Auto

Im Nissan durch die Stadt gesäuselt Leaf stromert in Deutschland

Flüsterleise wird der Nissan Leaf nun auch in Deutschland durch die Straßen fahren.

Flüsterleise wird der Nissan Leaf nun auch in Deutschland durch die Straßen fahren.

Es gibt viele Vorurteile gegen Elektroautos: zu geringe Reichweite, viel zu hoher Preis. Die wird auch der Nissan Leaf nicht aus der Welt schaffen können. Dennoch räumt er mit der Mär auf, dass Stromer immer klein und unkomfortabel sein müssen. Und noch etwas: Er macht richtig Spaß.

Machen Sie doch mal ein typisches Autofahrgeräusch! Brumm, Brumm, Brumm, …. Richtig. So jedenfalls hören sich Benzin- und Dieselmotoren an. Nicht so der Nissan Leaf. Hier ist nur ein leises wwwwwiiiiiii zu hören, wenn der 1560 Kilogramm schwere Stromer mit seinem 80 kW/109 PS starken Elektromotor zum Spurt ansetzt. Aus dem Stand entwickelt er ein maximales Drehmoment von 280 Nm. Das entspricht in etwa dem Leistungsniveau eines 2,5-Liter-V6-Benzinmotors. Und tatsächlich beschleunigt der Leaf in nur 11,9 Sekunden auf 100 km/h. Eine beachtliche Leistung, die sich dank fehlender Übersetzungen eines konventionellen Getriebes blitzschnell auf die Vorderräder überträgt und einen kühnen Ampelstart zulässt. Wenn da nur nicht die Reichweite wäre.

Der im Chassis verbaute Akku sorgt für einen tiefen Schwerpunkt.

Der im Chassis verbaute Akku sorgt für einen tiefen Schwerpunkt.

Eine Akkuladung reicht für 175 Kilometer. Eine Distanz, die für einen Langstreckenfahrer unzumutbar erscheint. Gemessen an der Tatsache, dass in Deutschland 60 Prozent aller Autofahrer im Schnitt weniger als 50 Kilometer pro Tag zurücklegen, dann doch wieder ein durchaus akzeptabler Wert. Zumal weitere 25 Prozent der Kraftfahrer unter 100 Kilometer am Tag fahren. Für 85 Prozent könnte der Leaf also eine Alternative zu einem Benziner oder Diesel sein. Hinzu kommt, dass die Kilowattstunde wesentlich preiswerter ist als der Liter Treibstoff an der Zapfsäule. Das Netz entsprechender Ladestationen ist – wenigstens in Deutschlands Ballungsgebieten -  ausreichend. Nissan-Partner RWE hat seit 2009 rund 1050 Ladepunkte im Ruhrgebiet und in Berlin eingerichtet.

Es ist ein richtiges Auto

Das Wichtigste am Leaf ist aber, dass er sich wie ein "richtiges" Auto fährt. Durch die im Chassis verbaute Batterie erhält der Wagen einen sehr tiefen Schwerpunkt und liegt gut auf der Straße, die Lenkung ist leichtgängig, spricht präzise an, und die Federung ist komfortabel. Der Kofferraum erreicht mit 330 bis 680 Liter fast Klassenstandard und das Raumangebot im Fond ist erstaunlich.

Durch den in der Mittelkonsole befindlichen Fahrtrichtungsschalter, der an eine Computer-Maus erinnert, kann zwischen den Fahr-Modi D und Eco gewählt werden, wobei der Eco-Betrieb eine Reichweitenzunahme von zirka zehn Prozent erwirtschaftet. Eine im Stadtverkehr durchaus praktikable Einrichtung, die dem Fahrzeug aber nichts von seiner Spurtfreudigkeit nimmt, wenn man denn das Gaspedal mal bis zum Boden durchtritt.

Der knappe Drehknopf auf dem Mitteltunnel dient der Fahrtrichtungswahl oder zum Einlegen der Parksperre.

