – doch da hat es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Ein Kompressor sorgt dafür, dass bei 6100 Umdrehungen 554 PS bereit gestellt werden. Die gewaltige Motorleistung steht in einem spannenden Kontrast zum eher bescheidenen Auftritt des Kombis. Zwar deuten das feinmaschige Gitternetz an den vorderen Lufteinlässen und die 19-Zoll-Felgen auf einen sportlichen Anspruch hin, aber weder sind die Endrohre des Auspuffs noch die Ausstattung mit Schwellern und Spoilern besonders auffällig. Geschmeidig kann man das Design freilich nicht nennen, dafür sorgen schon die vielen Kanten, die senkrechten Scheinwerfergläser und die bis zum Dachkantenspoiler hinauf ragenden Rückleuchten.

Sportsitze oder Recaro-Schalen

Deutlich markanter der Innenraum: Wulstige Seitenpolster der lederbezogenen Sportsitze, samtige Alcantara-Bezüge an Lenkradkranz und Schaltknauf, dazu dezente Chromeinfassungen an den Hauptinstrumenten und helle Kontrastnähte an den ebenfalls üppig belederten Oberflächen senden eine klare Botschaft: Hier wird Kraft geweckt und Komfort genossen. Die serienmäßigen, elektronisch vielfach verstellbaren Sportsitze können optional gegen Recaro-Rennschalen ausgetauscht werden. Die nach unten schmaler werdende Mittelkonsole wirkt wie die handwerkliche Umsetzung der Modellbezeichnung, die V-förmige Struktur wird von den senkrecht stehenden Ausströmern der Klimaanlage auf originelle Weise betont. Abweichend von dem europäischen CTS-Coupé, das mit elektromagnetischen Drucktasten zur Türöffnung von innen ausgeliefert wird, verfügte der US-Testwagen über konventionelle Hebel.

Gestartet wird auf herkömmliche Weise per Schlüsseldreh. Das ist auch gut so, denn die Konsole ist, mit ihren mehr als 40 Tasten, Schaltern und Drehknöpfen, schon fast überladen. Der schwere V8 faucht kurz auf, um danach in ein abwartendes Grummeln zu verfallen. Schon die ersten Meter lassen keinen Zweifel aufkommen: Hier ist ein lupenreines Sportgerät am Werk, gekleidet in die harmlos wirkende Hülle eines Kombis. Unmittelbar und bissig reagiert Motor auf Gaszufuhr, einen Wimpernschlag später schießt die knapp zwei Tonnen schwere Fuhre nach vorn. Der Vorgang wird akustisch zementiert von einem energischen Grollen, dessen herzhaften Vollton man den bescheiden dimensionierten Endrohren gar nicht zugetraut hätte.

Großer Durst und kleiner Tank

Der V8 ist kein Kostverächter. Nach dem US-Verbrauchzyklus ist die Reichweite je Gallone (mpg) mit 18 Meilen (Highway) zu veranschlagen, das wären etwa 13 Liter/100 Kilometer. Diese Testfahrt endete laut Bordcomputer mit einem Schnitt von 16,8 mpg. Das erscheint für US-Kunden verschmerzbar angesichts des Leistungspotenzial und der Tatsache, dass im Heimatland dieses Autos noch immer kaum mehr als umgerechnet 60 Cents je Liter an der Zapfsäule bezahlt werden müssen. Für das Coupé gibt der deutsche Importeur den kombinierten Verbrauch mit 15,8 Litern/100 km an. Da steht ein E-Klasse-AMG-Modell mit 12,8 Litern nach EU-Norm wesentlich besser da. Auf jeden Fall sollte beim Caddi der Tank größer als 68 Liter sein, das ist Mittelklasseformat.

Familienrenner: Mit Handschaltung erreicht der CTS-V Wagon mehr als 300 km/h Spitze.

