Ausfahrt im BMW M5 Mit Druck auf Effizienz getrimmt
26.09.2011, 09:56 Uhr
Seitliche Kiemen sind noch das auffälligste Merkmal des neuen Top-Modells aus der 5er-Reihe.
(Foto: n-tv.de/Busse)
Warum auch bei Hochleistungs-Limousinen weniger mehr sein kann, zeigt BMW mit dem neuen M5. Weniger Zylinder und Hubraum und doch mehr Leistung und Fahrspaß lautet das Versprechen, für das Betuchte gern einen sechsstelligen Betrag ausgeben.
Was für andere die Buchstaben "R" oder "S" sind, ist für BMW das "M". Es steht für Motorsport und ist Erkennungsmerkmal einer Tochterfirma, in der 1972 die Motorsport-Aktivitäten der bayerischen Marke zusammen gefasst wurden. Nur in der Z4-Baureihe und beim 7er wird derzeit keine angeschärfte "M"-Variante angeboten. Mit dem neuen M5 verwirklichen die Ingenieure ihre Vision vom rundstrecken-tauglichen Komfort-Viertürer.
Gegenüber der vorigen Generation hat der M5 10 Prozent Leistung gewonnen, aber 30 Prozent Verbrauch eingebüßt.
(Foto: n-tv.de/Busse)
Der Vorgänger, den immerhin rund 20.000 Kunden weltweit bestellten, war keineswegs untermotorisiert. 507 PS - per Power-Taste abrufbar - wurden in einem Zehnzylinder-Kraftwerk unter enormer Drehzahl zubereitet. Das war nicht immer wirtschaftlich, zumal die Versuchung, diese Kraft von der Leine zu lassen, immens groß war. Von fünf Litern Hubraum wurde jetzt auf 4,4 aus acht Zylindern umgestellt. Der Motor findet in ähnlicher Bauweise bereits im X5/X6 und im 6er Coupé Verwendung, beim M5 sind zusätzlich eine Benzin-Direkteinspritzung und die variable Ventilsteuerung Valvetronic am Werk.
Nun regiert die Zwangsbeatmung
Drehzahl allein - beim Vorgänger waren es bis zu 8250 U/min - ist nicht mehr Quelle des ungestümen Vorwärtsdrangs, nun machen auch noch zwei Turbolader ordentlich Druck. Bis zu 1,1 bar genau gesagt, die komprimierte Verbrennungsluft sorgt am Ende für 560 PS Leistung. Das ist fast doppelt so viel, wie der erste M5 im Jahr 1984 hatte. Der Verzicht auf das so genannte Hochdrehzahlkonzept bedeutet freilich nicht, dass der Treibsatz der gemütlichen Rotation frönt. Erst bei 7.200 Touren beginnt im Drehzahlmesser jene Einfärbung, die gemeinhin für Warnung und Hitze steht.
Die Abkehr vom Saugmotor war nicht risikofrei. Sportlich orientierte Kunden schätzen am frei atmenden Autoaggregat die spontane Reaktion auf Gaszufuhr, die im Idealfall von explosivem Tempozuwachs begleitet wird. Die zwangsbeatmete Maschine kämpft seit ihrer Erfindung mit dem so genannten "Turbo-Loch", das durch die Tatsache entsteht, dass erst einmal genügend Abgas an die Turbine strömen muss, bevor auf der anderen Seite der Welle die Verbrennungsluft komprimiert werden kann. Walter Röhrl hat seine frühen Erfahrungen mit dem Turbo einmal so beschrieben: "Da musstest du vor der Kurve Gas geben, damit du ausgangs genügend Schub hattest".
Wenn es im neuen M5 überhaupt ein Problem gibt, dann ist es gewiss nicht mangelnder Schub. Schon ab 1500 Umdrehungen steht das volle Drehmoment von 680 Newtonmeter zur Verfügung. Nicht nur, dass dies eine Größenordnung ist, wie sie noch vor wenigen Jahren ausschließlich Lkw-Motoren vorbehalten war, sondern auch die Tatsache, dass diese Durchzugskraft linear bis 5750 Umdrehungen genutzt werden kann, machen die Fahrt in der großen M-Limousine so einzigartig. Begleitet wird die Freisetzung dieser Schubkraft von einem energischen Bollern der zweiflutigen Abgasanlage. Die mündet traditionsgemäß in vier Endrohren, die röhren. Kleiner Schönheitsfehler: Wer den Klanggenuss der Acht-Topf-Sinfonie allzu oft hören will, kann den EU-Normverbrauch ohne Anstrengung um 50 Prozent übertreffen.
