Majestätisch über Stock und Stein Seine Lordschaft Rover SDV 8 auf Diät
16.11.2013, 11:52 Uhr
Straße kann jeder: Im Sand fühlt sich der Range genauso wohl wie auf dem Asphalt.
(Foto: Axel F. Busse)
Seit 42 Jahren schafft es die britische Marke Land Rover, ihr Alleinstellungsmerkmal zu verteidigen, wenn es darum geht, uneingeschränkte Geländetauglichkeit mit höchstem Komfort zu verbinden. Neuester Beweis: der aktuelle Range Rover - hier im n-tv.de-Praxistest.

Mit der einstellbaren Luftfederung kann die Bodenfreiheit auf fast 30 cm erhöht werden.
(Foto: Axel F. Busse)
Auch wenn die Kundschaft von Fahrzeugen wie einen Range Rover SDV 8 sich kaum um dessen Geländetauglichkeit schert: Die komfortablen Offroader haben hierzulande in weitem Teilen der Bevölkerung ein Imageproblem. Größtes Hindernis für eine freundliche Akzeptanz neuer Erzeugnisse war stets die schiere Masse der klobigen Vehikel. Zweieinhalb Tonnen Leergewicht sind die Regel. Beim Range Rover-Spitzenmodell waren ist bisher sogar 2710 Kilogramm. Da könnte man bequem zwei Kompaktautos draus machen.
"Abspecken" ist deshalb nicht nur in Fitness-Studios eine oft gehörte Vokabel. Nicht ohne Stolz weist Range Rover darauf hin, sein allseits bekannter Schwergewichtler habe 420 Kilogramm verloren. Der hier gefahrene Range Rover SD V8 liegt im Mittelfeld der Modellpalette und bringt laut Hersteller 2360 Kilogramm auf die Waage. Das ist noch kein Zeichen von Magersucht, aber ein Fortschritt. Und mit 840 Kilogramm erlaubter Zuladung ist er wahrscheinlich der nobelste Lastesel, den man sich vorstellen kann.
Ein radikaler Schnitt in den Speck hat die Wende zu mehr Leichtigkeit gebracht. Das wirksame Diätprogramm heißt "Aluminium", denn daraus besteht jetzt die Karosserie der neuen Modellgeneration. Der 4,4 Liter große Diesel leistet nun 339 PS, was einen Aufschlag von 26 PS gegenüber dem Vorgänger bedeutet. Ordentlich Schmalz also, auch wenn der EU-Norm-Verbrauchswert von 8,7 Litern im Drittelmix für die Praxis nur eingeschränkte Bedeutung hat. Trotz zurückhaltender Fahrt war dieser Range nicht dazu zu bewegen, weniger als 10,8 Liter je 100 Kilometer Diesel zu konsumieren. Die Freundschaft mit dem Tankwart wird zwar auf eine Probe gestellt, ist aber nicht ernsthaft in Gefahr.
Übersichtliche Karosserie
Fünf Meter Länge und 1,83 Meter Höhe bei mehr als zwei Metern Breite (inklusive Außenspiegel) sind nicht nur stattliche, sondern Ehrfurcht gebietende Dimensionen. Der Fahrer legt sie dennoch alsbald ab, denn die Karosserie ist erstaunlich übersichtlich. Wenn es wirklich mal eng wird, helfen die Außenkameras beim Zirkeln durch die schmale Einfahrt oder am Bordstein entlang, damit die teuren Felgen nicht leiden. Ab Werk werden 20-Zoll-Alus geliefert, der Testwagen hatte 21-Zöller für gleich mal 2000 Euro extra pro Satz. Aber in Adelskreisen wird bekanntlich nur selten über Geld geredet.
Wichtiger ist dort das erhabene Fahrgefühl, und davon bietet der Range Rover reichlich. Schließlich thront der Fahrer in fast einem Meter Höhe über der Krume. Wem das nicht reicht, der aktiviert die Offroad-Einstellung der Luftfederung und kann damit die Bodenfreiheit auf mehr als 30 Zentimeter erhöhen. Auch wer sich selbst erhöht, bleibt im Ledersessel des Range Rovers sicher auf dem Boden der Tatsachen. Schwimmen kann die Luxus-Wuchtbrumme zwar nicht, aber wenn es nass von unten wird, steht sie ebenfalls besser da als alles, was sich sonst Oberklasse-SUV nennt: Bis zu 90 Zentimeter durchwatet er souverän und wenn Zweifel aufkommen, ob die Wassertiefe durchfahrfähig ist, gibt das Wade-Sensing-System (+350 Euro) die exakte Tiefe an.
Business-Class im Fond

Erhabene Position: Fast einem Meter über der Straße fühlt man sich unangreifbar.
(Foto: Axel F. Busse)
Die Innenarchitektur ist bei allem Komfort schnörkellos und sachlich, wo andere geschwungene Linien designen und verspielte Technik-Skulpturen modellieren, regiert im Range die klare Kante. Sauber gemasertes Holz, eckige Einfassungen, eine überschaubare Zahl von Hebeln und Schaltern, dazwischen geschmeidige Lederbezüge – das ist die Wohnlichkeit, die man in der gehobenen Gesellschaft schätzt. Schätzen würde man vielleicht auch eine schlichtere Bedienlogik von Navigations- und Entertainment-Einrichtungen, doch bis das oft kritisierte System abgelöst wird, muss man wohl noch bis zur nächsten Range-Generation warten. Optisch originell ist die Darstellung auf dem zentralen Monitor, der einen klassischen Rundtacho simuliert: Der Zeiger verdeckt die erreichten Ziffern nicht, sondern läuft scheinbar hinter ihnen vorbei.