Der knappe Drehknopf auf dem Mitteltunnel dient der Fahrtrichtungswahl oder zum Einlegen der Parksperre.

Dank Rekuperation, also der Energierückgewinnung beim Bremsen, wird der Akku immer wieder mit Strom versorgt. Zwar nicht so, dass die Reichweite immens verlängert wird, aber dennoch spürbar. Allerdings hat diese Innovation einen Nachteil. Die Energierückgewinnung beim Bremsen sorgt für einen harten Eingriff der Verzögerungsanlage und bringt die Köpfe der Insassen zum Nicken, wenn sie undosiert eingesetzt wird.

Die Angst vorm Energieverlust

Ein buntes Leuchtdiodengewimmel in der Armatur erstattet präzise Bericht über Ladezustand, Reichweite und Energierückführung. Dabei wirkt die Informationsbeleuchtung in keinem Moment störend. Ein Gimmick ist die ECO-Anzeige neben dem Geschwindigkeitsmesser. Hier belohnen "wachsende" Bäume den Fahrer für seine ökologische Fahrweise. Wer sich trotz der Bepflanzung im Display nicht sicher ist, wie weit ihn der Stromer wohl noch tragen wird, kann sich auf dem Bildschirm des Navigationssystems den genauen Bewegungsradius anzeigen lassen.

"Wachsende" Bäumchen informieren den Fahrer über eine energiesparende Fahrweise.

"Wachsende" Bäumchen informieren den Fahrer über eine energiesparende Fahrweise.

Allerdings muss der Autor an dieser Stelle zugeben, dass er sich trotz all dieser optischen Sicherheitssysteme  - und immerhin drei gewachsener Bäumchen im Display - nicht traute, die geplante Teststrecke in Gänze zu fahren. Vielleicht ist er durch Benzinfahrzeuge zu sehr konditioniert. Als das Display die Reichweite auf nur noch 50 Kilometer limitierte, wurde schleunigst der Rückweg angetreten.

Denn eins ist Fakt: Bleibt man auf freier Strecke liegen, hilft beim Leaf  nur noch der Abschleppdienst. Zumal zusätzliche Energiefresser an Bord den Aktionsradius weiter verringern können, zum Beispiel Scheibenwischer oder Klimaanlage. Nicht ohne Grund signalisiert ein Hinweis im Display, dass das Ausschalten der Klimaanlage im aktuellen Fahrbetrieb zu 63 Kilometern mehr Reichweite führt.

Der ökologische Sinneswandel

Dabei macht die Fahrt in Nissans E-Auto wirklich Spaß. Wenn bei anderen Fahrzeugen vom Dröhnen die Rede ist, vom Nageln oder vom typischen Opel-Brummen, hört man im Leaf nichts. Lediglich die  Außengeräusche der Benzin- und Dieselkollegen rechts und links werden nach einiger Zeit als störend empfunden. Gerade bei der Geräuschdämmung hat Nissan einen Standard erreicht, der S-Klasse-Niveau hat. Das gilt vor allem für Wind- und Rollgeräusche. Selbst das Surren des Wischermotors wurde so gedämmt, dass es im Innenraum nicht mehr zu hören ist. Um sich nach außen Gehör zu verschaffen, stößt der elektrische Nissan kurze Pfeiftöne aus, solange er mit weniger als 30 km/h unterwegs ist. Das soll vor allem Fußgänger und Radfahrer vor dem Leisetreter schützen.

An einem Schnellladegerät und bei 400 Volt Spannung mit 125 Ampere Stromdauert der Ladevorgang nur 30 Minuten.

An einem Schnellladegerät und bei 400 Volt Spannung mit 125 Ampere Stromdauert der Ladevorgang nur 30 Minuten.

Erstaunlicherweise ändert sich mit dem Wagen auch die Einstellung des Fahrers. Dank der Gewissheit, dass man in einem durchaus ökologischen Auto durch die Stadt stromert, wird man plötzlich zum „grünen“ Fahrer, der die spritfressenden und die Umwelt verpestenden SUV-Fahrer verflucht. Ein durchaus überraschender Sinneswandel. Ist die Fahrt mangels Energie beendet, geht es an die Ladestation.

