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Mit 280 PS nah am Golf R Scirocco R - runderneuert aus der Nische?

19-Zoll-Leichtmetallfelgen stehen dem Scirocco R prächtig.

19-Zoll-Leichtmetallfelgen stehen dem Scirocco R prächtig.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Groß war der Jubel, als Volkswagen 2008 den Scirocco wieder aufleben ließ. Doch ebenso schnell ebbte die Begeisterung wieder ab. In diesem Sommer kam das Facelift. Der n-tv.de-Praxistest geht der Frage nach, ob das runderneuerte Coupé jetzt aus der Nische fahren kann.

"Neuzulassungen verzehnfacht": Keine schlechte Nachricht, doch wer genau hinschaut, weiß, warum sie von Volkswagen nicht verbreitet wurde. Der Volkswagen Scirocco ist hierzulande ein Exot, ein Nischenmodell, das in der Riege der VW-Massenautos ein kümmerliches Dasein fristet. Im Juli registrierte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) gerade mal 63 Neuzulassungen, nach dem Facelift im August waren es immerhin 673. Wäre da nicht die starke Nachfrage aus China, wo etwa die Hälfte der rund 212.000 produzierten Autos abgesetzt wurde, oder das Vereinigte Königreich, das Auto wäre wohl längst eingestellt worden.

Das Markenlogo auf der Heckklappe dient jetzt als Entriegelungshebel.

Das Markenlogo auf der Heckklappe dient jetzt als Entriegelungshebel.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Mit überarbeiteten Motoren und ein wenig Kosmetik geht der Scirocco an den Neustart. Technische Eingriffe in die Antriebsaggregate waren nötig, um sie der Euro-6-Norm anzupassen. Erhältlich sind nun vier TSI-Benziner und zwei TDI, die bis zu 20 PS stärker sind. Gleichzeitig soll der Verbrauch um bis zu 19 Prozent reduziert worden sein, sagt VW. Für diesen Praxistest wurde das Topmodell "R" ausgewählt, das mit 280 PS dem Golf R recht nahe kommt, aber im Gegensatz zu ihm nur über die Vorderachse angetrieben wird.

Start-Stopp nur für schwächere Modelle

Zweiter wesentlicher Unterschied: Für den Scirocco R gibt es kein Start-Stopp-System, denn der aufgeladene Zweiliter-Vierzylinder stammt noch aus der Motorengeneration, die vor der Einführung des Modularen-Querbaukastens verwendet wurde. Eine Adaption der Abschaltautomatik hätte einen hohen technischen Aufwand bedeutet, so dass lediglich die Kunden in den Genuss der Spartechnik kommen, die sich mit der 220-PS-Version zufriedengeben. Gerade deshalb wäre es ein feiner Zug gewesen, den Kunden kostenfrei eine verbrauchsmindernde Schaltempfehlung mitzugeben. Die ist aber leider Bestandteil der "Multifunktionsanzeige Premium", wo beispielsweise Verbrauch, Außentemperatur, Durchschnittstempo und Reichweite angezeigt werden können, und die 230 Euro zusätzlich kostet. Der Testwagen war mit einem manuellen Sechsgang-Getriebe ausgestattet.

Ein Exot aus deutschen Landen: Der VW Scirocco in der aktuellen Version.

Ein Exot aus deutschen Landen: Der VW Scirocco in der aktuellen Version.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Optisch hat der Scirocco auch sechs Jahre nach seiner Markteinführung nichts an Attraktivität verloren. Die flache, gestreckte Silhouette und die schmalen Seitenscheiben versprechen eine Menge Dynamik, der nach hinten verjüngte Aufbau lässt die muskulös ausgeformten hinteren Radhäuser noch kräftiger wirken. Die Front wurde ein bisschen mehr in Richtung Golf gestylt, neue Leuchten zieren das Heck. Die 1,35 Meter breiten Türen haben ihre Tücken, denn in engen Parklücken kann man sie oft nur soweit öffnen, dass man sich mit schlangenartigen Bewegungen hinein- oder herauszwängen muss. Die Fahrzeughöhe von 1,40 Metern lässt nichts Gutes für die Nutzer die hinteren Einzelsitze erwarten, doch wer sich einmal zwischen B-Säule und Vordersitzen eingefädelt hat, wir staunen: Aufrecht und bequem sitzen ist auch mit mehr als 1,85 Meter Körpergröße kein Problem, denn die Sitzmulden sind recht tief angebracht. Nur mit der Beinfreiheit hapert es etwas.

Neue Zusatzinstrumente

Fortschritte gibt es bei der Nutzbarkeit des Kofferraums. Endlich hat die Klappe, die bis zu einer Höhe von 1,86 Metern aufschwingt, einen Öffnungsmechanismus, der auch von außen bedient werden kann. Analog zu zahlreichen anderen VW-Modellen dient das schwenkbare VW-Logo als Entriegler und Klappengriff. Das bewegliche Logo schützt überdies die Rückfahrkamera vor Verschmutzung, wenn man sie sich als Option für 285 Euro dazu bestellt. 312 Liter Gepäckvolumen sind für ein kleines Coupé recht ordentlich, durch Umlegen der Rücksitze kann es bis auf etwas mehr als 1000 Liter vergrößert werden. Um die nötige Karosseriesteifigkeit zu gewährleisten, musste die modifizierte, rundliche Heckpartie sehr hoch gezogen werden. Übrig blieb eine Ladekante in 80 Zentimetern Höhe und eine nutzbare Klappenöffnung von 85 Zentimetern Breite.

