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Probefahrt im Abarth 695 Biposto Rennsport-Feeling für zwei

Matt-grau und 18-Zoll-Felgen: So rollt der Abarth 695 Biposto an.

Matt-grau und 18-Zoll-Felgen: So rollt der Abarth 695 Biposto an.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Im Wettbewerb um die schärfste Rennsemmel hat Fiat jetzt die Chance auf die Pole-Position: Der Abarth 695 Biposto übertrifft alles, was die Marke bisher an Straßen-Pkw auf die Räder stellte, hat aber auch einen saftigen Preis - fast 40.000 Euro.

Ob der Preis oder die Fahrleistungen sportlicher sind, klärt die Testfahrt. Unzweifelhaft ist, dass der Zweisitzer Kunden mit einem sehr speziellen Geschmack anspricht. Das neueste Produkt setzt die Tradition einer Marke fort, die ihren Ruhm durch leistungsstarke Kleinwagen begründete. Seit 1971 im Besitz des Fiat Konzerns, gilt Abarth heute als durch und durch italienisch. Der Gründer, Karl Abarth, kam freilich 1908 in Wien als Österreicher auf die Welt.

Diffusor und beeindrukende Endrohre: Das Heck der Rennsemmel.

Diffusor und beeindrukende Endrohre: Das Heck der Rennsemmel.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Spezielle Rennversionen der winzigen Fiat 500- und 600-Modelle trugen in den 60er- und 70er- Jahren seinen Namen. Als Giftzwerge auf der Piste lehrten sie größere und leistungsstärkere Konkurrenten reihenweise das Fürchten – vorzugsweise mit geöffneter Motorklappe zur besseren thermischen Entlüftung. Der 695 Biposto erinnert mit seiner Namensgebung an die damals übliche Hubraumvergößerung, die einen Halbliter-Rennmotor auf fast 700 Kubikzentimeter aufbohrte. Heute wird mit doppeltem Zylindervolumen gefahren, denn das heiße Herz des neuen Abarth ist ein 1,4-Liter-Turbobenziner. Im Unterschied zu einem Monoposto (zum Beispiel Formel-Rennwagen) bietet der Biposto Platz für zwei Personen.

Abgesehen davon, dass ein viersitziger Renner mit Straßenzulassung wohl kaum als authentisch angesehen würde, spart der Verzicht auf die Rückbank eine Menge Gewicht ein. Durch gleichzeitiges Weglassen von Klima- und Audioanlage, Nebelscheinwerfern sowie großzügige Verwendung von Karbon-Teilen konnte die Fahrzeugmasse auf 997 Kilogramm gedrückt werden. Fahren tut der Wagen dann allerdings noch nicht, denn der Zusatz "trocken" weist darauf hin, dass Kraftstoff und Öle nicht mit auf der Waage standen. Wer alle aufpreispflichtigen Optionen bestellt, hat trotzdem die Chance ein fahrbereites Auto um 1000 Kilogramm Gewicht zu bekommen, denn Sitze aus Kohlefaserschalen sind ebenso im Angebot wie Seitenscheiben aus Polycarbonat.

Hartes Schalten per Dog-Ring-Getriebe

Im Gegensatz zu den historischen Abarths hat der Biposto den Antrieb vorn.

Im Gegensatz zu den historischen Abarths hat der Biposto den Antrieb vorn.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Der mit einem durchschnittlichen Ladedruck von 1,75 bar arbeitende Vierzylinder leistet 190 PS. Das ist nicht ganz so viel, wie der Abarth 695 Assetto Corse abgab, aber der war nicht für den öffentlichen Verkehr zugelassen. Dank des sehr spontanen Ansprechens werden 250 Newtonmeter im Nu mobilisiert. Da trifft es sich gut, dass 65 Prozent des Gewichts auf der Vorderachse liegen und ein selbstsperrendes Differenzial hilft, die Kraft auf die Straße zu bringen. Auf nasser Fahrbahn, wie bei dieser Testfahrt auf dem Autodrome in Varano, kann man mit entsprechend nervösem Gasfuß die ESP-Leuchte fast zu Dauerlicht zwingen.

