Tokyo Motor Show mit Fragezeichen Kampf um die erste Reihe
01.12.2011, 17:59 Uhr
Die japanischen Autobauer litten unter den Folgen der Naturkatastrophe im Frühjahr. Nun wollen sie wieder durchstarten.
Ein selbstbewusster Aufbruch, ein Signal an den Weltmarkt wurde erwartet, doch nach Ansicht vieler Fachleute ist er im Ansatz stecken geblieben. Die Tokyo Motor Show droht in die zweite Reihe der internationalen Messe-Liga abzurutschen.
An diesem Wochenende öffnet die Tokyo Motor Show für das Publikum ihre Pforten. Die von Amts wegen optimistische Messeleitung erwartet rund 800.000 Besucher. Sollte das gelingen, wäre das deutlich mehr als die 614.000, die vor zwei Jahren registriert wurden - aber nicht annähernd so viele wie 2007. Damals kamen 1,43 Millionen Neugierige in die Messehallen.
Eine Reihe von Bremsklötzen verhinderte im Vorfeld, dass die Tokyo Motor Show Fahrt aufnimmt. 2010 war sie gänzlich abgesagt worden, dieses Frühjahr wurde Japan und damit auch seine Autoindustrie von schweren Naturkatastrophen heimgesucht. Etliche der acht führenden Autohersteller - Toyota, Nissan, Honda, Mitsubishi, Mazda, Suzuki, Subaru und Daihatsu - litten durch Beschädigungen ihrer Produktionsstätten oder Ausfall ihrer Zulieferer unter den Folgen. Nicht nur die Produktion stockte, auch der Verkauf, denn Zigtausende von Menschen, die Angehörige, Hab und Gut verloren hatten, hatten anderes im Kopf als den Kauf eines Neuwagens.
179 Marken zeigen ihre Produkte
Gleichzeitig stieg der Yen im Vergleich zu anderen internationalen Währungen auf ein historisches Hoch - für die exportorientierte Wirtschaft schlechte Voraussetzungen, denn sie verteuern die Produkte für ausländische Kunden. Hohe Steuern und technische Herausforderungen wie die Reduzierung der Verbräuche und die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebstechnologien kamen hinzu.
Gemessen an den vielfältigen Herausforderungen ist die 42. Tokyo Motor Show recht vorzeigbar ausgefallen, zumal mit den Hallen am "Big Sight" ein neues Domizil bezogen wurde. Erstmals nach 24 Jahren kehrte die Messe in die Stadt zurück, deren Namen sie trägt. Nach der Absage vieler europäischer Hersteller 2009 haben auch Volkswagen und Mercedes, BMW und Audi, Porsche, Jaguar und die drei französischen Marken Stellung bezogen. Mit 179 Marken aus zwölf Ländern fällt die Statistik besser aus, als vor zwei Jahren, als 129 Marken aus zehn Ländern dort waren.
Doch der Funke springt nicht über. Am deutlichsten wird das am Stand von Toyota, wo der sicher zuversichtlich gemeinte Slogan "ReBorn" selbst den Namenszug der Firma überstrahlt. Wo ein Feuerwerk an serienreifen Innovationen erwartet werden konnte, stellt das Coupé GT 86 die einzige wirkliche Premiere dar. Der Zweisitzer mit Boxermotor ist jedoch kein exklusives Produkt aus dem Hause Toyota, sondern eine Kooperation mit Subaru, die das gleiche Auto eine Halle weiter als Modell BRZ präsentieren. Ein schwarzer Keil, dessen Außenhaut als LCD-Display-Fläche ausgebildet ist und mit beliebigen Motiven bespielt werden kann, ist zwar als optischer Gag originell. Wie die Toyota-Schöpfung Fun-Vii aber als konzeptionelle Weiterentwicklung des Pkw-Prinzips verstanden werden kann, erschient zumindest schwer vermittelbar.
Irritationen und fehlende Funken
Wenn nicht irritierend, so wenigstens als Kennzeichen internationaler Ausrichtung wurde zur Kenntnis genommen, dass die zweitgrößte japanische Marke, Nissan, ihre Pressepräsentation durch den Chef des Hauses in englischer Sprache abhalten lies. Kurz nachdem Carlos Goshn seine abgasfreien und teilweise selbstparkenden Konzeptfahrzeuge (Pivo 3) vorgestellt hatte, hob gegenüber die Präsentation von Renault an. Der ur-französische Hersteller ist bekanntlich Teil des beide Marken umfassenden Konzerns. Dort allerdings wurden die Neuheiten in japanischer Sprache annonciert.
Zu den Eigenheiten der Tokyo Motor Show gehört es, dass außer den Pkw auch Nutzfahrzeuge wie Lkw und Reisebusse ihren Platz finden, dazu Motor- und andere Zweiräder. Mittendrin und locker eingestreut sind außerdem die kleinen Stände von Reifenherstellern und anderen Zulieferern, so dass Besucher mit gezieltem Interesse ihre Wünsche nicht in einer Halle konzentriert erleben können. Wer die Gelegenheit hat, sich in Genf, Frankfurt oder Detroit umzuschauen, dem mag dieses Konzept unlogisch erscheinen, zumal es dazu führt, dass zum Beispiel BMW und Mini in ihrer Halle keinen direkten Vergleich mit anderen deutschen Marken zu scheuen brauchen.
Wenige Meter zur Serienreife
Aus deutscher Sicht ist die Präsenz der Marken selbstbewusst und praxisnah. Statt sich in immer neuen Variationen überdachter Roller oder moderner Interpretationen einer Isetta zu verlieren, zeigten sie Modelle, deren Weg zur Serienreife erkennbar nur noch wenige Meter beträgt. Eine Trumpfkarte zog Volkswagen mit dem Cross Coupé Concept, das als praktische Umsetzung des markenübergreifenden, modularen Querbaukastens gilt. Daimler stellte mit einer Smart-Studie seine Kleinwagenkompetenz unter Beweis, die Hybrid-Version des 5er BMW wird schon im Januar für Testfahrer bereit stehen. Außerdem hatte BMW die beiden Elektro-Studien i3 und i8 mitgebracht, damit, wie ein Firmensprecher raunte, "die Japaner endlich glauben, dass wir diese Autos wirklich bauen".
Die Zahlen von 53 Welt- und 82 Japanpremieren erscheinen hoch genug für die Aufmerksamkeit der internationalem Presse, doch ob auch die Zuschauer sich in großer Zahl angelockt fühlen, muss sich noch erweisen. Dass es um langfristige Wirkung und die Behauptung einer Position im weltweiten Wettbewerb der Messen geht, weiß auch die Organisationsleitung. Um fürs nächste Mal den Herstellern gegenüber mit üppigen Besucherzahlen operieren zu können, wurden schon mal die Öffnungszeiten ausgedehnt. Zum Ende eines jeden Tages gibt es verbilligte Tickets. Das sollte, so die Hoffnung, schon einige zehntausend Besucher mehr bringen. Dass Tokyo als asiatische Leitmesse ihren Status an Peking oder Shanghai verliert, wäre aus Sicht der Japaner eine Katastrophe.
Quelle: ntv.de