Listenpreis oft Makulatur Rabattschlacht beim Auto
08.07.2004, 15:34 UhrDie andauernde Flaute auf dem deutschen Automarkt macht die Listenpreise der Hersteller zu Makulatur. Tageszulassungen, Prämien für die Rücknahme von alten Fahrzeugen oder kostenlose Zugaben wie etwa Klimaanlagen gehören zum Alltag. Ohne Schnäppchen-Angebote lassen sich immer weniger Deutsche zum Kauf eines Autos hinreißen. Experten warnen inzwischen vor amerikanischen Verhältnissen.
Beispiel Tageszulassungen: Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes haben die vorübergehenden Anmeldungen im vergangenen Jahr um acht Prozent zugelegt. Das Prinzip ist einfach, erklärt der Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen, Ferdinand Dudenhöffer. Hersteller zahlen den Händlern für eine vorübergehende Zulassung zum Beispiel 2000 Euro. Das Modell steht dann in der Zulassungsstatistik besser da und der Händler gibt dem Kunden auf den formal gebrauchten Wagen kräftige Abschläge vom Listenpreis.
Fast jedes 20. Auto wird inzwischen so verkauft - mit großen Unterschieden bei einzelnen Herstellern: Bei Renault-Fahrzeugen lag die Quote der Kurzzulassungen 2003 bei stattlichen 23,8 Prozent. Beim deutschen Marktführer Volkswagen waren es zwar nur 3,9 Prozent - allerdings deutlich mehr als die 1,6 Prozent im Vorjahr. Für den Käufer ist ein fast Neuer aber nur ein wirkliches Schnäppchen, wenn er den Wagen mehr als drei Jahre fährt: Sonst wirkt sich die Tageszulassung zu sehr negativ beim Wiederverkaufspreis aus, sagt Dudenhöffer. Außerdem gilt: Autos von Hersteller mit vielen Rabatten haben einen geringeren Wiederverkaufswert, als Wagen von Firmen wie etwa Porsche, die Rabatte offiziell ablehnen.
Die Hersteller versuchen, den Absatz auch mit einer ganzen Reihe von Sonderaktionen anzukurbeln. Beim neuen Golf hat Marktführer Volkswagen zum Beispiel drei Programme zur Absatzförderung am laufen, die zusammen einem Preisnachlass von 18,4 Prozent entsprechen, sagt Dudenhöffer. Beim Opel Astra, der Nummer zwei auf dem deutschen Markt, liege der Rabatt bei einem Sonderleasing-Angebot bei 8,6 Prozent.
Auch wenn günstige Preise die Kunden erfreuen - Verbraucherschützer warnen zur Vorsicht. "Man muss genau prüfen, ob die Kombipakte der Hersteller wirklich günstiger sind", sagt Jutta Gelbrich von der hessischen Verbraucherzentrale. Schließlich fehle bei Leasing oder Altwagen-Rücknahme der Barzahlungs-Rabatt. Ob ein Kunde seinen alten Wagen beim Neuwagenhändler in Zahlung geben soll, müsse auch davon abhängig gemacht werden, wie viel Aufwand jemand in den Verkauf stecken wolle.
In den USA prägen Rabatte schon seit langem den Markt - und haben zu einem ruinösen Wettbewerb geführt. "Aber die Situation dort ist anders", sagt Eckehart Rotter, Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie. Dort werden Neuwagen viel seltener entsprechend den individuellen Wünsche des Kunden gebaut, sondern der Käufer nimmt den Wagen so, wie er beim Händler steht. Man müsse aufpassen, dass die amerikanische Rabatt-Mentalität nicht auch nach Deutschland komme. "Schnäppchen führen nicht zu Wachstum", sagt Rotter.
Dudenhöffer schätzt, dass der durchschnittliche Rabatt heute 13 Prozent beträgt, im Januar waren es erst 10 Prozent. Allerdings sei schwer vorherzusagen, wohin sich die Rabatte bewegten. Wenn die private Nachfrage in Deutschland nicht anziehe, könnten die Rabatte im kommenden Jahr nach seiner Ansicht wohl bei 14 oder 15 Prozent liegen - und sich damit den US-Verhältnissen annähern.
Die bisherigen Rabattstrategien haben allerdings gezeigt: Die Nachfrage lässt sich damit nicht deutlich steigern. Seit 1999 ist die Zahl der Neuzulassungen von 3,8 Millionen auf 3,3 Millionen zurückgegangen. Anfang dieses Jahres hatte der Verband der Automobilhersteller noch mit einer Trendwende und einem Wachstum von drei Prozent für 2003 gerechnet. Nun wurde die Prognose korrigiert: Im Inland erwartet der Verband kein Wachstum mehr. Für die deutschen Autobauer gibt es aber immerhin einen Hoffnungsschimmer: Der Export brummt, die Bestellungen aus dem Ausland stiegen im ersten Halbjahr um fünf Prozent.
Quelle: ntv.de