Zahlungskräftige Kunden provoziert Abarth noch mit einem besonderen Appetithäppchen. Als Sonderausstattung ist ein sogenanntes Dog-Ring-Getriebe erhältlich. Statt des verschalten Schalgestänges in der Nomalversion ragt aus einer polierten Alu-Skulptur ein senkrecht stehender Hebel heraus, mit dem die Gänge in die offene Kulisse gedrückt werden. Weitgehend unbeeinflusst von Drehzahlfragen knüppelt der Fahrer durch die klauengeführten Übersetzungen, wogegen das Einlegen der Fahrstufen im Seriengetriebe erscheint, als rühre man mit einer Kelle im Schmalzfass. So fühlt sich Rennsport an, aber Abarth lässt sich den Spaß auch mit 10.000 Euro extra vergüten.

Auch ohne dieses Extra kommen vorwiegend erlesene Zutaten zum Einsatz. Brembo-Bremsen sind Pflicht, vorn haben die Scheiben 305 Millimeter Durchmesser und die Sättel vier Kolben. An der armdicken Titan-Verstrebung, die an Stelle der Rückbank sitzt, werden die roten Vierpunkt-Gurte verankert. Die Abgasanlage ist von Akrapovic (der Hersteller genießt nicht nur in der Biker-Szene Hochachtung), die Dämpfer liefert Shox dazu. Der nur in mattem "Performance Grau" lieferbare Biposto läuft auf 18-Zoll-Leichmetallrädern - eine Größe, wie sie standardmäßig an einer S-Klasse anzutreffen sind.

Rennt bis 230 km/h

So geht Rennsport: Die offene Schaltkulisse des Dog-Ring-Getriebes.

So geht Rennsport: Die offene Schaltkulisse des Dog-Ring-Getriebes.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Bis der Wagen die 100-km/h-Marke passiert, vergehen keine sechs Sekunden, 5,2 Kilogramm hat jede Pferdestärke zu bewegen. Damit lassen sich weite größere Sportwagen in die Schranken weisen, als es der 3,65 Meter kurze Biposto ist. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 230 km/h angegeben. Zwar hat das Auto den EU-Verbrauchstest mit einem Durchschnittswert von 6,2 Litern absolviert, doch wer den Biposto artgerecht bewegt, sollte mit etwa dem Doppelten rechnen.

Ein konkretes Kofferraumvolumen teilt der Hersteller nicht mit, doch es ist anzunehmen, dass der Ausbau der Rückbank einen Zuwachs gebracht hat. Das wird den Biposto wohl kaum zum Reisemobil, zu sehr sind Fahrzeug und Accessoires auf Motorsport-affine Kundschaft fokussiert. Die Liste der lieferbaren Zusatzausstattungen reicht bis zu Rennoverall und Helm. Kunststoff-Seitenfenster, die zwar nicht herunter zu lassen sind, dafür aber eine spielkartengroße Schiebeöffnung bieten, kosten 2500 Euro Aufpreis, eine Alu-Motorhaube nebst Tank-, Öl- und Kühlerverschlüssen aus Titan weitere 4000 Euro. Kein Problem also, den Baby-Boliden zum ultimativen 60.000-Euro-Renner hochzurüsten. Wer sich zum Kauf entschließt, braucht Geduld: Die 2014er-Produktion ist bereits ausverkauft.

Bei Fiat ist man überzeugt davon, dass "Carlo" Abarth seine wahre Freude an den 695 Biposto gehabt hätte. Möglich aber auch, dass sie ihm fremd vorgekommen wären. Seine Rennzwerge basierten auf einem gänzlich anderen Fahrzeugkonzept: Motor und Antriebsachse saßen hinter dem Fahrer.

Quelle: ntv.de

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