CSI Zuffenhausen ermittelt Ist der Porsche "P1" eine Fälschung?
13.03.2014, 16:15 Uhr
Der erste Porsche soll der "P1" sein. Doch an seiner Echtheit gibt es Zweifel.
Dass Gemälde gefälscht werden, ist nicht neu. Auch dass historische Autos mit Signets versehen werden, die sie mutmaßlich als echt ausweisen, ist keine Seltenheit. Blöd nur, wenn Porsche in eine solche Affäre verwickelt ist. Ein Krimi aus Zuffenhausen.
Muss die Geschichte von Porsche umgeschrieben werden? Das wäre ein Unglück für die Zuffenhausener. Zwei Gutachten hat der Sportwagenhersteller nach dem Wirbel um die Echtheit des sogenannten "P1" in Auftrag gegeben. Seit Januar diesen Jahres hat das kutschenähnliche Fahrzeug aus dem späten 19. Jahrhundert als Stammvater einen Ehrenplatz im Firmenmuseum. An der Entwicklung und Konstruktion des achteckigen Elektromotors für den P1 soll ein junger Techniker namens Ferdinand Porsche maßgeblichen Anteil haben. Aber stimmt das tatsächlich?
Der Skandal um den "P1"
Entzündet hat sich die heftige Debatte an der in einigen Bauteilen der Elektrokutsche eingeschlagenen Kennzeichnung "P1". Die soll von Ferdinand Porsche selbst stammen. Nach Jahren des Rumdümpelns im Depot des Technischen Museums Wien (TMW), wird das E-Automobil Egger-Lohner C.2 Phaeton des Kutschenfabrikanten vom österreichischen Automobilhistoriker Karl Eder untersucht. Der Mann erstellt 2009 ein Gutachten, das besagt, dass der Kutsche der entscheidende Porsche-Einschlag auf der Radnabe fehlt. Auch die Plakette "Lohner-System Porsche" ist nicht zu finden. Fertig ist der Skandal.
Einer der Ersten, der das Gutachten genüsslich ausweidet und in die Öffentlichkeit trägt, ist der in Wien ansässige "Kurier". Aber auch von Seiten der Fachwelt kommen Zweifel an der Echtheit auf. Das Fachblatt "Autobild Klassik" vermutet gar, dass die Einschläge für die Kennzeichnung des "P1" nachträglich angebracht worden sein könnten. Von einer peinlichen Panne, gar von Fälschung ist die Rede. "Das Fahrzeug ist zwar prinzipiell echt, aber keine Porsche-Konstruktion - und zwar unabhängig von der Beschriftung", zitiert die "Autobild Klassik" den Gutachter. Der Vorsitzende der Automobilhistorischen Gesellschaft (AHG), Wolfgang Blaube, äußert sich ähnlich: "Der Begriff 'Erster Porsche' ist völlig übertrieben. Ferdinand Porsche hat einen Elektromotor in ein Fahrzeug implantiert. Aber dadurch wird das noch kein Porsche, sondern ist und bleibt ein Egger-Lohner."
Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG und Enkel des Firmengründers, hatte das Gefährt von einem Sammler erworben. Zum fünfjährigen Jubiläum des Museums Ende Januar wurde es enthüllt. Mit seinem im Heck montierten 3-PS-Elektromotor eröffnet es den Blick auf die Nachkommenschaft, den neuen Hybrid 918 Spyder. Und jetzt soll der "P1" nicht echt sein?
Team CSI Zuffenhausen
Ein Vorwurf, den Porsche nicht auf sich sitzen lassen kann. Zumal ja auch das TMW als eine der führenden technischen Sammlungen bezüglich der Echtheit der Porsche-Angaben eine Augenbraue hochgezogen hat. Porsche beauftragt Professor Kurt Möser, einen der renommiertesten Technikhistoriker Deutschlands, sowie die Restauratorin und Denkmalexpertin Gundula Tutt den ersten Porsche auf Herz und Nieren zu untersuchen. Sie kommen zu dem Schluss, dass das Fahrzeug durchaus die Handschrift des Markengründers trägt und seinen Platz in der Historie des Hauses beanspruchen darf. Quasi wie ein Team CSI Zuffenhausen fahnden der Wissenschaftler und die Restauratorin nach Beweisen für die Unschuld - sprich: die Echtheit - des P1.
Sie sichten dafür Archivunterlagen wie technische Zeichnungen, Notizen und Briefe und nehmen sich Materialien und einzelne Komponenten des Fahrzeugs vor. Doch das reicht nicht. Porsche will ganz sicher gehen. Also fährt man parallel zu den Untersuchungen von Möser und Tutt eines der schwersten Geschütze auf, das die moderne Naturwissenschaft zu bieten hat: das Rasterelektronmikroskop. Anhand der Kraterlandschaft aus patiniertem Metall, Kratzern und Einschlägen sollen Messungen belegen, dass die kennzeichnenden Einschläge "P1" echt sind und sehr wohl aus der Zeit um 1898 stammen.