Familienrenner: Mit Handschaltung erreicht der CTS-V Wagon mehr als 300 km/h Spitze.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Als wahre Freude entpuppte sich die sechsgängige Handschaltung, die als Alternative zur ebenfalls mit sechs Stufen ausgestatteten Automatik angeboten wird. Obwohl vergleichsweise lang übersetzt (der erste Gang mit einem Verhältnis von 1:2,66) offenbarten sich keinerlei Defizite in Sachen Spontaneität oder Temperament. Dafür sorgt schon das mit 747 Newtonmetern überreichlich bemessene Drehmoment, das bei 3800 Umdrehungen erreicht wird. Mit Handschaltung ist der Wagen über 300 km/h schnell, mit Automatik "nur" 285. Im Nu hat der Kompressor genügend Druck aufgebaut, dass die Hinterachse unwiderstehlich anschiebt. Mit einer Leichtigkeit und Präzision, die den Vergleich mit den manuellen BMW-Getrieben nicht zu scheuen braucht, werden hier knackig die Gänge gewechselt, die Kupplung ist auf einen gesunden Kompromiss zwischen Wadentraining und Romika-Hausschuh eingestellt.

Rumpeln bei Querrillen

Nicht so pantoffelweich ist das Fahrwerk, das sich zur Dämpfung der Magentic-Ride-Technik bedient. Die auch von Audi benutzte Technik aktiviert per Stromspannung in die Dämpferflüssigkeit eingelagerte Metallteilchen, die innerhalb von Sekundenbruchteilen für eine Verhärtung des Fahrwerks sorgen können. Unstrittig ist, dass sänftenartiges Dahingleiten in einem Sportwagen nichts zu suchen hat, doch der CTS-V Wagon quittierte auf dieser Testfahrt Querrillen bevorzugt mit einem starken Rumpeln, woran die Pirelli-Winterreifen nicht ganz schuldlos gewesen sein dürften. Standardmäßig werden die V-Modelle mit Michelin-Bereifung ausgeliefert.

Weil häufig mehr als 500 Newtonmetern an der Hinterachse zerren, verstehen Traktionskontrolle und Anti-Schleuderprogramm keinen Spaß. Schon der harmloseste Versuch, auf einer Schneedecke das Hinterteil des Kombis ein bisschen quer zu stellen, wird gnadenlos mit Regeleingriff und Unterbindung der Gaszufuhr geahndet. Immerhin erlaubt es Cadillac, die Spaßbremse in zwei Stufen abzuschalten. Jedoch ist die Tastenbeschriftung im Lenkrad etwas missverständlich, da es sich nicht des in der EU verbreiteten Schleudersymbols bedient.

Preis jenseits der 80.000 Euro

Da in dieser Preisklasse die wichtigste Maßeinheit zur Ermittlung der Ladekapazität der Golfbag ist, erscheinen 1644 Liter bei umgeklappten Rücksitzen enorm viel. Jedoch sind Sportkombis vom Schlage eines CTS-V im Zweifelsfalle immer mehr Sportler als Kombis. 1644 Liter sind rund zehn Liter weniger als zum Beispiel ein Skoka Octavia Combi seinen Reisenden offeriert.

Charakteristisch: Die Gläser der Heckleuchten laufen spitz bis zum Dachkantenspoiler hinauf.

Charakteristisch: Die Gläser der Heckleuchten laufen spitz bis zum Dachkantenspoiler hinauf.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Und was kostet der eilige Familienspaß? Im Vergleich zu den US-Käufern des V-Wagon werden die Deutschen Kunden ganz schön bluten müssen. Jenseits des Atlantik ist das Auto für rund 63.500 Dollar zu haben, derzeit umgerechnet etwa 46.4350 Euro. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Kombi hierzulande günstiger angeboten wird als das Coupe, und das kostet 80.210 Euro. Die für ihren Individualismus und ihren Hang zur amerikanischen Lebensart so zur Ader gelassenen Kunden können sich lediglich damit trösten, dass Preis eines AMG-Modells schneller sechsstellig wird, als man von Null auf hundert kommt.

Quelle: ntv.de

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