Die Sportlichkeit bleibt zu Hause Opel Astra - Gutmütiger Alleskönner
29.10.2014, 12:51 Uhr
Der Astra Kombi ist mit "Flüsterdiesel" und 110 PS ein gutmütiger Geselle.
(Foto: Textfabrik/Busse)
"Flüsterdiesel" nennt Opel die neue Generation seiner Selbstzünder-Motoren. Als 1,6 Liter-Vierzylinder gibt es sie mit 110 und 136 PS. Ob er sich tatsächlich nur im Flüsterton äußert, zeigte der n-tv.de-Praxistest.
Für seine Dieselmotoren konnte Opel in der Vergangenheit nur selten Lob ernten. Rau und ruppig in Geräuschentwicklung und Laufkultur waren die Attribute, die Tester diesen Selbstzündern oft zuschrieben. Hoch sind deshalb die Erwartungen, wenn die Rüsselsheimer ihre neuen Aggregate jetzt mit der Vokabel "Flüsterdiesel" bewerben. Einer davon, 1,6 Liter groß und 110 PS stark, war in dem Astra Sports Tourer eingebaut, der den n-tv.de-Praxistest absolvierte.

Hauptkonkurrenten des Sports Tourers sind der Golf Variant und der Focus Turnier.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die Motorenoffensive der Opelaner scheint bereits Wirkung zu zeigen: In der Astra-Baureihe wählten in den ersten neun Monaten dieses Jahres rund 45 Prozent der Kunden einen Dieselmotor als Antrieb. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 41 Prozent. Was in Rüsselsheim die Freude allerdings etwas dämpfen dürfte, ist die Tatsache, dass der inländische Astra-Absatz in diesem Zeitraum leicht zurückging. Hauptkonkurrenten auf dem Heimatmarkt sind der Golf Variant und der Ford Focus Turnier.
Während der elegante Astra-Dreitürer mit seiner geschmeidigen Form eher an ein Coupé erinnert und die Emotionen anspricht, ist der Sports Tourer in erster Linie ein Zweckauto. Die Besitzer wollen einen Allrounder für Familie und Freizeit, viele Gewerbetreibende schätzen ihn wegen seiner Vielseitigkeit. Was den nutzbaren Laderaum angeht, kann sich der Sports Tourer leider nicht rühmen, Klassenbester zu sein. Obwohl fast 15 Zentimeter länger und etwa fünf Zentimeter höher fehlen ihm gegenüber dem maximal Gepäckvolumen eines Golf-Variants rund 70 Liter.
Niedrige Kante, hoch öffnende Klappe

Wird die Rückbank im Astra Sports Tourer umgelegt, entsteht eine plane Ladefläch mit 1550 Liter Volumen.
Als Pluspunkte kann der Opel-Kombi aber verbuchen, dass sich die Rücksitzlehnen bei geöffneter Heckklappe per Tastendruck entriegeln lassen und sich eine komplett ebene Ladefläche schaffen lässt. Sie ist bis zu 1,80 Meter tief und die Ladekante ist nur 62 Zentimeter hoch. Wünschenswert wäre noch eine Edelstahlleiste unter der bis auf 1,90 Meter aufschwingenden Hecktür, damit abgesetztes Ladegut den schönen Lack am oberen Teil des hinteren Stoßfängers nicht verkratzt.
Seine Zuverlässigkeit hat der Astra Tourer bereits im Dauertest einer Fachzeitschrift gezeigt. Mehr als 100.000 Testkilometer absolvierte er komplett mängelfrei. Ganz so viel Strecke war es diesmal zwar nicht, aber als n-tv.de-Testwagen gab sich der kompakte Kombi mit dem neuen Dieselmotor keine Blöße. Kleinere Schwächen lassen sich gewiss noch ausbügeln, der für nächstes Jahr angekündigte neue Astra bietet Gelegenheit dazu.
Da wäre beispielsweise die Rückfahrkamera, die für 290 Euro Aufpreis zu haben und auf die man schon deshalb nicht verzichten sollte, weil die nach hinten schmaler werdenden Seitenscheiben, die dicke D-Säule und das flache Heckfenster keine besonders gute Sicht bieten. Zwar ist - ab der Ausstattungslinie "Edition" -eine piepsende Einparkhilfe mit an Bord, doch die Vorzüge einer Live-Übertragung des Geschehens hinter dem Fahrzeug wiegt das nicht auf.
