Porsche startet mit fünf Cayenne Kanzel für Turbo-Piloten
21.04.2010, 08:00 UhrPorsche legt mit seinen fünf Cayenne-Varianten einen Massenstart hin. Aber auch bei einem Luxus-SUV fährt das Umweltgewissen mit: Der Hybrid ist daher von besondere Bedeutung.
Für Porsche-Verhältnisse wird das ein echter Massenstart: Noch nie zuvor hat der Stuttgarter Sportwagenhersteller ein neues Modell in fünf Versionen gleichzeitig vorgestellt. Die wichtigste Variante des neuen Cayenne ist freilich eine, die kaum mehr als zehn Prozent des Gesamtabsatzes ausmachen dürfte - der Hybrid.
Will Porsche künftig den Absatz im so wichtigen US-Markt auf einem einträglichen Niveau halten, braucht es den Hybrid - nicht nur für den Cayenne, sondern auch für die Sportlimousine Panamera. Sport-Utility-Vehicle (SUV) sind als Klimaschädlinge in Verruf gekommen, die Zwei-Tonnen-Plus-Klasse leidet weltweit unter Nachfrageproblemen. Eine Imageverbesserung scheint nur durch das Angebot des kombinierten Verbrennung-Elektro-Antriebs möglich, bei Porsche heißt er Cayenne S Hybrid.

Die Cayenne-Reihe feierte auf dem Genfer Autosalon im März 2010 seine Weltpremiere.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Technik ist weitgehend identisch mit den Aggregaten des jüngst vorgestellten VW Touareg Hybrid. Unterm Blech kommt darin eine weitere Konzernmarke zum Vorschein: Ein per Kompressor aufgeladener Sechszylinder-Motor, der aus der Audi-Entwicklung stammt. Er leistet für sich genommen 245 kW/333 PS und stellt ein maximales Drehmoment von 440 Newtonmetern bereit. Zusammen mit den 36 kW/47 PS des Elektromotors steht eine Systemleistung von 380 PS zu Buche, die Durchzugskraft ist mit 580 Newtonmetern angegeben.
Elektrogepäck zehrt Mindergewicht auf
So souverän das auf dem Datenblatt aussieht, so überraschend ist das in der Fahrpraxis. Die sehr leichtgängige, aber dennoch präzise Lenkung lässt das nicht grade geringe Fahrzeuggewicht von 2240 Kilogramm kaum spürbar werden. Gegenüber den konventionell angetriebenen Schwestermodellen schleppt der Hybrid immerhin 175 Kilogramm Batterie- und anderes Elektrogepäck mit sich herum. Kaum hörbar summend rollt das Fahrzeug an, erst wenn Beschleunigung abgefordert wird, schaltet sich der in Lauerstellung befindliche Sechszylinder dazu.
Tritt man das Gaspedal kräftig durch, ist es mit der Zurückhaltung vorbei. Dann dreht der Motor behände hoch, wobei man auf die überlegene Akustik eines V8 leider verzichten muss. Vielmehr kann auch die gute Dämpfung des Innenraums eine gewisse Anstrengung des Motors nicht verschleiern. Die Beschleunigung ist mit 6,5 Sekunden von Null auf 100 durchaus sportlich zu nennen und auch 242 km/h Endgeschwindigkeit auszukosten, wird ein seltenes Vergnügen bleiben. Der Benziner-Cayenne ohne Hybrid ist 0,6 Sekunden temperamentvoller und 16 Stundenkilometer schneller.

Links kann der Fahrer die aktive Ladung der Batterie verfolgen, rechts werden Navi-Hinweise gegeben.
Statt vermeintlich verlorener Zehntel oder fehlender Klangfülle nachzutrauen, freue man sich besser am zufrieden gestellten Umweltgewissen. Dies wird wach gehalten durch eine Reihe von animierten Grafiken, die auf dem zentralen Monitor des neu gestalteten Cockpits abzurufen sind. Einen besonderen Ehrgeiz beim Fahrer kann davon die "Zero-Emission-Anzeige" entfachen, die anhand von grünen Säulen die Zeit protokolliert, die das Fahrzeug abgasfrei unterwegs ist. Eine Eigenheit der Hybridfahrt ist das so genannte "Segeln", bei dem der Verbrenner komplett abgeschaltet und vom Antriebsstrang entkoppelt wird. Fortbewegung ohne das verzögernde Motorschleppmoment ist bis 156 km/h möglich. Eine zarte Bremswirkung bleibt dennoch spürbar, da die kinetische Energie des rollenden SUV natürlich zur Erzeugung von Strom genutzt wird.
