Willkommen im Club der 300 Last-Katze im Rennmodus
30.05.2014, 15:38 Uhr
Geradezu harmlos sieht das Kätzchen aus. Aber wehe der XFR-S hört auf zu schnurren und beginnt zu brüllen.
Der Jaguar XFR hat in Deutschland schon einige Fans gefunden. Der Lademeister unter den Katzen parkt inzwischen sogar neben Audi. Mercedes und BMW. Doch jetzt holen die Briten mit dem XFR-S zum Schlag gegen AMG und Audi RS aus.
Jaguar und Kombi, das passte lange Zeit nicht wirklich zusammen. Vor allem, seit die damals zu Ford gehörende Traditionsfirma vor einem guten Dutzend Jahren mit einer kastigen Version des X-Types ihre Fans verschreckte. Dieser Koffer wurde auch deshalb zum Ladenhüter, weil er nichts anderes als ein verkleideter Ford Mondeo war. Immerhin dauerte es acht Jahren bis er wieder aus den Schaufenstern verschwand. Der zweite Anlauf einer Last-Katze klappte vor zwei Jahren dann ungleich besser, der geräumige XF Sportbrake macht mittlerweile gut die Hälfte alle Verkäufe des Jaguar-Bestsellers aus. Er fand mancherorts sogar Platz auf den reservierten Parkflächen von Dienstwagen und stellte sich dort keck neben ähnlich edle Kombis aus Süddeutschland.
Die Lust an der Unvernunft
Bei der Spitzenversion des fast fünf Meter langen Briten, die nächste Woche auf der Leipziger AMI ihre Premiere erlebt, werden die Fuhrparkmanager allerdings zusammenzucken. Schon die Eckwerte des XFR-S klingen ebenso aufregend wie beängstigend: Fünfliter-Achtzylinder mit Kompressor, 550 PS, 4,8 Sekunden auf Tempo 100, glatte 300 km/h Spitze, 680 Newtonmeter und das alles für 110.450 Euro. Ein Auto, das die Welt nicht wirklich braucht, das aber vielleicht die Herzen von waghalsigen Freiberuflern mit prallem Bankkonto höher schlagen lässt. Der Gepard unter den Jaguars ist die englische Antwort auf zwei deutsche Kraft-Kombis: den 557 PS starken E 63 AMG von Mercedes und den nochmal drei PS potenteren Audi RS 6 Avant. Wenn es um Unvernunft und zur Schau getragenen Überfluss geht, steht Jaguar also nicht alleine da. Im Gegensatz zu den Rivalen muss der Brite allerdings auf Allradantrieb verzichten.
Schon die Formensprache des Schnell-Transporters offenbart, dass hier kein braver Familienkombi unterwegs ist. Die acht Zylinder werden durch gleich vier edel vergitterte Fronteinlässe mit der nötigen Atemluft versorgt, die dem XFR-S in ihrer Summe schon optisch den Vorrang auf der linken Spur der Autobahn sichern sollen. Zwei weitere Öffnungen schmücken die langgestreckte Motorhaube. An den Flanken zieht sich ein U-förmiger, nach vorne offener Blechfalz von einem Radhaus zum anderen. Erkennungsmerkmale am Heck sind der Dachspoiler und der farblich abgesetzte Diffusor, der für eine bessere Luftströmung unter dem Fahrzeugboden sorgen soll.
Die Kombination macht den Reiz aus
Das Herzstück ist natürlich der Kompressor-Motor, der schon in mehreren Jaguar-Modellen eingesetzt wird. Wobei es durchaus überrascht, dass Jaguar ihn nun auch im Kombi anbietet. Denn der Fünftürer der XF-Reihe wird nur in Europa angeboten und bisher auch nur mit Dieseltriebwerken. Kombi und Diesel – da bekommen sowohl die US-Amerikaner als auch die Chinesen das Grausen. Und gerade in diese beiden Länder verkauft Jaguar die meisten seiner Autos.
Die ersten Testkilometer auf dem Nürburgring und den kurvigen Straßen rundherum bestätigen den Verdacht, dass es Jaguar beim Projekt "Kombi im 300er-Club" vor allem ums Prestige ging. Ein Auto mit dem Leistungsvermögen eines zweisitzigen Sportwagen, das einen fast zwei Meter langen Laderaum zu bieten hat, in den bis zu 1675 Liter passen. Die Antwort auf eine Frage, die eigentlich niemand ernsthaft gestellt hat. Aber zugegeben: Gerade diese schräge Kombination hat ihren Reiz - das Brüllen der Zylinder im Sportmodus, das per Knopfdruck noch verstärkt werden kann, die blitzschnellen Gangwechsel der Achtgang-Automatik, die gewaltig zupackenden Bremsen, die für normale Zeitgenossen geradezu atemberaubende Beschleunigung. Das alles macht den XFR-S aus, wenn man mal die Nüchternheit in den Hinterkopf verbannt.
Der Tankwart ist mein bester Freund
Das elektronisch geregelte Fahrwerk lässt im Zusammenspiel mit der hinteren Luftfederung vergessen, dass hier ein fast zwei Tonnen schweres Dickschiff um enge Kurven manövriert werden muss. Alles läuft leichtfüßig und souverän ab, weil nun mal eine riesige Pferdeherde unter der Haube auf Abruf zum Galopp bereitsteht. Die aber natürlich gefüttert werden will: Von 12,7 Litern auf 100 Kilometer ist laut Norm die Rede. Im der Praxis wird es wohl schwerfallen, unter der 20-Liter-Marke zu bleiben, wenn man auch nur einen Teil der lauernden Potenz dieses Auto erleben möchte. Niemand gibt soviel Geld aus, um dann Spritspar-Rekorde zu brechen.
Apropos Geld: Angesichts des Preises von 110.450 Euro ist der XFR-S auch entsprechend edel ausgestattet. Viele Feinheiten werden mitgeliefert, wie die elektrische Öffnung der großen Heckklappe, Ledersitze, Touchscreen-Monitor oder eine 380-Watt-Audioanlage. Die Verarbeitung ist bis ins Details liebevoll und gekonnt. Die Liste an lieferbaren Extras verlockt zu weiteren Investitionen. Auch wenn man die neueste Generation von Assistenzsystemen vergeblich sucht. Zwar gibt es Abstandsradar mit Notbremsfunktion oder einen Toten-Winkel-Sensor, aber um die Highlights der meist deutschen Rivalen macht der Jaguar derzeit noch einen großen Sprung. Auf LED-Licht, halbautomatisches Einparken, Online-Anbindung und einiges andere müssen künftige Kunden verzichten. Auch die Optik des Navigationssystems ist nicht auf dem Stand, den man in der Champions League eigentlich erwartet. Aber was: Den Fans der Raubtier-Marke wird's egal sein. Solange die Katze nicht das Sausen lässt.
Quelle: ntv.de