Tod auf Südafrikas Straßen Tägliche Höllenfahrt
23.11.2003, 10:26 UhrDer missmutig dreinschauende Arbeiter sitzt hemdsärmelig an der Kasse. "Taxi-Ersatzteile" steht auf dem Schild über ihm. Darunter hängen Leimtuben und Drahtrollen, Seile und Klebestreifen. Was Südafrikas begnadeter Karikaturist Zapiro in seiner Zeichnung einst als Satire verstand, ist auf Südafrikas Straßen heute tagtäglich bitterer Ernst. Tausende von Fahrzeugen sind am Kap in einem technischen Zustand unterwegs, der deutschen TÜV-Prüfern wahre Schauer über den Rücken laufen lassen würden. Die Tüftler in den Hinterhof-Werkstätten schrecken selbst vor dem Einsatz von Pappe für die Bremsen nicht zurück. Die Konsequenz: Fast täglich gibt es mörderische Unfälle. Doch im Vorweihnachtsverkehr wollen die Behörden die Situation nun verbessern.
"Jeden Tag sterben 31 Menschen auf Südafrikas Straßen, das sind 11.315 Menschen pro Jahr", erklärt Moira Winslow. Sie leitet eine Lobbygruppe mit dem programmatischen Namen "Arrive Alive". Bei einer Bevölkerung von 42 Millionen und rund vier Millionen Fahrzeugen liegt die Zahl der Verkehrstoten weit über der von Industrieländern. Rund 12 Mrd. Rand (1,5 Mrd. Euro) kosten die Unfälle jährlich Südafrikas Volkswirtschaft, hat die Versicherung Mutual and Federal ausgerechnet. Regelmäßige Überprüfungen von Personenwagen sind ebenso wie eine Fahrer- Ausbildung unbekannt und die Polizei ist mit der Verbrechensbekämpfung bereits hoffnungslos überfordert. Gesetze werden großzügig ausgelegt.
Hinzu kommt ein unterschiedlicher technischer Standard in einem Land, in dem Arm und Reich Tür an Tür wohnen. Der Ur-Golf Typ I teilt sich mit dem mehr als 220 Stundenkilometer schnellen Porsche Cayenne die Straße. Auf den Autobahnen Südafrikas, das drei Mal so groß ist wie Deutschland, sind Raserei und Missachtung der Verkehrsregeln Programm. Die schlimmsten Verkehrssünder sind die Kleinbusse. Sie sind wie in vielen anderen Ländern Afrikas das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs. Sie sind das billigste Transportmittel - aber auch das gefährlichste. Millionen Menschen werden täglich damit transportiert und müssen an Bord hämmernde Kwaito-Musik, gackernde Hühner oder Adrenalinschübe durch waghalsige Fahrmanöver erdulden.
Die Fahrer scheinen Verkehrszeichen für abstrakte Kunst zu halten. Den Fuß nehmen sie meist nur vom Gaspedal, um mitten auf der Kreuzung Passagiere aufzunehmen oder abzuladen. Doch nach einer ganzen Serie von Horror-Unfällen trat die Regierung, die ein Erneuerungsprogramm für die veraltetet Minibus-Flotte plant, auf die Notbremse. Mit Blick auf den bevorstehenden Weihnachtsverkehr zu den Stränden des Landes kündigte sie scharfe Kontrollen der Fahrzeuge auf Verkehrstüchtigkeit an.
Den Gewerkschaften ist das zu wenig. Sie fordern auch Maßnahmen gegen die Eigentümer der Taxi- und Lastwagenunternehmen. Denn die lassen ihre Fahrer oft Überstunden machen, damit sie überhaupt etwas verdienen. Vom gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 596 Rand (75 Euro) kann ein Fernfahrer kaum existieren. Immerhin eine Verbesserung hat die Regierung für die Minibus-Fahrer eingeführt. Passagiere mit ungepflegtem Aussehen oder seifenfreiem Geruch müssen sie nun nicht mehr erleiden: Diese dürfen sie vom Transport ausschließen.
Ralf E. Krüger, dpa
Quelle: ntv.de