Unter "zehn" eher selten
Der ist nämlich mit 9,9 Litern je 100 Kilometer berechnet, was für ein Auto dieser Leistungsklasse ein beeindruckender Wert ist. Realistisch sind, bei nicht allzu sportlicher Fahrweise, 12 bis 12,5 Liter. Das mag manchem unzeitgemäß erscheinen, ist aber in Relation zur Leistung und zur erwarteten Stückzahl (etwa drei bis fünf Prozent Baureihenanteil) vertretbar. Um den Kunden mit ausgeprägtem Spieltrieb das allzu häufige Anlaufen der Zapfsäule zu ersparen, hat BMW die Menge des mitzuführenden Super-Benzins von 70 auf 80 Liter erhöht.
Immerhin kann der zwischen Rennparcours und Business-Meeting hin- und hergerissene M5-Fahrer auf die neueste Spritspartechnik verweisen, die überhaupt einen Normverbrauch unter zehn Litern ermöglicht: Die Start-Stopp-Automatik, die vor Ampeln und im Stau die Kraftstoffvernichtung unterbricht. Auf Effizienz getrimmt ist nicht zuletzt das siebengängige Doppelkupplungs-Getriebe, das schon ab der vierten Fahrstufe eine Übersetzung von 1,3 oder länger bietet und so für gemütliches cruisen ideale Voraussetzungen liefert.
Zwar bieten das von sänftenartig bis knochenhart einstellbare Fahrwerk und das hohe Komfortniveau in der Kabine handfeste Reize, sich auf ein unspektakuläres Dahingleiten einzulassen, doch das ist es eigentlich nicht, was man im M5 tun sollte. Vielmehr ist es die konzentrierte Suche nach der Haftungsgrenze für die fast 300 mm breiten Hinterachsen-Walzen, die das fahren im M5 so erstrebenswert macht. Außer den Dämpfern und der Gaspedal-Kennlinie kann auch die Lenkung von komfortabel bis messerscharf griffig eingestellt werden. Wer dann noch freies Geläuf mit großzügigen Auslaufzonen vor sich hat, nimmt am besten das wulstige Lederlenkrad fest in die Hand und gibt der Nervosität im rechten Fußgelenk nach.
Ausgewogen im freien Geläuf
Großes Kino, sowohl längs- wie querdynamisch, steht einem bevor, wobei es schon einiger Übung bedarf, das Heck wirklich um die Vertikalachse driften zu lassen. Das stufenweise abschaltbare ESP bietet Netz und doppelten Boden für weniger Geübte, die Bockbeinigkeit und Eigendynamik des äußerst spitz ausgelegten Vorgängers ist passé. Perfekt ausbalanciert, nur mit rüden Gasstößen überhaupt an den Rand des Regelbereichs zu bringen, bietet der M5 auf der Rundstrecke jene appetitliche Melange aus Sportlichkeit und Ausgewogenheit, die zu Zeiten des Vorgängers rund 20.000 Kunden weltweit ermuntert hat, ihre Schatullen zu öffnen. Für den aktuellen Vertreter der M5-Familie sind übrigens 102.700 Euro bereit zu stellen. In den meisten Fällen werden es deutlich mehr sein, denn an kostenpflichtigen Sonderausstattungen fehlt es nicht.
Eine davon kostet mehr als 3000 Euro und besteht aus technischer wie pädagogischer Leistung. Mit der Anhebung der Höchstgeschwindigkeit aus 305 km/h ist die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Fahrertraining verbunden. Rund 40 Prozent der Kunden gönnen sich dieses Extra, bei dem es nicht nur um die Beherrschung der PS, sondern vor allem auch um das Erleben von Verkehrssituationen eklatanter Tempounterschiede geht. Die technisch mögliche Spitzengeschwindigkeit ist allerdings auch mit dem neuen Limit noch nicht in Reichweite. Die dürfte etwa bei 330 km/h liegen.
Quelle: ntv.de