Moskau International Automobil Salon PS-Arien in der Mega-Stau-Stadt
03.09.2012, 16:27 Uhr
Die Corvette-Studie mit dem Traditionsnamen Stingray gibt einen Ausblick auf die siebte Modellgeneration.
(Foto: Axel F. Busse)
Wer das Crocus Expo Gelände am Stadtrand von Moskau aufsucht, fragt sich zwangsläufig, ob die dort gezeigten Modelle wirklich eine Zukunft in dieser Stadt haben. Chronisch verstopfte Straßen kennzeichnen den Verkehr in der russischen Metropole. Der Begeisterung des Publikums beim Automobilsalon tut das keinen Abbruch.
Während auf anderen Auto-Salons stets aufs Neue darüber räsoniert wird, wie "grün" denn die Messe eigentlich sei, wer das interessanteste Hybrid- oder Elektrokonzept hat, wird in Moskau noch unbekümmert den PS- und Hubraumgötzen gehuldigt. Die Veredler von ebenso leistungs- wie preisintensiven Fahrzeugen protzen mit großflächigen Ständen, bei Firmen wie Brabus, Mansory oder Startech scheinen Vokabeln wie "downsizing" oder "CO2-Bilanz" noch so gut wie unbekannt. Auch Audi hat zu dieser Schwerpunktsetzung etwas beizutragen – einen Q7 V12 TDI hat man schon lange nicht mehr auf irgendwelchen Auto-Schauen gesehen. Bentley hält mit dem 329 km/h schnellen GT Speed dagegen.
Zwölf Zylinder und fünf bis sechs Liter Hubraum mögen als Mobilitätshilfe für Oligarchen ganz verlockend klingen, jedoch unterscheidet sich der russische Markt in der Wahl des bevorzugten Kraftstoffs erheblich von zentral-europäischen Gepflogenheiten. Selbstzünder spielen allenfalls eine Nebenrolle, bei Benzinpreisen von umgerechnet etwa 70 Cent je Liter ist der Ottomotor noch immer die bestimmende Kraftquelle straßengebundener Fortbewegung. Bei diesen Kosten lässt sich die PS-Arie in der Stau-Stadt aus voller Brust singen.
Kunden heiß auf frischen Mokka

Stille Drohung aus dem Hintergrund: Chevrolet-Modelle hinter Opels RAK-Studie.
(Foto: Axel F. Busse)
Weitere Besonderheit: Fünftürer, wie sie in Europa fast jede Marke vom Kleinwagen bis zur Mittelklasse-Limousine anbietet, sind in Russland nicht sonderlich beliebt. Die klassische Limousine im so genannten 3-Box-Design liegt der tiefen russischen Seele deutlich näher. Die Hersteller tragen dem mit spezifischen Angeboten Rechnung. So zum Beispiel Opel. Die Rüsselsheimer stellen in Moskau als zweite Weltpremiere neben dem Mazda 6 die Stufenheck-Variante des Astra vor, während in Deutschland bereits das Facelift des "ewigen Zweiten" vorbereitet wird.
Opel wäre gern mehr als ein Anhängsel von General Motors und lässt selbstbewusst mitteilen, dass sie "ihr Potenzial in Russland stärker nutzen" wollen. "Unsere Marke erzielt in Russland überdurchschnittliche Wachstumsraten. Wir wachsen derzeit doppelt so schnell wie der Markt", sagt Alfred E. Rieck, Vorstand Verkauf, Marketing und Aftersales. Ob GM langfristig damit einverstanden ist, wird sich zeigen, denn mit der Marke Chevrolet haben die Amerikaner eigene Ambitionen im größten Land der Welt.
Zumindest für Zuversicht gibt es bei Opel reichlich Anlass: Das neue Schrumpf-SUV Mokka scheint den Geschmack der Kunden zu treffen. Schon vor der offiziellen Händlerpremiere Anfang Oktober liegen für das Auto europaweit mehr als 25.000 Bestellungen vor. Besonders hoch ist die Nachfrage bislang in Deutschland, Großbritannien, Italien und Russland, teilen die Rüsselsheimer mit. Auch in Moskau wird das Auto stolz präsentiert.
High-Heels und nackte Haut

In so einem BMW-Renner stellt man sich einen fetten V8, aber keinen Elektromotor vor.
(Foto: Axel F. Busse)
Der Salon an der Moskwa bietet noch mehr Besonderheiten als die Beschränkung auf einige wenige Neuheiten: Während anderswo wieder die technischen Kompetenzen der Hersteller in den Mittelpunkt gerückt werden und die unvermeidlichen Hostessen auf dem Stand eher dezent gekleidet werden, sind die Röcke in Moskau stets ein bisschen kürzer und die Absätze ein bisschen höher als zum Beispiel bei den Messen in Los Angeles, Tokio oder Peking. Nimmt man die sichtbaren Quadratzentimeter Haut zum Maßstab, manövrierten sich die Mädels bei Mitsubishi klar in die Pole Position – und lenkten damit erfolgreich von der Tatsache ab, dass der japanische Hersteller zum Thema Autofahren nichts wirklich Überraschendes beizutragen hatte.
Unfair wäre die Behauptung, dass die umweltgerechte Fortbewegung in Moskau keine Rolle spielte. Doch wie in anderer Hinsicht auch, spiegelt die Show bei der Elektromobilität Extreme wider. BMW hat die Spyder-Version seines Elektro-Sportwagens i8 Concept aufgefahren, der Sportwagen-Leistungen ohne schlechtes Öko-Gewissen verspricht. Ein paar Meter weiter ringt ein kleiner Lada um Aufmerksamkeit, der ebenfalls abgasfrei fährt. Der Kleinwagen basiert auf dem aktuellen Modell Kalina. Laut Hersteller soll er mit einer Batterieladung – für die etwa acht Stunden Ladezeit benötigt werden – maximal 150 Kilometer weit kommen. Die erzielbare Höchstgeschwindigkeit beträgt 130 km/h.
Zwar auch mit Batterieantrieb, aber mit geringen Chancen auf Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgestattet ist der "e-bugster" von Volkswagen. Der zum offenen Zweisitzer mutierte Beetle tingelt schon seit einigen Jahren über die Auto-Messen der Welt und hält den Eindruck frisch, Volkswagen sei ein innovativer Konzern.
Der Stand auf dem Autosalon mag nicht viel Spannendes vermitteln, zukunftsweisende Fakten werden derweil in Kaluga, rund 170 Kilometer südwestlich von Moskau, geschaffen: Dort entsteht ein neues VW-Motorenwerk, teilte das Unternehmen diese Woche mit, für das rund 250 Millionen Euro investiert werden. Ab dem Jahr 2015 sollen jährlich bis zu 150.000 Aggregate der modernen Motorengeneration EA 211 produziert werden.
Quelle: ntv.de