Neuer Audi RS6 Avant weniger biestig Rennlaster kann auch Vierzylinder
19.04.2013, 12:26 Uhr
Überflieger: Die elektronische Bremse des RS6 lässt sich je nach Geldbeutel verschieben.
(Foto: Axel F. Busse)
Neue Autos mit dem Slogan "weniger ist mehr" zu bewerben, gehört in Zeiten von Downsizing und Spritspar-Dikat zur Normalität. Eher skurril mutet es an, dass dieser Slogan auch auf ein Fahrzeug mit 560 PS Anwendung findet, dessen Preis sechsstellig und das mehr als 300 km/h schnell ist: den Audi RS6 Avant.
Audis Tochterfirma quattro GmbH ist gerade 30 Jahre alt geworden und will dieses Jahr so richtig Gas geben. Jüngst wurden der RS7 Sportback und der RSQ3 vorgestellt, der große Kombi RS6 Avant rollt im Sommer in die Showrooms. Wie schon seit 2002, als der erste RS6 vorgestellt wurde, gibt es Leistung satt. Neu ist diesmal, dass eine adaptive Luftfederung, acht Gänge und ein Normverbrauch von unter zehn Litern im Preis enthalten sind.

Männerfreundschaft: Frauen konnte Audi noch nicht als Kunden für den RS 6 gewinnen.
(Foto: Axel F. Busse)
Für viele Autofans gilt ein Audi RS6 Avant als Krone der Schöpfung. Nicht nur, dass man mit ihm die meisten handelsüblichen Sportwagen hinter sich lassen kann, das Fahrzeug bietet außerdem perfektes Understatement und einen Nutzwert, der sich in einem familienfreundlichen Laderaum von maximal 1680 Litern Volumen dokumentiert. Wäre da nicht der äußerst schmerzhafte Preis von 107.900 Euro, man würde wohl auf jedem Supermarkt-Parkplatz mindestens einen davon sehen.
300 fahren oder Zweitwagen kaufen?
Warum ausgerechnet bei einem PS-Monster wie dem RS6 weniger mehr sein soll, erklärt Audi so: Statt zuletzt zehn gibt es jetzt "nur" noch acht Zylinder. Statt 580 PS leistet der Motor künftig "nur" noch 560. Dennoch kann man schneller damit sprinten (3,9 Sekunden von Null auf 100 km/h) und sogar die meisten Porsches in die Schranken weisen, die Höchstgeschwindigkeit lässt sich auf 305 km/h schieben - "abgeregelt", versteht sich. Wieso muss ein Auto jenseits von 300 Stundenkilometern eine elektronische Bremse haben? Weil jüngst ein RS6 mit mehr als 330 km/h gemessen wurde – auf Eis….
Die für eine bestimmte Klientel bedeutsame Eigenschaft, schneller als dreihundert fahren zu können, lässt sich die quattro GmbH fürstlich vergüten. Ganze 12.900 Euro werden für das so genannte Dynamik Paket plus fällig. Außer der Anhebung des Maximaltempos bekommt man dafür eine Bremsanlage mit Scheiben aus Keramik-Verbundmaterial, Allradantrieb mit Sportdifferenzial, Sportfahrwerk mit elektromagnetisch aktivierbaren Dämpfern und LED-Scheinwerfer. Man kann die Summe auch in einen VW Polo mit 70 PS investieren und weiter 250 km/h mit seinem RS6 fahren.
Fetter Sound extra Kohle
Doch Überlegungen dieser Art sind den meisten Kunden der quattro GmbH völlig fremd. Statt um Vernunft geht es um die Verzückung, die ein von 700 Newtonmeter Drehmoment entfesselter Tritt ins Kreuz verspricht. Mit dieser Kraft schiebt der RS6 ab einer Motordrehzahl von 1750 Newtonmetern vorwärts und lässt bis 5500 Touren nicht mehr los. Mit gleicher Macht schmiegen sich die erstklassigen Sportsitze an die Lenden. Zwei Turbolader sind für diesen Druck verantwortlich, doch, oh Wunder, der V8-Direkteinspritzer kann auch sanft: Soll die Familie bei der Fahrt in den Urlaub nicht von der Tempo-Droge naschen, gleitet der Rennlaster unauffällig als Vierzylinder dahin. Die Hälfte der Brennräume wird bei geringer Lastanforderung automatisch stillgelegt. So spart Vati Sprit und kann stolz verkünden, das Auto verbrauche nur 9,8 Liter je 100 Kilometer. Bei der abgelösten Generation waren es vierzehn.
Frauen sind als Käufer für den RS6 bei Audi bislang nicht aktenkundig. Vielleicht ändert sich das, wenn sich die Nachricht verbreitet, dass der RS6 nicht mehr so biestig ist, wie der Vorgänger mit dem Zehnzylinder-Lamborghinimotor. Bleibt die 8-Gang-Tiptronic im Nomalmodus, schaltet sie frühzeitig und weich. Die achte Fahrstufe ist besonders lang übersetzt und erlaubt unaufdringliches Mitschwimmen auf der Autobahn bei Richtgeschwindigkeit. Auch wenn das neue Modell rund zwei Zentner weniger wiegt als der Vorgänger, verharrt die Waage bei rund 1900 Kilo Leergewicht. Das klingt füllig, fällt unterwegs aber dank der direkten Lenkung und des leichfüßigen Fahrgefühls nicht auf.
Es gehört zum Geschäftsmodell der quattro GmbH, die emotionalen Faktoren des Autofahrens präzise herauszuarbeiten und möglichst spitz anzuschleifen. Bekanntlich wird das Vergnügen nicht nur durch Druck im Kreuz, sondern auch auf dem Trommelfell geweckt. Zur Optimierung dessen gibt es eine Sportabgasanlage. Sie kostet 1000 Euro extra und sorgt laut Preisliste "für ein gesteigertes Sounderlebnis". Dass dies funktioniert, steht außer Frage, nur weiß man nicht so genau, ob die Ingenieure den besten Höreindruck dort haben wollten, wo man ihn erleben kann: Nicht hinterm Lenkrad - sondern auf der Rückbank.
Quelle: ntv.de