Mit dem Facelift kamen die Zusatzinstrumente auf der Mittelkonsole ins Cockpit.

Mit dem Facelift kamen die Zusatzinstrumente auf der Mittelkonsole ins Cockpit.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Nicht nur bequem, sondern auch vorbildlich seitenstabil sind die Sportsitze, die der Scirocco R ab Werk mitbringt. Ebenso gehören Edelstahl-Pedale zur Grundausstattung. Die tubenförmigen Hauptinstrumente sind gut ablesbar, Parkpiepser (555 Euro), Toter-Winkel- und Einpark-Assistent gibt es als Wunschausstattung. Als Reminiszenz an die gute alte Zeit des ersten Scirocco sollen wohl die drei Zusatzinstrumente verstanden werden, die im Rahmen des Facelifts das Cockpit bereichern. Sie sitzen mittig auf dem Armaturenbrett und verbreiten so ein wenig den Charme von Heimwerker-Tuning aus dem Zubehörhandel. Dort kann man sich über Ladedruck und Öltemperatur informieren oder Rundenzeiten stoppen – Letzteres macht aber besser der Beifahrer, sonst muss man den Blick zu lange von der Fahrbahn nehmen. Für eine Multimedia-Buchse inklusive Anschlusskabel 385 Euro Aufpreis zu verlangen, erscheint gewagt, wird aber offenbar von den Kunden hingenommen. Vielleicht wissen sie nicht, dass andere Hersteller einen USB-Anschluss gratis einbauen.

Landstraße idealer Auslauf

Eher etwas für die Kurzstrecke: Die hinteren Sitze im Scirocco.

Eher etwas für die Kurzstrecke: Die hinteren Sitze im Scirocco.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Wer den Sinn des Autofahrens nicht primär im Ortswechsel, sondern in potenziellem Lustgewinn sieht, ist im Scirocco R gut aufgehoben. Mit bassigem Röhren nach vorn stürmen, mit Schmackes um die Kurve, das kann das flache Coupé, wobei ein tiefer Schwerpunkt und eine exakte Lenkung helfen. Das Fahrwerk ist gegenüber dem Normal-Scirocco um 15 Millimeter abgesenkt. Wider Erwarten sind die Einflüsse des kräftigen Antriebs auf die Lenkung gering. Außerdem hilft die serienmäßige elektronische Differenzialsperre XDS, bekannt aus dem Golf GTI, bei der traktionsgerechten Drehmomentverteilung. Die kurvige Landstraße bietet den idealen Auslauf für den Zweitürer. Für Kilometerfressen mit hohem Tempo auf der Autobahn braucht man jedoch ein zähes Trommelfell, denn bei Drehzahlen ab 4000 Touren kann die sportliche Dauerbeschallung dann doch nerven.

Weil technische Helfer fehlen, trägt der Fahrer ganz allein die Last der Verantwortung, den Spritverbrauch nicht ausufern zu lassen. Fahrspaß genießen ist eine Sache, die Empfehlung des Herstellers, dem Triebwerk das gute Superplus zu verabreichen, aber eine andere. Unter der 10-Liter-Marke je 100 Kilometer zu bleiben, so die Erfahrung aus diesen Testfahrten, gelingt nur, wenn man Ausflüge ins Reich der Hochgeschwindigkeit auf ein Minimum beschränkt.

Fazit: Coupés funktionieren nach dem Prinzip "weniger Auto für mehr Geld" und wer das akzeptiert hat, findet auch sein Vergnügen an so einem flotten Zweitürer, wie dem Scirocco. Eine Menge Fahrspaß ist garantiert, Abstriche in der Vielseitigkeit sind unvermeidlich. Vielleicht tut es auch die 220-PS-Version. Was man am Kaufpreis spart, kann man dann in rund 45.000 Bleifuß-Kilometer stecken.

DATENBLATTScirocco R
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,25 / 1,82 / 1,40 m
Leergewicht (DIN)1426 kg
Sitzplätze4
Ladevolumen312 - 1006 Liter
MotorReihen-Vierzylinder mit Turboaufladung, 1984 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang manuell
Systemleistung206 kW/ 280 PS
KraftstoffartSuper plus
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
max. Drehmoment350 Nm bei 2500 - 5000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h5,7 s
Normverbrauch kombiniert (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km11,1 / 6,2 / 8,0 l
Testverbrauch9,8 l
Tankinhalt55 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
187 g/km
EmissionsklasseEU 6
Grundpreis36.175 Euro
Preis des Testwagens45.089 Euro

Quelle: ntv.de

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