HydroGen mit Brennstoffzelle Süßliche Wolken aus dem Auspuff
18.02.2010, 09:46 Uhr
Als Basisfahrzeug für das Wasserstoff-Mobil dient ein Chevrolet Equinox.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Zu den Ungereimtheiten moderner Energietechnik gehört, dass Brennstoffzellen gar keinen Brennstoff abgeben. Wie man mit dem von General Motors und Opel entwickelten Brennstoffzellensystem unterwegs ist und was den Fahrer am meisten zittern lässt.
Bisher glaubt niemand so recht daran, dass die Brennstoffzelle die Lösung aller Energieprobleme ist. Wahrscheinlich auch Mercedes nicht, die kürzlich eine B-Klasse mit dem alternativen Antrieb vorstellten. Aber, dass die englisch Fuel Cell genannte Technik helfen kann, die Schere zwischen steigendem Energiebedarf und schwindenden Ressourcen ein wenig zu schließen, ist gut möglich. Seit zwölf Jahren sind in Mainz-Kastell rund 250 Brennstoffzellen-, Wasserstoff- und Batterie-Spezialisten von General Motors und Opel damit beschäftigt, ein alltagstaugliches Fahrzeug mit Brennstoffzellen-Antrieb zu entwickeln.
Nach drei Prototypen auf Opel Zafira-Basis ist der "HydroGen4" die modernste Weiterentwicklung. Als Basis dient diesmal ein umgebauter Chevrolet Equinox, da die von GM weltweit verwendete Fahrzeug-Plattform auch für Demonstrationsprojekte in den USA und in Asien herhalten soll.
Vier Kilo Wasserstoff müssen reichen

Umweltverträglich: Den Wind kann dieses Auto noch nicht nutzen, gibt aber dennoch keine Schadstoffe ab.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Äußerlich weist nur die schrille Bemalung darauf hin, dass hier kein gewöhnliches SUV unterwegs ist. Fünf Türen und Sitzplätze, ein großer Kofferraum hinter der Heckklappe, alles wie gewohnt. Lediglich ein Höcker auf dem rückwärtigen Ladeboden zeigt an, dass die zusätzlichen Wasserstofftanks Platz unter der Fahrgastzelle beanspruchen. Im Unterschied zum Serien-Equinox, der als Allradauto angeboten wird, sind beim HydroGen4 nur die vorderen Räder angetrieben. Das gesamte Fahrzeug wiegt 2010 kg und damit etwa 250 kg mehr als ein vergleichbares Serienmodell mit Verbrennungsmotor.
Der erste Blick des Testfahrers gilt nicht dem animierten Energiefluss-Schema auf dem Monitor der Mittelkonsole. Das hat man so ähnlich schon in verschiedenen Hybrid-Modellen gesehen. Es ist ein Mäusekino von beschränktem Informationswert. Das wichtigste Bauteil für ein Brennstoffzellenauto ist (noch) der Bordcomputer mit der Reichweiten-Anzeige. Der HydroGen4 hat maximal vier Kilo Wasserstoff (H) dabei. Sie sind unter dem kaum vorstellbaren Druck von 700 bar (es pressen also 700 Kilogramm von innen auf jeden Quadratzentimeter der Tankwand) in drei Behälter verteilt.

Mäusekino: Wenn das Staunen über das Energieschema nachlässt, kann man auch den kompletten Bildschirm für die Navigation nutzen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Bis zu 320 Kilometer soll man mit vier Kilo H schaffen können, sagt der Hersteller. Bei einem Kilo-Preis von acht Euro kostet jeder Kilometer also etwa zehn Cent. Das ist günstiger als viele Benzinfahrzeuge und obendrein hat man mit dem HydroGen4 immer das gute Gewissen im Gepäck, absolut emissionsfrei unterwegs zu sein. Was noch Sorge macht, ist die Gefahr, dass am Ende des Wasserstoff-Vorrats keine Tankstelle in der Nähe ist. Bundesweit gibt es nur ein halbes Dutzend davon, außer in Berlin noch in Frankfurt, München, Stuttgart und Hamburg. Wasserstoff lässt sich nicht mal eben im Reservekanister zum liegen gebliebenen Auto schleppen – das verkompliziert das Fahren noch weiter. Es ist ein hochexplosives Material.
Beim Starten ist Geduld gefragt
Das Betanken selbst ist unkompliziert und dauert beim HydroGen4 etwa drei Minuten. Das verriegelte Ventil von Stutzen zu bekommen ist etwa so hakelig wie bei einem Erdgas-Fahrzeug – also kein wirkliches Problem. Tank voll, also los. Doch vom Reinsetzen und Losfahren wie üblich heißt es erst einmal Abstand nehmen. Der Prototyp verlangt Geduld, und die Startprozedur zunächst eine Vierteldrehung des Schlüssels. Die Brennstoffzelle wird hochgefahren und mittels einer elektrischen Heizung erwärmt. Sie hat ihre optimale Betriebstemperatur bei 80 Grad Celsius. Eine ganz ordentliche Herausforderung für die Batterie, wenn draußen minus 15 Grad herrschen.

