Volkswagen pimpt den Kleinen Polo bleibt Polo, aber mit Golf-Würze
16.04.2014, 09:27 Uhr
Nein, geländetauglich ist der neue Cross Polo nicht, aber auf der Wiese und in der Stadt macht der Wolfsburger eine echt gute Figur.
(Foto: Holger Preiss)
Der VW Polo ist ein Bestseller. In seiner fünften Auflage darf er sich aus den Regalen des großen Bruders Golf bedienen und punktet mit neuen Assistenzsystemen. Noch wichtiger aber sind die neuen Dreizylindermotoren, von denen aber nicht jeder zu empfehlen ist.
Man muss schon zweimal hinschauen, um die Veränderungen am neuen Polo zu erkennen.
(Foto: Holger Preiss)
Es gibt den Polo inzwischen seit 39 Jahren. In dieser Zeit hat Volkswagen immerhin 14 Millionen des Kleinwagens weltweit verkauft. Allein im vergangenen Jahr entschieden sich 721.000 Käufer für den Wolfsburger. Jetzt schickt VW die fünfte Generation des Bestsellers an den Start. Zur Präsentation des neuen Polo fand sich sogar VW-Chef Martin Winterkorn ein. Wichtig sei ihm der Polo, sagte er. Schließlich habe der 2007 durch Walter Maria da Silva gezeichnete und technisch von Ulrich Hackenberg verantwortete Polo nach einer Durststrecke des VW-Konzerns dazu beigetragen, dass es in Wolfsburg wieder aufwärtsging.
Auch 2014 hat da Silva die Form des Polo bestimmt. Zum Vorgänger hat sich optisch nur wenig verändert. Es sind mehr Retuschen, als dass hier von einer Designrevolution gesprochen werden könnte. Wer genau hinschaut, der wird die Veränderungen an der Front vor allem an den neuen Stoßfängern erkennen, die mit größeren Lufteinlässen aufwarten. Und er wird die Chromspange wahrnehmen, die die Nebelscheinwerfer verbindet. Ansonsten bleiben die Änderungen marginal. Aber auch das weiß Winterkorn zu begründen: "Das Design des Polo ist ikonenhaft. Da konnten wir kaum etwas besser machen." Punkten will der Wolfsburger vor allem durch das, was man ihm unter das Blech gezaubert hat. Neue Assistenzsysteme, die bis dato der Kompakt- und Oberklasse vorbehalten waren, ein neues Infotainmentsystem, von dem noch zu reden sein wird, und neue Motoren, die allesamt die EU-6-Norm erfüllen.
Dreizylinder bestimmen den Vortrieb
Bereits in der Einstiegsmotorisierung, dem 1,0-Liter-Dreizylinder mit 60 PS, der schon den Up vorantreibt, ist die Multikollisionsbremse verbaut, die bei einem Auffahrunfall eine Notbremsung einleitet, um weitere Unfälle zu vermeiden. Das City-Notbremssystem und die automatische Distanzregelung ACC gibt es jetzt auch für den Polo. Die müssen aber über alle Ausstattungslinien mit 290 Euro extra bezahlt werden. Ein kleiner Aufpreis, wenn man bedenkt, dass der eben schon erwähnte 1,0 MPI mit 12.450 Euro einsteigt.
Allerdings stellt sich die Frage, ob der kleine Benziner mit Fünfganggetriebe und schmalen 95 Newtonmetern Drehmoment die richtige Wahl ist. Klar kann man auch mit dem Winzling vorankommen, aber Überholvorgänge sollten vorausschauend geplant werden, denn selbst wenn der Fahrer voll aufs Gas steigt, wird der eine gute Tonne wiegende Wolfsburger nicht nach vorne katapultiert. Noch gemächlicher dürfte sich der Polo voranschrauben, wenn der 280 Liter fassende Kofferraum gefüllt und sich zwei Erwachsene, aber bitte nur über kurze Strecken, die Bank im Fond teilen. Wer jetzt viel schaltet, um doch etwas Druck aufzubauen, der ist schnell vom Idealwert der 5,0 Liter auf 100 Kilometer entfernt. Auf einer ersten Runde genehmigte sich der Dreizylinder im Schnitt 5,2 Liter Super.