Auch tragende Rolle von Porsche bezweifelt
Zur Vorstellung der Gutachten im Porsche Museum sind auch Vertreter des Technischen Museums eingeladen. Die kommen allerdings nicht. Für Kurt Möser ist die "P1"-Debatte ohnehin "ein Nebenkriegsschauplatz". Der Historiker bewertet diese selbstfahrende Kutsche als Ikone aus der Frühzeit des "German Engineering". Ihn begeistert die Virtuosität, mit der sich damalige Tüftler aus dem Fahrrad-, Kutschen- und Straßenbahnbau bedient haben. Für ihn ist der C.2 Phaeton ein reines und höchst seltenes - weil erhaltenes -Versuchsfahrzeug, das bereits 1898 im Einsatz war. Das TMW hat diese Datierung angezweifelt. Aber es ist eine Plakette mit diesem Jahr erhalten - diese Stempelmarken sind nach seinem Gutachten in der k.u.k.-Monarchie jeweils auf das Gebrauchsjahr bezogen.
Aber Kritiker monierten nicht nur die Echtheit der Einschläge, sondern, was noch schwerer wiegt, die tragende Rolle von Ferdinand Porsche bei der Entwicklung des spezifischen Oktogon-Elektromotors. Hier hat der Professor vom Karlsruher Institut für Technologie erfolgreich in den Archiven von Porsche und des TMW gesucht. Er findet Konstruktionszeichnungen und Notizen, die mit dem Kürzel FP signiert sind. Zusammen mit einem Bild, das den stolzen jungen Techniker mit seinem achteckigen Motor zeigt, Indizien dafür, dass der junge Porsche mehr war als ein Assistent. Außerdem birgt er eine Zeichnung mit sichtbaren Spuren der Ausradierung, die aufzeigt, dass der Konstrukteur mit der Platzierung des Antriebs entweder auf der Vorder- oder Hinterachse experimentiert hat. Das TMW hat übrigens den C.2 gegen andere historische Fahrzeuge bei einem Sammler eingetauscht. Von ihm hat Porsche die Elektrokutsche fürs Firmenmuseum erworben. Stutzig machte Möser, dass die beiden Autos einen wesentlich höheren Wert als der von Gutachtern wie Eder auf rund 35.000 Euro taxierte C.2 besitzen. Ein Beleg für den tatsächlichen Wert als lupenreiner erster Porsche?
Früher Ideenklau?
Ideenklau war auch in der Gründerzeit nicht gänzlich unbekannt. Zu den vielen Unterlagen, die die Gutachter vorlegen, gehört eine brisante Porsche-Notiz von 1940. Ferdinand Porsche, der 1951 starb, erinnert sich, dass der Schwiegersohn des Kutschenfabrikanten Egger seine Entwicklung unter eigenem Namen zum Patent anmeldet. Danach hätte der Fabrikant nie wieder eine Konstruktion beim Amt eingereicht. Ferdinand Porsche verlässt das Unternehmen, nachdem es Streit unter den Pionierpersönlichkeiten gegeben hat.
Als Restauratorin schmunzelt Gundula Tutt über den "Fetisch der Einschläge". Sie hat die Materialien und Oberflächen des Porsche-Phaeton untersucht, zum Teil mit der Spektralanalyse. Der abblätternde gelbliche Lack kann nicht später als 1898 aufgetragen worden sein. Nicht zuletzt, weil in diesem Jahr Kaiser Franz Josef sein 50. Thronjubiläum feiert und das Kutschenunternehmen als Hoflieferant das Gelb der Habsburger würdigen wollte. Auch die Bestandteile des Auftrags entstammen dieser Zeit, ebenso wie die Reste von Glimmer im oberen Vorbau des Fahrzeugs. Dieser mineralische Stoff wird um die Jahrhundertwende als elektrisches Isoliermittel eingesetzt. Erste Zeichnungen des Versuchsfahrzeugs zeigen, dass hier ursprünglich die Batterie aufgesetzt worden war. Das umfangreiche Gutachten zeigt auch Messkurven, die mit der Infrarotspektroskopie entstanden sind.
Wenn man erlebt, welches Instrumentarium den Automobildetektiven zur Verfügung steht, um Alter, Urheberschaft und Herkunft festlegen zu können, fragt man sich, weshalb einige der namhaftesten Museen der Welt auf den berühmten Kunstbetrüger Wolfgang Beltracchi hereingefallen sind. Ferdinand Porsche wurde nicht vom jungen Picasso inspiriert. So viel steht wohl fest. Mit dem P1 sticht Porsche in ein Wespennest. Ob jetzt im Gegenzug nach den jüngsten Gutachten die Hornissen losgelassen werden, darf abgewartet werden. Viele Krimis sind eben Fortsetzungsromane.
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x