Nachdem die Systeme abgeschaltet sind wird der restliche Wasserdampf aus den Leitungen gepresst.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Nach etwa 20 Sekunden ist das System bereit und der Schlüssel kann weiter bis zum Anschlag gedreht werden. Wann es wirklich losgeht, sagt das Display. Weitere 50 Sekunden vergehen, es leuchtet ein Autosymbol auf. Das ist die endgültige Startfreigabe. Das stufenlose Automatikgetriebe unterscheidet zwei Vorwärtsmodi, wobei die mit "L" gekennzeichnete Stufe nicht mit dem "Low"-Gear eines Geländefahrzeug zu verwechseln ist. Er ist lediglich für den Stadtverkehr mit seinem vielen Tempowechseln besser geeignet, weil das Wiederaufladen der Batterie durch Bewegungsenergie (Rekuperation) stärker ist. Sie macht sich durch eine größere Verzögerung im Schubbetrieb bemerkbar.
So kräftig die Beschleunigung bei Anfahren ist, so irritierend ist die dazugehörige Geräuschentwicklung. Von der vielen lieb gewordenen Tatsache, dass zu einem kernigen Antritt ein ordentlich fauchender Motor gehöre, muss man sich verabschieden. Stattdessen summt der Elektromotor sanft vor sich hin, bis er bei höherem Tempo ein dezentes Pfeifen vernehmen lässt. Das ist alles. Die Ruhe des Reisens, bei der höchstens das Abrollgeräusch der Reifen noch daran erinnert, in einem Pkw unterwegs zu sein, lernt man schon nach wenigen Kilometern schätzen.
Vorausschauende Fahrweise hilft

Die rechte Nadel zeigt, wieviel Kilowatt der E-Motor leistet, aber auch, wieviel beim Bremsen gewonnen wird.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Doch die wollen genau kalkuliert sein. Kurz nach dem Volltanken verspricht die Reichweiten-Anzeige nur 220 Kilometer, also etwa ein Drittel weniger, als laut Hersteller technisch möglich. Das in vielen tausend Kilometern geübte defensive, vorausschauende Fahren mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren kann aber auch bei einem Brennstoffzellenantrieb helfen: Nach 80 Kilometern Strecke mit Stadtverkehr und Autobahnanteil zeigt der Bordcomputer noch immer 190 weitere Kilometer an.
In der Brennstoffzelle wird der Wasserstoff mit Luft vermischt, durch einen Ladungsunterschied elektrischer Strom freigesetzt. Der treibt den Elektromotor an, der wiederum auf die Vorräder wirkt. Je nach Fahrzustand gibt die Brennstoffzelle auch Strom an die Batterie ab oder der Elektromotor zieht sich zusätzliche Energie aus der Batterie, wenn maximale Beschleunigung benötigt wird.
Noch 150 Kilometer auf der Uhr. Wird das Gas bis zurück nach Berlin reichen? Wer gewöhnt ist, in fast jedem Dorf die Auswahl zwischen mindestens zwei Tankstellen zu haben, den beschleicht schon mal leichtes Unwohlsein bei der Aussicht auf einen ebenso peinlichen wie treibstofflosen Stopp auf der Landstraße. Einen Nottank mit Benzin, wie etwa bei den meisten Erdgas-Fahrzeugen, gibt es natürlich nicht an Bord.
Dem Frost getrotzt

Das Versuchsfahrzeug ist ein vollwertiger Fünfsitzer, nur an genügend Tankstellen hapert es noch.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Gleichmäßiges Tempo um die 100 km/h honoriert das High-Tech-Mobil ebenso wie jeder gewöhnliche Otto- oder Dieselmotor mit Reichweite. Wieder zurück am Ausgangspunkt sollen noch 50 Kilometer Reichweite vorhanden sein, obwohl weitere 120 Kilometer zurück gelegt wurden. Die einzige Auffälligkeit, die sich der HydronGen4 während der Testfahrt leistete, war die überschaubare Leistung der Heizung. Anders als die herkömmlichen Verbrenner, die einen Großteil der im Kraftstoff gespeicherten Energie in Wärme umsetzen, kann die Brennstoffzelle mit derartiger Wirkung nicht glänzen. Die Folge: Eine Bordklimaanlage, die auf 28 Grad eingestellt ist, es aber kaum mehr als 20 Grad im Innenraum warm werden lässt.
Dennoch hat sich das System achtbar geschlagen. Schließlich ist Dauerfrost die Witterung, die der Fuel-Cell-Technik am meisten Probleme bereitet. Wie sie gelöst werden, zeigt der HydronGen4 nach Abziehen des Zündschlüssels. Mehr als zwei Minuten ist das Fahrzeug ist eine leicht süßlich riechende Wolke aus Wasserdampf eingehüllt. Das System "atmet" förmlich das Wasser aus den Leitungen und Aggregaten ab, denn die müssen in einer Ruhephase vollkommen trocken sein. Was strenger Winter mit Motoren anstellen kann, haben viele Autofahrer in schlechter Erinnerung, wenn sie vergaßen, rechtzeitig Frostschutz ins Kühlwasser zu geben.
Quelle: ntv.de