Spritziger, tonal ausgewogener und sogar sparsamer präsentierte sich der 1,0 Liter MPI mit 75 PS. Erinnert er doch an die glorreichen Zeiten des 1,4-Liter-Benziners, der seinerzeit im Golf III verbaut wurde. Wer will, kann ihm die Kante geben und tatsächlich einen Funken Leistung herauskitzeln. Die Spitze liegt bei 173 km/h und der Sprint von 0 auf Tempo 100 gelingt in 9,5 Sekunden. Einerseits kann man das Triebwerk auch im fünften Gang durch den Stadtverkehr schaukeln, wobei bei einem beherzten Tritt auf das Gaspedal immer noch eine spürbare Leistungsentfaltung stattfindet. Andererseits war der Durchschnittsverbrauch mit 5,0 Litern auf einer ersten Testfahrt geringer als bei dem 60 PS-Motörchen. Der Einstiegspreis liegt bei 13.250 Euro.
Wesentlich knurriger und nicht ganz ohne Vibrationen geht der neue Vollaluminium-Dreizylinder mit 1,4 Liter Hubraum und 90 PS zu Werk. Den gibt es erst ab der Ausstattungslinie Comfortline. Kostenpunkt hier: 17.800 Euro. Zu den Dreizylinder-Benzinern ein ordentlicher Sprung. Dafür erfreut der Diesel mit 230 Newtonmetern Drehmoment und einem exzellenten Durchschnittsverbrauch von nur 4,4 Litern. Und hier ist nicht die Rede von dem im Datenblatt angegebenen Wert, sondern einem erfahrenen. Ärgerlich ist hingegen die Kopplung an eine Fünfgangschaltung. Die ist sehr lang übersetzt und auf der Autobahn würde man sich Stufe sechs wünschen. Angemerkt sei, dass außer dem 110 PS leistenden TSI und dem TDI Bluemotion alle Polo-Handschalter lediglich mit einem Fünfganggetriebe verbandelt sind. Mehr Schaltstufen gibt es nur, wenn man sich für das leichtfüßig arbeitende 7-Gang-DSG entscheidet, bei dem die Schaltwechsel selbstredend automatisch vollzogen werden. Auf welches der Triebwerke die Wahl fällt, ist natürlich nutzungs- und geschmacksabhängig. Insgesamt stehen ab Marktstart acht Motorisierungen mit einer Leistungsbreite von 60 bis 110 PS zur Wahl.
Die Polo-Ausreißer
Perspektivisch wird es in diesem Jahr auch noch einen Polo Blue GT mit Zylinderabschaltung, einen GTI mit 192 PS und eine von der R-GmbH verschärfte Variante geben. Für Sportfreunde, die nicht warten wollen, hat VW schon mal ein Feature aufgelegt, das Rennstrecken-Feeling in den Kleinwagen bringen soll. Für die Motorisierungen ab 90 PS bieten die Wolfsburger ein Sport-Select-Fahrwerk. Hier kann per Knopfdruck die Härte der Dämpfer von Normal auf Sport gestellt werden. Wow, denkt der eine oder andere, ein Novum in dieser Klasse. Ja, aber mal ehrlich: Das Wow gäbe es nur, wenn man von einem WRC Polo mit 220 PS sprechen würde. In den Standardmodellen sorgt die Taste weniger für Sportlichkeit als vielmehr für knallharte Rumpligkeit. Da die sich nicht durch Fahrleistungen untermauern lässt, können die 380 Euro für den Select-Schalter durchaus gespart werden. Denn auch ohne die Straffung zieht der Polo, der jetzt mit einer elektromechanischen Lenkung ausgerüstet ist, sauber ums Eck. Hinzu kommt, dass die Dämpfung in Serie wesentlich angenehmer und für das Leistungsvolumen ausreichend ist.
