Eltern zu nachlässig Kinder oft falsch angeschnallt
26.08.2003, 10:22 UhrZehn Jahre nach Einführung der generellen Sicherungspflicht für Kinder in Autos ziehen Experten eine negative Bilanz: "Immer noch sind zwei Drittel aller Kinder bei Fahrten im Auto nicht vorschriftsmäßig gesichert", sagt Professor Klaus Langwieder, Leiter des Verkehrstechnischen Instituts der Deutschen Versicherer, Abteilung Fahrzeugtechnik in München.
"Je älter die Kinder werden, desto nachlässiger werden die Eltern", beklagt der Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin, Klaus Brandenstein.
Professor Joachim Bennek, Direktor der Kinderklinik Leipzig, kann das bestätigen: "Die Hälfte der im Straßenverkehr verunglückten Kinder gehören in die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen. Die größte Gefahr für die Kinder sind die eigenen Eltern." Um tödliche Fehler künftig zu vermeiden, setzt die Automobilindustrie inzwischen verstärkt auf neue Befestigungssysteme für Kindersitze.
Nach Ansicht von Martin Kraft von der Deutschen Verkehrswacht in Meckenheim bei Bonn ist es oft schwierig, den richtigen Sitz für das entsprechende Kindesalter und den jeweiligen Wagentyp zu finden und einzubauen: "Wir gehen davon aus, dass Tausende Kindersitze falsch montiert sind, falsch genutzt werden oder gar kaputt sind." Eine Erhebung habe gezeigt, dass beim Kindersitz-Einbau oder bei der Sicherung des Kindes in zwei von drei Fällen Fehler gemacht werden.
Mit dem vereinfachten und einheitlichen Befestigungssystem Isofix, als Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Kindersitz, das in immer mehr Fahrzeugen serienmäßig eingebaut wird, sollen viele Probleme bald der Vergangenheit angehören: "Durch die genormte und einheitliche Steckverbindung wird eine feste Fixierung des Kindersitzes im Pkw ermöglicht, wodurch ein erhöhter Schutz für Kinder erreicht wird", erläutert Langwieder. Durch die Isofix-Mechanik, die aus zwei an der Kindersitzschale angebrachten Rastarmen mit Schnappverschlüssen besteht, ist der Sitz direkt in der Fahrzeugstruktur verankert.
Erste Praxisstudien mit Eltern haben Langwieder zufolge ergeben, dass mit Isofix nur in rund vier Prozent der Versuche Einbaufehler auftreten. Ohne das System seien es 60 bis 80 Prozent gewesen. Die Verkehrswacht appelliert daher auch an die Autobauer, bereits bei der Konstruktion Vorsorge zu treffen und das System zu installieren.
Nach Paragraf 21 der Straßenverkehrsordnung müssen Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr, die kleiner als 1,50 Meter sind, während der Fahrt gesichert werden. Das bloße Anlegen eines Gurtes wie bei Erwachsenen reicht allerdings nicht aus: Spezielle Rückhalteeinrichtungen - dem Alter und Gewicht des Kindes angepasst - sind Pflicht. Wer dies missachtet, dem droht ein Verwarnungsgeld oder Bußgeld mit Punkteeintrag in der Flensburger Verkehrssünderkartei.
Kommt es zu einem Unfall, fliegen nach Angaben von Bennek nicht oder ungenügend gesicherte Kinder wie ein Wurfgeschoss durch den Innenraum des Wagens. Sie können zudem aus dem Fahrzeug heraus auf die Fahrbahn geschleudert werden. "Ein Drittel der Kinder erleidet schwere Schädel-Hirn-Verletzungen, komplizierte, auch offene Knochenbrüche, innere Verletzungen und Wirbelsäulenschäden", sagt der Mediziner.
Das hohe Unfallrisiko belegen auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden: Bei insgesamt 41 253 Unfällen kamen im vergangenen Jahr 213 Kinder unter 15 Jahren ums Leben. Dennoch ist die Zahl der Todesfälle seit den siebziger Jahren stark rückläufig: 1980 starben noch 1159 Kinder bei 64 453 Unglücken.
"Möglich wurde dies durch eine verbesserte Technik im Fahrzeugbau, Schulungen für Autofahrer, besseren Straßenbau, konsequente Unfallrettung und gesetzlich vorgeschriebene Kinderrückhaltesysteme", sagt Wolfgang Steichele, Verkehrsstatistiker des ADAC in München. Aber bei der Aufklärungsarbeit gebe es noch Nachholbedarf. "Das Wissen und die Bereitschaft der Eltern, Kindersitze anzubringen, ist zu gering", so Martin Kraft von der Verkehrswacht. Dabei koste ein Kindersitz weniger als eine Sonderlackierung oder Leichtmetallfelgen.
Quelle: ntv.de