Die Befüllung der Lithium-Ionen-Batterie ist auf drei verschiedene Arten möglich: Mit der Hausladestation in der heimischen Garage dauert das komplette Aufladen acht Stunden; per Schnellladung und 50 kW Gleichstrom sind die Akkus in weniger als 30 Minuten zu 80 Prozent wieder voll. Das dem Leaf beigelegte EVSE-Kabel eignet sich zum Aufladen an der Steckdose. Um eventuelle Anschlussüberlastungen auszuschließen, wurde der Ladestrom hier auf zehn Ampere begrenzt. Ein kompletter Aufladevorgang würde mit diesem Kabel allerdings 12 bis 14 Stunden dauern. Alles nicht so schlimm, denkt der ökologische Autofahrer, die Nacht ist lang.

Der Preis ist heiß

Soweit, so gut. Wäre da nicht der Anschaffungspreis von 36.990 Euro. Für einen Mittelklassewagen – oder wie Nissan sagt, einen Wagen der C-Klasse – eine beachtliche Summe. Könnte man doch dafür locker einen Audi A4 2.0 TDI mit 130 kW/177 PS in der Premiumausstattung Ambiente bekommen. Der verbraucht 5,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer und schafft mit einer Tankfüllung bei gemäßigter Fahrweise gut 1000 Kilometer Wegstrecke. Doch das sind Planspiele, die im Moment wohl auch davon abhängen, wie weit der ökologische Gedanke bei jedem einzelnen ausgeprägt ist und wie prall der Geldbeutel gefüllt ist.

Das 4,45 Meter lange Fahrzeug beschleunigt in 11,3 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis auf maximal 140 km/h.

Das 4,45 Meter lange Fahrzeug beschleunigt in 11,3 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis auf maximal 140 km/h.

Schließlich hat der Leaf in puncto Komfort- und Sicherheitsausstattung einiges zu bieten.  Zur Serienausstattung gehören sechs Airbags, ein Navigationssystem mit Touchscreen und Rückfahrkamera, das elektronische Stabilitätsprogramm ESP, ABS plus Bremsassistent, LED-Hauptscheinwerfer, eine Klimaautomatik mit Zeitsteuerung, Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung und Intelligent Key, elektrisch anklappbare und beheizbare Außenspiegel sowie elektrische Fensterheber vorn und hinten.

Ein ambitioniertes Auto

Nissans Leaf ist ein durchaus ambitioniertes Fahrzeug und gemessen an den Verkaufszahlen weltweit nicht ohne Erfolg. Seit Herbst 2010 verkauften die Japaner 24.000 Einheiten und haben damit das meistverkaufte Elektroauto am Start. Natürlich vorrangig in den Ländern, die das Projekt Elektromobilität subventionieren. Deutschland gehört bis dato nicht dazu. 50.000 Fahrzeuge will Nissan in diesem Jahr verkaufen. Wie der sich angesichts des strammen Preises gestalten wird, bleibt abzuwarten.

Eins ist allerdings Fakt: Die Ölressourcen sind endlich und die Vorgaben der Bundesregierung bezüglich kommender Emissionswerte werden strenger. Bis 2020 sollen sie auf 95 g/km CO2 heruntergefahren werden. Früher oder später wird also am Elektroauto kein Weg vorbeiführen. Sollte dann irgendwann die Lithium-Luft-Batterie kommen, die sich auch wieder aufladen lässt, werden Reichweiten bis zu 800 Kilometern mit einer Akkuladung möglich sein. Wann es soweit ist, lässt sich im Moment nicht abschätzen, aber Nissan, inzwischen der größte Batterieproduzent der Welt, könnte dann ganz vorne sein. Nicht zuletzt, weil die Japaner die Batterietechnologie zu ihrer Kernkompetenz erklärt haben.

Quelle: ntv.de

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