Maranello: eine Stadt sieht rot Mekka der Ferraristi
11.07.2008, 07:00 UhrEs liegt eine entspannte Zufriedenheit über Maranello in diesen Tagen. Wenn Ferrari gewinnt, herrscht in der mittelitalienischen Motorportmetropole geruhsame Entspannung. Erst recht bei einer solchen Dominanz, wie sie in dieser Formel-1-Saison zu beobachten ist. Man fühlt sich dort angekommen, wo man hingehört: An der Spitze der Motorsport-Welt. Auch wenn das letzte Rennen in Silverstone nicht ganz den gewohnten Erfolg brachte, verspricht 2008 ein gutes Jahr für die Roten zu werden.
Maranello und Ferrari ist eine Symbiose aus Motorsport, Automobilbau und dem Charme einer norditalienischen Industriestadt. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Nirgendwo sonst auf der Erde liegen industrielle Auto-Produktion und High-Speed-Fanatismus so nahe beieinander. Maranello ist und lebt Ferrari.
Im Stadtzentrum von Maranello ist Rot denn auch die dominante Farbe und Ferrari an fast jeder Ecke zu entdecken. Cafs hissen die rote Flagge, Fan-Shops sind mit Devotionalien der Sportwagen und aus der Formel 1 vollgepackt. Frauen und Männer in roter Kleidung prägen das Stadtbild. Ferrari ist Identifikation und Sinnstiftung zugleich in einer Region, die weder vom Tourismus noch von sonstiger Großindustrie profitieren kann.
Geboren aus dem Motorsport
Begonnen hat alles vor dem Zweiten Weltkrieg mit einem Mann, der als Rennfahrer zwar durchaus begabt, aber eben nicht so talentiert war wie andere. Dieser Enzo Ferrari beschloss 1929, vom Cockpit in die Boxengasse zu wechseln. Er gründete mit der Scuderia Ferrari das Herzstück des heutigen Unternehmens. Ferrari ist wahrscheinlich der einzige Autokonzern weltweit, der originär aus dem Motorsport entstanden ist. Am Anfang stand das Team, dann kam der Konzern.
Zunächst bestritt die Scuderia mit Alfa Romeos ihre Rennen, doch Enzo Ferrari wollte damals schon mehr. 1938 wechselte er an die Spitze des Alfa-Corse-Teams. Es wurde nur eine kurze Episode. Schon ein Jahr später gründete er die "Auto Avio Costruzioni Ferrari". Allerdings hatte Alfa ihm für eine Zeit von vier Jahren verboten, Autos unter seinem Namen zu bauen. So lieferte er Flugzeugteile, bauten Werkzeugmaschinen und vertrieb Schleifmaschinen. Auch an den ersten Rennwagen wurde getüftelt und es entstand der Ferrari 815, ein 8-Zylinder-Spider mit 1500 Kubikzentimeter. Das erste Rennen bestritt der 815 bei der Mille Miglia im Jahr 1940.
Produktion für Mussolinis Größenwahn
Der Krieg machte weitere Planungen ohnehin zunichte. Ferrari musste, wie andere Firmen auch, Kriegsgerät für Mussolinis Größenwahn bauen. 1943 zog die Fabrik von Modena nach Maranello um. Zweimal wurde die Fabrik bombardiert, zuletzt 1945. Nach Kriegsende begannen die Arbeiten am ersten, richtigen Ferrari für den Rennsport. Der 125 Sport debütierte im Jahr 1947 auf der Rennstrecke von Piacenza und holte im selben Jahr beim Grand Prix in Rom den ersten Sieg. Mehr als 5000 Rennsiege sollten diesem Triumph folgen, davon bis heute 196 Grand-Prix-Siege in der Formel 1.
Doch der Konzern kann nicht nur auf Erfolgsgeschichte zurückblicken. Mehrmals standen die Italiener vor dem Aus. Anfang der sechziger Jahre verlor Ferrari den Thron der Sportwagen an Fords GT40. Ein herber Schlag für ein Unternehmen, dessen Maxime schlicht darin besteht, die besten Sportwagen der Welt zu bauen. Kurz darauf kam ein Übernahmeangebot der Amerikaner. Aber der italienische Nationalstolz ließ einen Verkauf an Ausländer nicht zu. Ferrari wehrte sich nach Kräften. Es wurde jedoch immer klarer, dass das Unternehmen auf lange Sicht nicht alleine überleben konnte. 1969 brachte Fiat die "italienische Lösung" und übernahm die Sportwagenschmiede. Der Einstieg brachte Ferrari das dringend benötigte Geld für die Entwicklung neuer Modelle.
