Es gibt mehr als den Golf VII VW überrascht in Paris
27.09.2012, 08:03 Uhr
Der Volkswagen-Konzern wartete in Paris mit etlichen Neuigkeiten auf. Unter anderem wurde der Porsche Sport Turismo präsentiert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Show vor der Show hat bei Volkswagen mittlerweile Tradition: Am Vorabend des großen internationalen Autosalons präsentiert der Wolfsburger Konzern seine Neuigkeiten. Gestern Abend in Paris reüssierten zwei ausgewiesene Sportmarken.
Auf 150 Märkten weltweit verkauft Volkswagen seine Produkte, die mehr als 240 Modelle umfassen. Allein in Europa sind 390.000 Menschen bei dem Unternehmen beschäftigt. Gebieter über dieses Riesen-Unternehmen ist Martin Winterkorn. In Paris verkündete er, was nicht für alle 1500 Gäste überraschend klang: Die Plug-In-Hybrid-Technik sei ein "vielversprechender Ansatz". Der Konzern werde in den nächsten Jahren außer Volkswagen- auch Audi und Porsche-Modelle mit der Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor anbieten. Der ewige Konkurrent Toyota hätte allen Grund, zu dieser Einsicht zu applaudieren. Die Japaner haben diese Autos, die an der heimischen Steckdose aufgeladen werden können, schon seit einiger Zeit auf dem Markt.
Im Westen gibt's neues
Wer bei der großen Inszenierung in der Halle Freysinnet auf echte Neuigkeiten wartete, wurde nicht enttäuscht. Den Reigen, der auf inzwischen zwölf Konzernmarken angewachsenen Mobilitäts-Angebote eröffnete Porsche mit einem Paukenschlag. Als Konzeptstudie vorgestellt, aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf Realisierung, zeigten die Zuffenhausener den Panamera Sport Turismo. Der Viertürer hat nicht nur ein flacheres Dach als die etwas rundliche Limousine, sondern sieht auch wesentlich eleganter aus. Wäre der Name nicht schon von Mercedes besetzt, würde man ihn wohl Shooting Brake heißen.
Wem das Panamera-Design bisher zu klobig erschien und sich deshalb nicht recht zum Kauf entschließen konnte, dürfte in dem Konzept-Fahrzeug sein wahres Objekt der Begierde finden. Vorstandschef Matthias Müller erklärte, dass auch beim Antrieb neue Wege beschritten werden sollen. Mit "eHybrid" wird Porsche seine künftigen Modelle benennen, die steckdosen-tauglich sind. Sollte der Sport Turismo in Serie gehen, wofür allerhand spricht, wird auch das Innenraumkonzept eine bisher von Porsche nicht gekannte Ästhetik zum Ausdruck bringen.
Bentley speckt ab, Seat erfreut die Herzen
Bentley dagegen wird nicht noch luxuriöser, sondern wirft massiv Speck ab. Mit der Rückkehr in den Motorsport komme man einem immer wieder gehörten Kundenwunsch nach. Die Traditionsmarke, die sechsmal Le Mans gewann, baut einen eigenen Rennwagen. Er soll in der Hülle eines Continental GT, aber nur mit halb soviel Gewicht, die Konkurrenz das Fürchten lehren. Dabei gehe es, wie zu hören war, nicht darum, Rennwagen für betuchte Privatfahrer nach dem bewährten Porsche-Modell des "Kundensports" vorzuhalten, sondern in der Gruppe GT3 mit einem Werksteam anzutreten.
Was Rupert Stadler (Audi) und James Muir (Seat) zu präsentieren hatten, war das weit näher an der Serie. Der A3 Sportback ist die Fünftürer-Variante des neuen Kompakten, zwei weitere Karosserieformen sind noch geplant. Laut Stadler will Audi in Premium-Segment "die Führungsposition herausfahren". Dass dabei verstärkt auf die Konnektivität des Autos, also seine uneingeschränkte Vernetzung mit Internet-Diensten, besonderer Wert gelegt wird, versteht sich fast von selbst. Bei Seat soll der neue Leon ein "Eckpfeiler der Produktstrategie" sein. Mit "emotionalem Design und außergewöhnlicher Qualität", so Muir, sei man auf dem besten Wege bei den Kunden "Herz und Verstand zu erfreuen". Dass mancher Beobachter im Leon einen Zwilling des Opel Astra erkannte, mag daran liegen, dass gelungenes Design nicht beliebig oft zu vervielfältigen ist.
Ebenfalls neu auf dem Pariser VW-Konzernabend war der Auftritt von Zweirädern. Seit die italienische Motorrad-Schmiede Ducati unters Audi-Dach geschlüpft ist und so mit zu dem von Last- bis Kleinwagen reichenden Markenkonglomerat gehört, sind auch Biker potenzielle VW-Kunden. Mit 1200 Kubikzentimetern Hubraum haben die Motorräder allerdings inzwischen einen größeren Motor als zum Beispiel der VW "Up!".
Weniger Pomp am VW-Stand
Ständigen Besuchern der Volkswagen-Messeauftakte fiel auf, dass der Anteil spektakulärer Show-Elemente abnahm, weniger Choreografie und Akrobatik, die die Modellpräsentationen begleiteten. Volkswagen scheint es verstärkt darum zu gehen, nicht nur als Produzent von perlmuttschimmernden Karosserieteilen und kraftstrotzenden Hochleistungscoupés wahrgenommen zu werden. Vielmehr ist es ein Anliegen der Konzernlenker, sich als Arbeitgeber mit gesellschaftspolitischer Verantwortung darzustellen.
Als Premiere bei einem Konzernabend kamen deshalb auch zwei Auszubildende auf der Bühne zu Wort. Eine junge Spanierin und ein kaum älterer portugiesischer Berufsanfänger schilderten ihre Eindrücke von der Arbeit. Volkswagen versucht derzeit, das in Deutschland bewährte dualen System aus schulischer rund betrieblicher Ausbildung zu einem Exportartikel zu machen. In Spanien zum Beispiel ist die Hälfte der 16 bis 30-jährigen arbeitslos. Die dortigen, aber auch die deutschen Werke haben ein wachsendes Interesse an qualifizierten Nachwuchskräften.
Dass das wichtigste Auto des Konzerns, der Golf, an diesem Abend nur eine Nebenrolle spielte, war indes keine Überraschung. Mit großem Brimborium hatte VW die siebte Generation vor nicht einmal vier Wochen in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert. Die dreitürige Variante als Blue-Motion-Modell soll laut Martin Winterkorn "ein echtes Dreiliter-Auto" sein. Als bestes Rezept für sein Unternehmen, die gegenwärtige europäische Krise zu meisten, sieht er, "die richtigen Fahrzeuge zur richtigen Zeit am richtigen Ort" anzubieten.
Quelle: ntv.de