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Erster Porsche ohne Weckfunktion Neuer Panamera kommt als Leisetreter

Trotz mehr als drei Meter Radstand eine harmonische gestylte Erscheinung: der Panamera Executive.

Trotz mehr als drei Meter Radstand eine harmonische gestylte Erscheinung: der Panamera Executive.

(Foto: Axel F. Busse)

Porsche sieht sich dort, und viele Kunden sehen es ähnlich: Die Zuffenhausener sind an der Spitze des Fortschritts. Jetzt bringt die Sportwagenschmiede die erste Luxus-Limousine, die sich einen Teil ihre Kraft an der Steckdose holt. Der Panamera S E-Hybrid fährt bis zu 35 Kilometer komplett abgasfrei.

Die Hecklappe wurde neu gestaltet und mit einem außen liegenden Öffnungsknopf versehen.

Die Hecklappe wurde neu gestaltet und mit einem außen liegenden Öffnungsknopf versehen.

(Foto: Axel F. Busse)

Schnell und teuer sind wohl die gebräuchlichsten Attribute, die Produkten aus dem Hause Porsche zugeschrieben werden. Dass auch eine ganze Reihe von Innovationen, die andere erst sehr viel später brachten, im Entwicklungszentrum in Weissach entstanden, wird da schon mal übersehen. Turbo-Benzinmotoren mit variabler Turbinengeometrie gehören ebenso dazu wie das erste Automatik-Getriebe mit Start-Stopp-Funktion. Der erste Viertürer der Luxusklasse, der sich den Strom für seinen Hybrid-Antrieb an der Steckdose holen kann, kommt jetzt hinzu.

 Die Hybrid-Ausgabe des Cayenne zum Beispiel konnte das noch nicht. Das SUV füllt seinen Akku nur durch Fahren mit Verbrennungsmotor wieder auf. Die Weiterentwicklung des dort verwendeten Systems führt zu folgenden Leistungsdaten für den Panamera S E-Hybrid: Mit 70 kW oder 95 PS steuert der Elektromotor fast doppelt so viel Leistung bei wie beim Vorgängermodell. Die verwendete Lithium-Ionen-Batterie hat mit 9,4 kWh fast den fünffachen Energiegehalt wie der bisherige Nickel-Metallhydrid-Speicher. Das Lithium-Ionen-Paket, das die Eigenart hat, nicht nur Strom, sondern auch Wärme in reichem Maße abzugeben, ist an den Wasser-Kühlkreislauf des Verbrennungsmotors angeschlossen.

3,4 Liter auf 100 km – nach Standardmessung

Grüne Balken symbolisieren die verbrauchsarme Fahrweise im E-Hybrid.

Grüne Balken symbolisieren die verbrauchsarme Fahrweise im E-Hybrid.

(Foto: Axel F. Busse)

Die Messmethode des Neuen Europäischen Fahr-Zyklus (NEFZ) ist dafür verantwortlich, dass Plug-In-Hybriden mit teils beachtlichen Verbrauchswerten aufwarten können. Die rund zwei Tonnen schwere Limousine Panamera – allein die Hybrid-Technik bringt zusätzliche 270 Kilo ins Fahrzeug – kommt demnach auf einen Mittelwert von 3,1 Litern Super auf 100 Kilometer. Das ist zwar verblüffend, aber nicht wirklich ein Wunder. Nutzt man die Fähigkeit aus, mehr als 35 km rein elektrisch fahren zu können, kommt auf 100 Kilometer hochgerechnet eben kein höherer Verbrauch heraus. Dank 416 PS kombinierter Systemleistung kann der E-Hybrid, falls nötig, aber auch 270 km/h schnell fahren. Bei dieser Testfahrt zeigte der Bordcomputer auf einer ca. 30 km langen Verbrauchsrunde mit Berg- und Tal-Passagen 3,4 Liter Durchschnittsverbrauch an.

Man mag die Abwesenheit eines kraftvollen Motorgeräuschs beim Start bedauern, ganz zweifellos jedoch ist der Panamera S E-Hybrid ein Segen für verkehrsberuhigte Wohngebiete, wo man ohne jemanden zu wecken auch mitten in der Nacht seine Fahrt antreten kann. Die Testfahrt mit dem Plug-In-Porsche belegte aber nicht nur die Kompetenz des Herstellers und den Fortschritt in der Hybrid-Technik, sondern auch die Schwierigkeit, die unter einem Blech vereinigten Antriebsarten harmonisch zu synchronisieren und aufeinander abzustimmen. Vor allem im Grenzbereich zwischen elektrischer und konventioneller Fortbewegung sind Verzögerungen von winzigen Augenblicken, leichtes Ruckeln und Geräusche wahrnehmbar, die entstehen, wenn die Sensoren mit der Steuerungselektronik aushandeln, wie die aktuelle Leistungsanforderung des Fahrers denn nun am effektivsten zu beantworten ist.

Strippen-Porsche: So wird der E-Hybrid per Kabel nachgeladen.

Strippen-Porsche: So wird der E-Hybrid per Kabel nachgeladen.