Schwierigkeiten in den USA
In den frühen siebziger Jahren brach der Absatz in den USA, einem der wichtigsten Märkte von Ferrari, aufgrund strengerer Abgas- und Sicherheitsvorschriften geradezu ein. Hinzu kam die erste Ölkrise, die ohnehin teuren Sportwagen nahezu unerschwinglich machte. Das Unternehmen dümpelte in der Verlustzone, bis der Firmengründer, Enzo Ferrari, im Jahr 1988 starb. Das traurige Ereignis brachte einen Absatzschub für die Roten. Der Mythos Ferrari war geboren und wird seitdem in Maranello tatkräftig am Leben gehalten.
Den Durchbruch brachte, wie könnte es anders sein, der Motorsport. Als 1996 ein gewisser Michael Schumacher als frischgebackener Weltmeister zu Ferrari wechselte, war der Aufwärtstrend besiegelt. Mehr als 25 Jahre hatte die Marke fast ein Schattendasein im Motorsport gefristet. Nach Jahren des Streits und Serien von Misserfolgen verpflichtete Ferrari 1994 den Teamleiter Jean Todt. Der Franzose räumte tüchtig auf und bereits 1995 konnte Gerhard Berger nach langer Zeit wieder einen Grand-Prix-Sieg in Hockenheim feiern. Doch erst die Verpflichtung des Ausnahmefahrers Schumacher brachte das Team wieder in Reichweite des Titels. 1997 bis 1999 verpasste Ferrari den Fahrertitel nur knapp. Den Konstrukteurstitel konnten die Roten 1999 zum ersten Mal seit 1983 wieder nach Maranello holen. Die endgültige Krönung erfolgte im Jahr 2000, als Schumacher den ersten Fahrertitel seit 21 Jahren holte.
Automobilbau gänzlich in Eigenproduktion
Der Autokonzern Ferrari ist ebenso eine Besonderheit wie der Rennstall. Daran änderte auch der Einstieg von Fiat und eine Aufstockung der Beteiligung auf 90 Prozent im Jahr 1988 kaum etwas. Die Marke mit dem Pferd entwickelt eigenständig, entwirft die Motoren, baut und lackiert Karosserien und fertigt die Inneneinrichtung selbst. Ein Ferrari entsteht nahezu zu hundert Prozent an einem Standort, lediglich die Karosserien werden am Standort Modena gebaut, gefertigt, lackiert und montiert wird in Maranello.
Auf den rund 520.000 Quadratmetern am Standort Maranello wird auch kräftigt investiert und modernisiert. Ferrari ist ein profitables Unternehmen geworden. In 2007 machte der Konzern einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro und verdiente 266 Millionen Euro. Zurzeit entsteht eine neue Kantine für die Ferrari-Mitarbeiter. Die Motorenfabrik ist gerade erneuert worden und an der neuen Halle für die zwei Montagelinien wird noch gebaut.
Motorenbau für Maserati
40 der 70 Motoren, die täglich in Maranello produziert werden, gehen übrigens an Maserati. Auch wenn die Marke mit dem Trident 2005 Ferraris direktem Regime wieder entzogen wurde, sind die Verknüpfungen noch eng. Auch rund 40 Karosserien von Maserati verlassen täglich die neugebaute Lackiererei. Zwar untersteht Maserati heute wieder direkt dem Regime von Fiat, doch man hat keine Sorge, die Aufträge zu verlieren. Sollte es so kommen, fühlt man sich bei Ferrari ausreichend stark, die Produktionskapazitäten zu füllen. Kein Wunder bei zwölf Monaten Wartezeit für ein 8-Zylinder-Modell und 24 Monaten für einen 12-Zylinder.
Dass es sich vom Mythos gut leben lässt, zeigen auch die allgegenwärtigen Ferrari-Stores. Die gibt es nicht nur in Maranello, sondern auch in anderen Großstädten wie Berlin, New York und seit kurzem auch Shanghai. Überhaupt, so erklärt Carlo Tazzioli, ein Ferrari-Insider und langjähriger Deutschland-Chef des Konzerns, sind die Märkte in Asien und Russland die Zukunft des Unternehmens. "Sollte Fiat mal die Produktionskapazitäten für Maserati aus Maranello abziehen, dann können die sehr gut für die Asien-Produktion genutzt werden." Dort liegen die künftigen großen Märkte für die Roten.
So sieht die Zukunft für die Roten derzeit sehr gut aus. Die Verdienste stimmen und, fast noch wichtiger, die Erfolge in der Formel 1 zeigen Ferrari an der Spitze der Motorsportwelt. Enzo Ferrari wäre hoch erfreut über die Roten in 2008.
Quelle: ntv.de