Wuchtigen Auftritt gemindert
Obwohl der neue Cayenne fünf Zentimeter an Länge gewonnen hat, wirkt er insgesamt doch graziler - soweit ein 2,1-Tonnen-SUV überhaupt grazil sein kann. Die optische Täuschung gelang so perfekt, dass die neue Modellgeneration beim Auftauchen erster Erlkönig-Bilder irrtümlich für den so genannten "Baby-Cayenne" gehalten wurde, der von Porsche aber nie bestätigt wurde. Die etwas flachere Haube hat zwei längs verlaufende Sicken bekommen, der Lufteinlass ist trapezförmig gestaltet. Das Heck ebenfalls kompakter hat aber an Charakter verloren.
Gestalterisches Highlight ist das neue Innenraumdesign. Die Mittelkonsole steigt ähnlich dem Panamera jetzt steil in Fahrrichtung an, womit nicht nur der zentrale Monitor für den Blickkegel des Fahrers eine bessere Position bekommt, sondern auch das Wort "Cockpit" seiner ursprünglichen Bedeutung näher rückt. Wie in einer Flugzeugkanzel sind die vorderen Insassen nun von einer funktional abgestuften Ansammlung von Bedienelementen umgeben, beim Modell Turbo sind es beispielsweise 33 Tasten und Regler nur rund um den Automatikhebel.
Mit dem Hebel wird die achtstufige Tiptronic S bedient. Die Automatik ist eng verwandt mit dem im Audi A8 verwendeten ZF-Getriebe. Mühelos setzt sie die bei der 368 kW/500 PS starken Turboversion anstehenden 700 Newtonmeter Drehmoment in Schubkraft um, wobei der Motor von der drohend grollenden V8-Soundkulisse auf energisch fauchendes Verbrennungsgeräusch umschaltet. Die Schaltbox ist in der Lage in jede Richtung auch mal zwei Gänge zu überspringen und schaltet synchron mit starker Bremsverzögerung auch wieder in niedere Gänge zurück.
Automatik mit acht Gängen
Ist maximale Beschleunigung erforderlich, wird erst bei Passieren der 180 km/h-Marke in die vierte Stufe geschaltet. Falls gewünscht, kann die Bedienung manuell über Schaltpaddel erfolgen, deren Hebelweg bis zur Kontaktauslösung aber um einige Millimeter verkürzt werden sollte. Dank des um rund 180 Kilogramm geringeren Gewichts ist der neue Turbo im Sprint auf 100 km/h eine halbe Sekunde schneller als der Turbo S der vorangegangenen Generation, der sogar noch über 21 PS mehr verfügte.
Serienmäßig ist die Topversion mit 19 Zoll großen Leichtmetallfelgen ausgerüstet. Bei einem Testwagen mit 21-Zöllern kann man sportliche Härte auch im Komfort-Modus des elektronisch geregelten Fahrwerks spüren. Das rührt einerseits von der geringen Federwirkung der breiten Gummiwalzen her, andererseits auch von der größeren Aufstandsfläche, die am Lenkrad einen höheren Kraftaufwand erfordert als beispielsweise beim Hybrid. Bissfeste Keramik-Bremsscheiben sind auch für Turbo-Kunden nicht inklusive, sondern werden mit 8700 Euro extra berechnet.
Die Preise für den neuen Cayenne, dessen Marktstart für den 8. Mai vorgesehen ist, starten bei 55.431 Euro (V6 Version). Der Hybrid wird mit 78.636 Euro veranschlagt und das Topmodell Cayenne Turbo kostet mit 115.526 Euro mehr als das Doppelte des Einsteiger-Modells.
Quelle: ntv.de