(Foto: Axel F. Busse)

Ein kraftvoller und markenkonformer Antritt gehört ebenso zur Wahrheit über den E-Hybrid wie die Selbstverständlichkeit, dass im Schubbetrieb und beim Bremsen der Akku stets nachgeladen wird. Entsprechende Displays halten die Insassen über elektrische Reichweite, Ladezustand, Energiefluss und CO2-Abgabe kontinuierlich auf dem Laufenden. Wer die enge Verbindung zwischen der Jackentasche und Garage schätzt, kann über sein Smartphone verschiedene Funktionen abfragen und steuern, wie etwa das Vorheizen des Fahrzeugs an kalten Wintertagen. Mit 110.409 Euro Bruttopreis in Deutschland steht der Panamera S E-Hybrid aber erst an sechster Stelle des Preis-Rankings.

Höchste zeit für eine Langversion

Ganz oben rangiert das Modell Turbo-Executive mit 163.364 Euro. Die fast 5,17 Meter lange Luxuskarosse wirkt trotz des Zugewinns an Länge erstaunlich harmonisch und ausgewogen. "Aus China kam eine deutliche Nachfrage nach einer Version mit verlängerten Radstand", gibt Baureihenleiter Dr. Gernot Döllner unumwunden zu. Nirgends auf der Welt werden so viele Panameras gekauft, wie im Reich der Mitte. In einem geräumigen Fond zu sitzen und sich chauffieren zu lassen, ist ein derart bedeutendes Status-Signal dort, dass selbst Mittelklasseautos wie ein 3er BMW oder ein Audi A4 mit verlängertem Radstand gekauft werden. Weil sich die anderen Premium-Marken längst auf diese Kundenvorliebe eingestellt haben, wurde es für Porsche höchst Zeit, den Mangel eines Autos mit drei Metern Radstand im Modellprogramm zu beheben.

Hier kann man sich strecken: Fond im Modell Turbo Executive.

Hier kann man sich strecken: Fond im Modell Turbo Executive.

(Foto: Axel F. Busse)

Die Version "Executive" ist für die Modelle 4S und Turbo verfügbar. Ganze 15 Zentimeter mehr Platz ist zwischen den Achsen, ein Raum, der in China wie der Unterschied zwischen Wanderarbeiter und Top-Manager empfunden wird. Letztere dürften künftig noch größeren Reiz verspüren, sich ein Exemplar der deutschen Sportwagenmarke anzueignen, auch wenn ihnen der Mythos des 911ers völlig wurscht ist. Und obwohl ein bevorstehender Modellwechsel normaler Weise die Nachfrage nach einem Modell eher dämpft, segelt Porsches Limousine weiter in kräftigem Aufwind: In den ersten fünf Monaten 2013 wurden weltweit gut ein Fünftel mehr Panameras verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Der V8-Saugmotor ist obsolet

So lange der Wohlstand blüht in der Welt, braucht man sich also um die Zuffenhausener Edelschmiede keine Sorgen zu machen. Und die gute Konjunktur macht die Verantwortlichen mutig. Im Unterschied zur früheren Praxis, die verschiedenen Modelle und Motorisierungen häppchenweise und wohl dosiert auf den Markt zu bringen, gibt es jetzt alle bisherigen sportlichen Viertürer auf einmal – Hecktriebler und Allradler, Diesel und Turbo-Benziner. Das bisher neun Varianten umfassenden Portfolio wird nun um den Plug-In-Hybrid auf zehn erhöht. Die Neulinge zeigen zarte kosmetische Veränderungen wie etwa veränderte Lufteinlässe an der Front, eine neue Scheinwerfergrafik, eine Abrisskante am Heck und eine neue Heckklappe mit Außendruckknopf zum Öffnen.

Der im "Executive" auf 3,07 Metern gewachsene Radstand erlaubte es den Ingenieuren, die hintere Sitzanlage neu zu positionieren und geringfügig vorzurücken. So soll den begüterten, mitunter auch betagten Passagieren Ein- und Ausstieg erleichtert werden. Das Raumgefühl hinten ist tatsächlich enorm und es könnte vereinzelt zu Konflikten zwischen den Wünschen nach Selbstfahren und gefahren werden kommen. Bleiben wird es auf alle Fälle bei zwei Einzelsitzen hinten, nach einem fünften Platz im Panamera gibt es laut Gernot Döllner keine Nachfrage.

Der V8-Saugmotor im Panamera ist Geschichte. Natürlich steht auch Porsche unter der Kuratel der EU-Verbrauchswächter, weshalb jede Durst mindernde Maßnahme umgesetzt werden muss. Ein doppelt aufgeladener V6-Motor tritt die Nachfolge des bulligen 4,8-Liter-Aggregats an. Was Achtzylinder-Fans besonders empören dürfte: Der V6 bietet trotz des erheblichen Hubraum-Rückstands mehr Leistung (420 statt 400 PS), mehr Drehmoment (520 statt 500 Newtonmeter) bei weniger Drehzahl (6000 statt 6500). Im Schnitt soll er mit 8,7 Litern je 100 Kilometer auskommen, was 18 Prozent weniger Verbrauch bedeutet. Das Ergebnis einer flotten Autobahn-Testfahrt nahe München, bei der die 200 km/h-Marke nicht selten überschritten wurde: 10,1 Liter. Die einzige Disziplin, bei der dieser Drei-Liter-Motor nicht mithalten kann, ist die Akustik. Aber für bekennende Sound-Fetischisten gibt es ja immer noch den Panamera Turbo – für 145.990 Euro.

Quelle: ntv.de

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