Ford Focus RS 500 Schwarze Magie
31.05.2010, 10:30 Uhr
Für den mattschwarzen Effekt wird der Metalliclack von Hand mit Folie bezogen
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die Praxis, Kompaktwagen mit ein paar PS mehr als nötig auszurüsten, hat seit dem ersten Golf GTI allerhand bissige Fahrmaschinen hervorgebracht. Was jedoch Ford dem Focus RS zum Ende seiner Karriere spendiert hat, ist schlicht der Gipfel: 350 PS.
Das hätte für mehr als drei GTIs der ersten Generation gereicht und ist auch jetzt noch weit enteilt vor allen Wettbewerbern. Selbst der stärkste Golf bringt es heute auf "nur" 270 PS. Schade bloß, dass der Ford Focus RS 500 schon wenige Wochen nach seinem Erscheinen nur noch aus zweiter Hand zu haben ist. Das mattschwarze Biest ist bereits vergriffen.
Wer Gelegenheit hat, dennoch eines der 55 in Deutschland an PS-Enthusiasten oder Sammler verkauften Exemplare zu fahren, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Das soll ein Ford sein? Gut, mit zuletzt 7,7 Prozent Marktanteil gehört die Kölner Dependance des US-Konzerns zwar zu den großen Automarken in Deutschland, doch dass ihre Produkte beim Betrachter zu spontaner Pulserhöhung geführt hätten, war bisher eher die Ausnahme.
Mitglied eines exklusiven Clubs
Mit seinen Kotflügelverbreiterungen, 19-Zoll-Felgen und Dachspoiler ist der "normale" Focus RS schon ein Hingucker, der RS 500 legt noch eine Schippe drauf. Kohle, um im Bild zu bleiben, rabenschwarz und matt, so ist die Außenhaut des finsteren Renners. Zunächst läuft das Auto mit einem schwarzen Metalliclack versehen von Band, um dann in einem aufwändigen manuellen Verfahren mit einer stumpf schimmernden Folie bezogen zu werden. Drinnen prägen rote Schalensitze die Szenerie, die gleichermaßen stabil und anschmiegsam sind und wohl auch Rallyepilot Marcus Grönholm Freude machen würden. Außer den RS-typischen Zusatzinstrumenten für Öldruck, Öltemperatur und Ladedruck ist vor allem eines wichtig: Die Plakette auf der Mittelkonsole, die das Fahrgerät als Mitglied des exklusiven 500er-Clubs ausweist – so wenige Exemplare gibt es europaweit.

Durch die Öffnungen in den Schalensitzen lassen sich auch 6-Punkt-Gurte legen
(Foto: Textfabrik/Busse)
Wer das Biest zähmen will, sollte zweierlei haben: Sensible feinmotorische Begabung im rechten Fuß und ein zupackendes Wesen. Das eine braucht man, um den explosiven Vortrieb in beherrschbarer Dosis zu entfachen, das andere, um die Richtung von Fahrer und nicht vom Fahrwerk bestimmen zu lassen. Schon zigtausendfach sind von Autotestern "Antriebseinflüsse in der Lenkung" beschrieben worden. Wer immer noch nicht weiß, wie sich sowas anfühlt, kann es im RS 500 erleben. Wenn 350 Vollblüter an der Vorderachse zerren, ist es besser, die Zügel in beide Hände zu nehmen, was bedeutet, dass man nicht zu kräftig aufs Gaspedal drückt, wenn die eine Hand noch am Schaltknauf verharrt. Sollte die schiere Kraft einmal außer Kontrolle geraten, nimmt man am besten auch beide Hände – zum Beten.
Rasante Verzögerung und Blinklicht
Damit es notfalls auch ohne himmlischen Beistand geht, hat der RS 500 alles an Bord, was Autofahren sicher macht: ESP und Antriebs-Schlupfregelung (die vor allem auf feuchter Fahrbahn keine Langeweile bekommt), ABS, EBD, Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer. Dem vehementen Vorwärtsdrang sind die Bremsen in vollem Umfang gewachsen und damit die nachfolgenden Autos nicht von der rasanten Verzögerung überrascht werden, schaltet sich bei starkem Bremsen automatisch die Warnblinkanlage ein.
Der mit maximal 1,8 bar aufgeladene Fünfzylinder-Benziner benimmt sich bei vorsichtiger Gangart, zum Beispiel im Stadtverkehr, erstaunlich zurückhaltend. Wehe aber, wenn das Ortsschild passiert ist und sich die schwarze Magie vollends entfaltet. Ab 2500 Umdrehungen trompetet der 2,5-Liter-Motor mit kernigem Brüllen in die zweiflutige Abgasanlage, so dass man die fast ofenrohr-großen Endrohre nicht länger für Imponiergehabe hält. Nach 5,6 Sekunden fällt die 100 km/h-Barriere und mit jedem weiteren Gangwechsel schraubt sich der Zeiger des Drehzahlmessers zielstrebig der 7000er-Marke entgegen. Da sollten auch die Chauffeure von Oberklassen-Limousinen ihren Ehrgeiz eingepackt lassen, denn Schluss ist erst bei 265 km/h, einem Wert, wo sechs- und achtzylindrige Viertürer längst abgeregelt sind. Die 50 PS mehr, die er gegenüber dem Serien-RS zugeteilt bekam, werden hauptsächlich durch optimierte Luftzufuhr für die Brennräume erreicht.
Unverfälschte Mitteilungen
Abgesehen von nicht wegzudiskutierenden Zerren der bis zu 460 Newtonmeter an der Vorderachse läuft der RS 500 nach den präzisen Vorgaben der direkten Lenkung, verhält sich spurtreu und neutral, liegt satt auf der Straße und auch das Fahrwerk wirkt zu keiner Zeit überfordert. Bedürfnisse nach sänftenartigen Dahingleiten kann es natürlich nicht befriedigen, die Fahrbahnqualität wird dank der sportlichen Härte der Abstimmung verzögerungsfrei und unverfälscht mitgeteilt.

Kein Imponiergehabe: Die gewaltigen Endrohre lassen einen saftigen Sound hören.
(Foto: Textfabrik/Busse)
300 Liter Kofferraumvolumen sprechen noch für eine gewisse Alltagstauglichkeit, nur hieße es dem RS 500 bitter Unrecht tun, mäße man ihn mit den Maßstäben gewöhnlicher Kompakt-Limousinen. So ist es auch zu verschmerzen, dass die Benutzung der hinteren Sitze an ein mühseliges Nachvorn-Drehen der Schalensitz-Lehnen verbunden ist. Wo es um sportlichen Fahrspaß geht, verlieren Kategorien wie Nutzwert oder Verbrauch an Bedeutung. 9,4 Liter je 100 Kilometer, wie sie nach EU-Norm mit dem RS 500 möglich sein sollen, haben mit der Praxis dieses frechen Kurvenjägers nichts zu tun. Am Ende dieser Testfahrt, die weit entfernt jedes denkbaren Grenzbereichs stattfand, zeigte der Bordcomputer 15 Liter Verbrauch.
Klar, damit fahren andere Kompakte 200 Kilometer weit, aber die sind weit weniger exklusiv unterwegs. Wirtschaftliche Überlegungen kommen ohnehin zu spät, denn die 46.050 Euro, die nötig waren, um ein Exemplar zu erstehen, haben bereits andere bezahlt. Freuen darf man sich jetzt auf den nächsten Focus, auf die RS-Version davon und darauf, dass sie vielleicht einen Allradantrieb bekommt. Nur so wäre der RS 500 von heute zu schlagen.
Quelle: ntv.de