Serienmäßig ist der Astra mit einer Klimaanlage versehen, doch hier lohnt sich ebenfalls ein Blick auf die Preisliste, denn für 630 Euro ist das so genannte Komfort-Paket zu erhalten. Aus der Standard-Klimatisierung wird dann eine Zwei-Zonen-Automatik, es gibt für die Frontpassagiere beheizbare Sitze und auch ein Lederlenkrad, das an kalten Wintertagen elektrisch erwärmt werden kann. Mit 500 Euro Aufpreis ist das Navigations- und Entertainment-System relativ preisgünstig, zumal es auch digitalen Radioempfang erlaubt. Die mit Tasten und Schaltern überladene Mittelkonsole wurde schon oft kritisiert. Wie Abhilfe möglich ist, zeigt der neue Opel Corsa.
Einmal öfter schalten
Der 1,6-Liter-Diesel war bei diesem Testwagen mit einer Sechsgang-Handschaltung kombiniert. Da bei 1750 Touren bereits das volle Drehmoment von 300 Newtonmetern mobilisiert wird, macht der Astra beim Anfahren und Beschleunigen einen munteren Eindruck. Zum Überholen oder auf langen Steigungen kommt man aber ohne Zurückschalten nicht aus, da bei Landstraßentempo im sechsten Gang die Drehzahl deutlich unter 2000 Touren fällt und dann nicht mehr genügend Durchzugkraft für ein spontanes Manöver zur Verfügung steht. Von der 1600 Euro teureren 136-PS-Variante dieses Motors ist ein zupackenderes Wesen auch nicht zu erwarten, denn dort wird das Drehmomentmaximum ebenfalls bei 2000 Touren erreicht. Die lange Übersetzung hat aber auch ihre Vorteile, denn der Wagen ist im Alltagsgebrauch unter sechs Litern je 100 Kilometer zu fahren. In diesem Test waren es am Ende 5,8 Liter. 3,7 Liter, wie es das Datenblatt verspricht, sind ins Reich der Fabel zu verweisen.
In Sachen Laufkultur ist Opel mit dem neuen Vierzylinder-Selbstzünder ein spürbarer Forschritt gelungen. Einmal angewärmt, schnurrt er unauffällig dahin und mault auch unter Last nicht laut nagelnd herum, sondern hält sich dezent im Hintergrund. Selbst bei 160 km/h und mehr übertönt der Motor nicht den Fahrtwind. Dank Start-/Stopp-Automatik ist es an der Ampel ganz und gar still. Unterwegs kommen schon mal Zweifel auf, ob denn wirklich ein Ölbrenner unter der Haube arbeitet. Die wird übrigens auf traditionelle Weise von einer Metallstange offen gehalten – ein Teleskopstab, wie ihn sich teilweise sogar "Billigmarken" leisten, stünde Opel hier gut zu Gesicht.
Fahr- und Federungskomfort bieten keinen Raum für Tadel. Da zählt der Opel zu den Vorbildern im kompakten Segment. Abroll- und Einlenkverhalten sind so, wie es der Fahrer erwartet, Antriebseinflüsse in der Lenkung so gut wie nicht wahrnehmbar. Die guten Sitze verdienen noch Erwähnung, nicht umsonst arbeitet Opel mit der "Aktion Gesunder Rücken" (AGR) zusammen, die orthopädisch empfehlenswerte Polster mit einem Gütesiegel zertifiziert.
Fazit: Wer in der Lage ist, sportliche Ambitionen am Garagentor abzugeben, kann sich auf ein unkompliziertes und geräuscharmes Fahrerlebnis freuen. Familienautos wie der Astra Kombi entwickeln ihren Charme durch Vielseitig- und Gutmütigkeit. Der 1,6-Liter-Diesel ist zwar keine Sportskanone, aber ein Gewinn in Sachen Laufkultur und Wirtschaftlichkeit.
DATENBLATT | Opel Astra Sports Tourer 1.6 CDTI |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,70 / 1,81 / 1,54 m |
Leergewicht (DIN) | 1518 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 500 / 1550 Liter |
Ladekante | 62 cm |
Motor | Reihen-Vierzylinder mit 1598 ccm Hubraum und Turboaufladung |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Leistung | 81 kW/110 PS bei 3500 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 184 km/h |
max. Drehmoment | 300 Nm bei 1750 - 2000 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 12,0 Sekunden |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 3,9 / 3,5 / 3,7 l |
Testverbrauch | 5,8 l |
Tankinhalt | 56 Liter |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 97 g/km |
Effizienzklasse | A+ / EU6 |
Grundpreis | 21.740,00 Euro |
Preis des Testwagens | 30.930,00 Euro |
Quelle: ntv.de