Sie wachsen und wachsen Jaguar Land Rover auf Höhenflug
01.09.2014, 10:13 Uhr
Bis zur Weltpremiere am 8. September will Jaguar die Spannung um den XE noch hoch halten.
Seit ihrer Übernahme durch den indischen Tata-Konzern haben die Marken Jaguar und Land Rover ihren weltweiten Pkw-Absatz mehr als verdoppelt. Im Frühjahr will Jaguar die deutschen Premium-Marken mit dem Modell XE frontal angreifen.
Peter Modelhart muss ein glücklicher Mensch sein. Seit rund fünf Jahren ist er Geschäftsführer von Jaguar Land Rover (JLR) in Deutschland und Österreich und noch nie musste er über stagnierende Verkäufe oder gar Absatzrückgänge berichten. Im Gegenteil: Die Zahlen der beiden britischen Traditionsmarken kannten nur eine Richtung – nach oben. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden weltweit rund 45.000 Fahrzeuge mehr abgesetzt als im ganzen Jahr 2009. Auf dem deutschen Markt ist die Tendenz nicht anders.
Während die Konzerne BMW und Ford vor 2008 offenbar nicht so r echt wussten, was sie mit den englischen Preziosen anfangen sollten, hat Firmen-Patriarch Ratan Tata alles richtig gemacht. Peter Modelhart zitiert seinen obersten Chef mit den Worten: "Ich habe Jaguar Land Rover gekauft, um es zu besitzen, nicht, um es zu führen". Das überlässt der Gebieter über mehr als 100 Firmen lieber deutschen Managern wie zum Beispiel Dr. Ralf Speth, der wie einige andere im JLR-Spitzenpersonal früher bei BMW im Sold stand. Die "Entfesselung" (Modelhart) vom Ford-Diktat hat erstaunliche Kräfte frei gesetzt. Elf Modellreihen stehen für beide Marken jetzt in den Autohäusern, zwei weitere folgen in Kürze.
Mehr noch als Jaguar haben die Geländewagen von Land Rover profitiert. Selbst das technisch überholte Urgestein Defender hat zuletzt vier Prozent Zuwachs geschafft, beim Range Rover waren es 64 Prozent. Gleichzeitig verschieben sich die Gewichte der Märkte. Vor dem Eigentümer-Wechsel 2008 kamen 57 Prozent der Kunden von Jaguar und Land Rover aus dem Vereinigten Königreich und Rest-Europa, heute dagegen kommen 40 Prozent der Kunden aus China und Nordamerika. Zwar wurden 2013/14 Umsatzerlöse von 19,4 Milliarden britischen Pfund erzielt (rund 22,1 Mrd. Euro), doch allein in diesem Jahr sollen auch 3,5 Mrd. Pfund in neue Produkte und Technologien investiert werden.
Neues Motorenwerk vor Eröffnung
Läuft das Jahr 2014 weiterhin so gut für das Unternehmen, ist die Zahl von einer halben Million Fahrzeugen weltweit durchaus in Reichweite. Gleichzeitig mit der steigenden Nachfrage wuchs auch die Mitarbeiterzahl von seinerzeit etwa 12.000 auf mittlerweile rund 30.000 an den verschiedenen Standorten. Demnächst wird in Wolverhampton ein eigenes Motorenwerk in Betrieb genommen, das die bislang von Ford und PSA gewährleistete Versorgung mit Aggregaten übernehmen soll. Dort wird dann unter anderem die neue Motoren-Generation gefertigt, die den Großangriff Jaguars auf die Marken Audi, BMW und Mercedes befeuern soll.
In der Vergangenheit hat das Modell XF bereits ein wenig am Volumen des A6-, 5er- und E-Klasse-Absatzes geknabbert, wovon sich die Top 3 auf dem Markt der Business-Limousinen aber nicht aus der Ruhe bringen lassen mussten. Eine Klasse tiefer, wo die Stückzahlen und auch der Anteil der Privatkunden größer sind, könnte das Modell XE gut einschlagen. Im Juni 2015 soll es in Deutschland auf dem Markt kommen. Ihm liegt die gleiche Aluminium-Architektur zugrunde wie der Crossover-Studie C-X 17, die auf der letzten IAA in Frankfurt zu sehen war. Das große Geheimnis um Details dieses Autos will Jaguar erst am 8. September lüften. Zumindest ist zu hören, dass es, dank eines neuen Motors, beim Verbrauch die Vier-Liter-Marke unterbieten und so die Produktmanager von Audi A4, 3er BMW und Mercedes C-Klasse das Fürchten lehren soll.
Drei Modellfamilien bei Land Rover
Bis das Eintritt, haben Jaguar und Land Rover aber noch Hausaufgaben zu erledigen. Das weiß auch Peter Modelhart, wenn er von "Aufholbedarf bei Assistenzsystemen und Konnektivität" spricht. Seit Jahren kritisieren Autotester, dass die Navigations- und Entertainment-Systeme in den großen Jaguar-Limousinen und zum Beispiel im Range Rover in Bedienkomfort und Grafik-Qualität nicht mit den Fabrikaten mithalten können, denen sie eine Konkurrenz sein wollen. Künftig werden nicht nur neue Antriebe wie etwa Diesel-Hybrid-Motoren an Bord sein, verspricht der Geschäftsführer, sondern auch kamera- und sensorbasierte Sicherheitsfunktionen sowie Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten per Smartphone-App.
Bevor der Jaguar XE die Premium-Mittelklasse aufmischen soll, wird der Discovery Sport die schon jetzt kaum überschaubare SUV- und Geländewagen-Szenerie um ein weiteres Produkt bereichern. Er ist die Realisierung der bereits seit Jahren diskutierten siebensitzigen Version des Modells Freelander. Die Produkt-Positionierung der einzelnen Baureihen wird insofern modifiziert, dass künftig alle auf Robustheit und absolute Geländetauglichkeit ausgelegten Fahrzeuge unter dem Familiennamen Defender zusammengefasst, die zwischen Familien- und Expeditions-Gebrauch angesiedelten Discovery und die luxuriösen Range Rover heißen werden.
Die Modelle XE und Discovery Sport sind aber nur Vorgeplänkel einer gewaltigen Produkt-Offensive, die zwischen 2015 und 2020 ganze 50 Neuheiten in die Showrooms bringen soll. Das bedeutet, Urlaubszeit einmal angezogen, fünf Jahre lang jeden Monat eine Premiere. Wie viele davon tatsächlich neue Modell und wie viele Derivate sein werden, mag Peter Modelhart noch nicht verraten. Dass da einiges auf die Händler zukommen, ist aber schon abzusehen: Ihnen wird ab sofort ein neues, überall auf der Welt gleich aussehendes Outfit verordnet.
Quelle: ntv.de