Wer vom Start weg aus dem Polo-Einerlei ausbrechen möchte, der kann sich bereits jetzt für den Cross Polo entscheiden, den Polo für den "Urban Jungle", wie es VW nennt. Und tatsächlich punktet der in SUV-Optik verblendete Kleinwagen mit schicken Details: silbern abgesetzter Unterfahrschutz an Front und Heck, schwarze Abdeckungen an den Radläufen, Silber lackierte Außenspiegel. Auch die 17-Zoll-Felgen sind neu und sehen schick aus. Die Sportsitze sind eine Empfehlung und auch das neue Kombiinstrument in "Tubenoptik" und mit Chromapplikationen, die es auch für alle anderen Modellvarianten gibt, stehen dem Cross Polo gut. Genauso wie das optional zu ordernde Multifunktionslenkrad mit in Klavierlack eingefassten Speichen. Zum Marktstart gibt es für den Cross Polo zwei Benziner und zwei Diesel mit einem Leistungsspektrum von 90 bis 110 PS. Preislich geht es hier ab 18.425 Euro los.
Der Polo-App-Traum
Aber selbstverständlich will VW auch mit technischen Innovationen in Richtung Konnectivität punkten. Deshalb kann in Verbindung mit den Infotainmentsystemen "Composition Media" und "Discover Media" optional der MirrorLink für 170 Euro extra an Bord geholt werden. Die Idee ist super: Auf dem Smartphone angezeigte Inhalte, also Mails, Anrufe und natürlich Apps, können auf dem 6,5-Zoll-Farbdisplay gespiegelt und darüber bedient werden. Leider, und das ist die Krux an diesem System, funktioniert es vorläufig nur für Android-basierte Geräte. Wer also ein iPhone koppeln möchte, hat Pech. Da spiegelt sich gar nichts, das Display bleibt schwarz. Auf Nachfrage hieß es: Apple hätte sein Betriebssystem iOS nicht freigegeben. Kann sein, denn schließlich basteln die US-Amerikaner gerade an ihrem CarPlay, das Ende des Jahres erstmals in Mercedes C-Klasse verfügbar sein soll.
Angesichts des Umstandes, dass die Gemeinde der Android-Nutzer größer ist, wäre der Umstand zu verschmerzen. Aber auch für die gibt es nicht das volle Programm. Denn wenn eine App durch die Programmierer, respektive die Anbieter, nicht zertifiziert ist, dann wird sie zwar dargestellt, lässt sich aber über den Touchscreen im Fahrzeug nicht bedienen. Na gut, denkt der bedarfte Smartphone-User, Angry Birds kann man eh nicht während der Fahrt spielen. Richtig, das wäre Quatsch. Aber zum Beispiel wäre es großartig, wenn man Google Maps nutzen könnte. Teure Navis müssten nicht mehr gekauft werden. Upgrades gehörten der Vergangenheit an. Leider zu früh gefreut. Google Maps gehört auch zu den Apps, die nicht zertifiziert sind. Ergo geht sie nicht. Schade. Auch viele andere Smartphone-Standards wie Whatsapp und Facebook sind nicht zu bedienen. Hier muss unbedingt nachjustiert werden.
Ansonsten ist der Polo das, was er schon immer war: ein souveränes Auto im Kleinwagensegment. Ihn als Alternative zum Golf zu sehen, scheint etwas weit hergeholt. Natürlich durfte sich der kleine Bruder mit vollen Händen aus den Regalen bedienen und für ihn sind Sicherheitsstysteme verfügbar, die es so in dieser Klasse noch nicht gab. Natürlich ist die Verarbeitung sehr gut, die benutzten Materialien wertig und die Motoren sparsam und dank erfüllter EU-6-Norm eine Investition in die Zukunft. Aber ein Golf ist der Polo damit noch nicht. Er ist ein Polo. Und letztlich soll das auch so sein.
Quelle: ntv.de