Russlands Autoindustrie rollt Lada überholt
03.09.2007, 15:40 UhrVor zehn Jahren kam der damalige Lada-Chef Wladimir Kadannikow mit einem überraschenden Angebot zur IAA nach Frankfurt. Opel könne gern die Mehrheit beim schwer angeschlagenen Lada-Hersteller Avtovaz übernehmen, sagte damals Russlands "Mr. Auto" vor der Messe in einem Interview. Ein Jahrzehnt später haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Nicht Opel kaufte sich bei Lada ein. Stattdessen kauft der Lada-Konkurrent GAZ, der Hersteller der einstigen Sowjetkarosse Wolga, offenbar bei der Opel-Mutter General Motors (GM).
Unbestätigten Berichten zufolge soll GAZ-Eigner Oleg Deripaska einen Anteil unterhalb der Mitteilungsschwelle von fünf Prozent an dem kriselnden US-Autoriesen erworben haben. Der Oligarch steuert Richtung Westen. Mit 15 Prozent stieg Deripaskas Industrieholding Basic Element im Mai beim kanadischen Autozulieferer Magna ein, der vor kurzem noch Chrysler übernehmen wollte.
Für das zum Verkauf stehende rumänische Werk der GM-Tochter Daewoo gab Deripaska im Mai ein unverbindliches Angebot ab. Auch an den Ford-Töchtern Volvo, Land Rover oder Jaguar soll der Russe interessiert sein. In Deutschland sorgte Russlands kremlnaher Aluminiumkönig zuletzt für Schlagzeilen, als er sich beim größten Baukonzern Hochtief einkaufte.
Autobau als nationale Aufgabe
Die russische Regierung hat die Wiedergeburt der Autoindustrie um den staatlichen Lada-Hersteller Avtovaz zur nationalen Aufgabe erhoben. Denn Russlands Autobauer kämpfen nach wie vor mit sinkenden Absatzzahlen. Zwar boomt der Pkw-Markt, doch in dem einst von Lada, Wolga und Moskwitsch dominierten Riesenreich ist der Absatz der russischen Hersteller im freien Fall. In den vergangenen zwei Jahren sank ihr Marktanteil von fast 60 auf unter 40 Prozent - Tendenz weiter sinkend. "Wir haben langfristig nur eine Überlebenschance, wenn wir Billigautos für die ganze Welt produzieren", sagt der Moskauer Fachjournalist Alexander Pikulenko.
Noch ist Lada mit jährlich 600.000 Autos zwar Marktführer, doch zusammen verkaufen Ford, Toyota und GM bereits mehr Autos in Russland als der Staatsbetrieb. Während der Lada-Absatz binnen Jahresfrist um acht Prozent einknickte, konnten die drei ausländischen Konzerne ihre Verkaufszahlen fast verdoppeln.
Reparieren lohnt nicht
Russlands Autobauer setzen weiter auf hoffnungslos veraltete Modelle, die jedoch einen Vorteil haben: Sie lassen sich auch von Laien relativ einfach reparieren. Aber selbst in Russland haben immer weniger Menschen Zeit und Lust, sich regelmäßig am Wochenende unter ihren Lada zu zwängen.
Reparaturdienste gibt es in Moskau zwar mehr als reichlich. Lada-Werkstätten sind mittlerweile aber ebenso schwer zu finden wie eine Rolle Lutschbonbons im vollgestopften Handschuhfach. "Russische Autos zu reparieren, lohnt sich finanziell nicht", erklärt ein auf Hyundai spezialisierter Werkstattbetreiber am Wernadski-Prospekt im Südwesten Moskaus.
Angelockt durch Steuervergünstigungen kommen immer mehr ausländische Autobauer mit eigenen Werken ins Land. Ford, Chevrolet (in Kooperation mit dem Geländewagenhersteller Niva), Hyundai und Renault freuen sich seit Jahren über steigende Absatzzahlen. Toyota, Nissan und Volkswagen werfen in diesem oder im nächsten Jahr die Produktionsbänder an.
Ende der Lada-Nostalgie
Im Ausland geriet Lada längst in Vergessenheit. In Deutschland, einst wichtigster Exportmarkt der Russen, ist der Marktanteil unter 0,1 Prozent gesunken. Dabei kletterte die Marke mit dem geschwungenen Segel auf dem Kühlergrill nach der Wiedervereinigung noch bundesweit auf über ein Prozent. Das lag vor allem an Lada-Nostalgikern in der ehemaligen DDR. 1993 brach der Absatz dann aber wegen russischer Lieferschwierigkeiten ein. Ein Großteil der Lada-Händler rettete sich zur neuen Konkurrenz aus Südkorea und flaggte auf Kia um.
Vor sieben Jahren hatte selbst Deripaska die heimische Autoproduktion bereits abgeschrieben. "Im Jahr 2000 war ich sicher, dass die russische Autoindustrie sterben wird", sagte der Milliardär kürzlich in einem Interview mit der Zeitung "Wedomosti".
Joint Ventures und zugekauftes Know-how aus dem Ausland sollen nun aber die Wende bringen. Im vergangenen Jahr sicherte sich Deripaska von Chrysler die Lizenz zum Bau der Limousine Sebring und des Schwestermodells Dodge Stratus - einschließlich der in Amerika abmontierten Produktionsanlagen. Spätestens 2008 sollen die Nachbauten unter russischem Namen im GAZ-Werk vom Band rollen und die legendäre Wolga-Limousine ersetzen.
Von Frank Johannsen, dpa-AFX und Stefan Voß, dpa
Quelle: ntv.de