Auch wenn Komfort-Niveau und Geräuschpegel zur Chauffeurs-Limousine taugen, sitzt man vorne besser als hinten. Nicht, dass es an Platz mangelte, aber die straffen Polster sind eher zum "darauf" als "darin" sitzen geeignet. Kuscheliger würde es mit den optionalen Business-Class-Einzelsessel im Fond, die man für 3790 Euro dazu bestellen kann. So aber kann auf der Rückbank etwas Unruhe aufkommen, wenn der Fahrer das dynamische Potenzial der pracht- und kraftvollen Maschine auszunutzen beginnt.
Davon ist nämlich reichlich vorhanden, was sich nicht nur an der Marke von weniger als sieben Sekunden für den Sprint von Null auf Hundert festmachen lässt. Schon ab 1750 Kurbelwellen-Umdrehungen, also früher als bei allen andern Range-Rover-Modellen, ist die volle Durchzugskraft von 700 Newtonmetern da und der Dickhäuter zieht herzhaft an. Das gewaltige Drehmoment stellt sogar das des V8-Kompressor-Benziners in den Schatten Dass der Schwerpunkt ähnlich weit weg ist vom Boden wie der Mensch am Lenkrad, ist nicht zu verkennen, doch auch schnelle Kurvenfolgen erledigt der Range souverän. Dafür sorgt das Dynamik Response-System, das einen aktiven Neigungsausgleich bewirkt. Freilich wünschte man sich in der leichtgängigen Lenkung etwas mehr Gefühl, das würde den fahraktiven Eindruck noch verstärken.
Elektrische Helfer allenthalben
Fahren ist eine Sache im Range, genießen eine andere und nicht minder wichtige. Auf eine hohe zweistellige Zahl dürfte kommen, wer all die elektrischen Stellmotoren zählt, die einem den Aufenthalt im Wagen und die Nutzung seiner Einrichtungen erleichtern sollen. Allein 14-fach verstellbar sind die belederter Fauteuils der ersten Reihe, die der zweiten sind elektrisch umklappbar, worauf sich eine 1,55 Meter lange Transportfläche öffnet. Gemessen an der Fahrzeughöhe ist die Ladekante mit 85 Zentimetern noch kommod niedrig, die Herausnahme der Laderaumabdeckung ist aber etwas fummelig. Natürlich werden die beiden Teile der Heckklappe elektrisch bewegt, das gleiche gilt für die Anhängerkupplung, die in Ruhestellung unter dem Stoßfänger verborgen ist.
Wenn Seine Lordschaft ein paar Pferdeanhänger von den regengetränkten Koppeln seiner weitläufigen Latifundien ziehen will, bleibt ihm bei der Fahrzeugauswahl kein großer Spielraum. Entweder er fordert bei den Streitkräften Ihrer Majestät einen Bergepanzer an oder er verlässt sich auf seinen Range Rover. Die meisten Adelsmänner tun Letzteres. Gezogen werden übrigens bis zu 3500 Kilogramm, so dass ein Gespann auf bis zu 6,7 Tonnen Gewicht kommen kann.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier noch einige Details erwähnt, die der geneigte Kunde für den Grundpreis von 107.300 Euro mit erwirbt: Automatisches Terrain-Response-System für den Allradantrieb, Bergabfahrhilfe, Wankneigungskontrolle, Umfeldbeleuchtung in den elektrischen Außenspiegeln (sie projizieren den Schriftzug "Range Rover" auf den Boden), 3-Zonen-Klimaautomatik, Kindersicherungen und Alarmanlage, Xenon-Scheinwerfer, Festplatten-Navigation, schlüsselloses Zugangssystem, elektrisches Soft-Close-Türschließen und, und, und. Die Meridian-Soundanlage verfügt über 13 Lautsprecher und einen Subwoofer.
Fazit: Innen hui, außen pfui: Edle Hölzer und feinste Lederbezüge im Cockpit, die Radhäuser schlammverkrustet – beim Range Rover ist das kein Widerspruch. Vielmehr ist es Teil seiner Identität. Wo er steht, ist oben – bisher ist kein Konkurrent zu sehen, der das in Frage stellen könnte. Der Range Rover verbindet umfassende Geländetauglichkeit mit High-End-Komfort. An diesem Auto keine Freude zu haben, ist praktisch unmöglich – wenn die finanziellen und räumlichen Voraussetzungen stimmen. Aber wer sich in Geduld übt, kann seinen Traum vielleicht später verwirklichen. Bisherige Range-Generationen haben nach rund vier Jahren statistisch etwa die Hälfte ihres Wertes eingebüßt – und dann ist ein Range praktisch ja immer noch neuwertig.
DATENBLATT | Range Rover SDV 8 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 5,00 / 1,98 / 1,83 m |
Leergewicht (DIN) | 2360 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 909 - 2030 Liter |
Motor | V8-Zylinder-Turbodiesel mit 4367 ccm Hubraum |
Getriebe | 8-Gang automatisch |
Leistung | 250 kW/339 PS bei 3500 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 217 km/h |
max. Drehmoment | 700 Nm bei 1750 - 3000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 6,9 Sek |
Tankinhalt | 105 Liter |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 7,6 / 11,5 / 8,7 l |
Testverbrauch | 10,8 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 229 g/km |
Schadstoffklasse | Euro 5 |
Grundpreis | 107.100 Euro |
Preis des Testwagens | 120.110 Euro |
Quelle: ntv.de