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Diskussion ums Tempolimit Verbände bleiben ablehnend

Die Debatte über ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist auf dem 46. Verkehrsgerichtstag in Goslar neu entfacht worden. Der Präsident der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft, Kay Nehm, forderte Gegner des Tempolimits auf, sich einer offenen Diskussion zu stellen. "Die Stimmung in der Bevölkerung beginnt unter dem Druck steigender Benzinpreise und des alltäglichen Chaos auf unseren Straßen langsam aber stetig zu wackeln", sagte der ehemalige Generalbundesanwalt zum Auftakt des Kongresses.

Automobilclubs lehnten in Goslar eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung erneut ab. Im Vorjahr hatte sich der Verkehrsgerichtstag nach einer kontrovers geführten Diskussion gegen ein Tempolimit ausgesprochen.

Emotionsgeladene Argumente

"Meines Erachtens krankt die Diskussion in unserem Lande an notorischer Unaufrichtigkeit", sagte Nehm. Es fehle an wissenschaftlichen Untersuchungen, und die Argumente bewegten sich "emotionsgeladen im seichten Wasser individueller Glaubensüberzeugungen zwischen sportlichem Anspruchsdenken auf der einen und steuer- und vermögensrechtlichen Neidkomplexen auf der anderen Seite".

Der ADAC lehnte unterdessen ein generelles Tempolimit erneut ab. Die Autobahnen seien nach wie vor die sichersten Straßen in Deutschland, sagte ADAC-Sprecher Maximilian Maurer. "Ein Tempolimit könnte dazu führen, dass die Autofahrer vermehrt auf Landstraßen ausweichen und durch die Städte fahren. Dann hätten wir den Verkehr und die Abgase dort, wo wir sie nicht haben wollen."

Tempolimit ohne Einfluss auf Unfalltote

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft ist bei weniger als drei Prozent der jährlichen Verkehrsunfalltoten überhöhtes Tempo auf Autobahnen die Ursache. Aus Sicht der Unfallforschung bringe eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung keinen Nutzen, sagte ein Sprecher.

Der Auto Club Europa forderte statt eines generellen Tempolimits intelligente Verkehrsleitsysteme auf den Autobahnen. Diese könnten bei Gefahrensituationen wie Nässe, Nebel oder starkem Verkehr mit Hilfe von Anzeigen die zulässige Höchstgeschwindigkeit drosseln.

Auch der Automobilclub von Deutschland (AvD) hält eine erneute Diskussion nicht für sinnvoll. "Der Verkehr wird durch ein Tempolimit nicht weniger, die Abstände auf den Autobahnen aber geringer, und dadurch kann auch die Staugefahr steigen", sagte Sven Janssen vom AvD. Zudem könne die Akzeptanz der Autofahrer für die Verkehrsschilder sinken, wenn sie eine für den Fahrer nicht einsehbare Beschränkung beinhalten.

Kritik an wechselnden Höchstgeschwindigkeiten

Verkehrsakademie-Präsident Nehm kritisierte auch die ständig wechselnden Höchstgeschwindigkeiten auf Landstraßen und in Ortschaften. Diese nötigten zu "ständigem Bremsen und Beschleunigen mit allen Nachteilen für Umwelt und Verkehrsfluss oder, wie es die Regel ist, zur Überschreitung" der zugelassenen Geschwindigkeit.

Der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Prof. Friedrich Dencker, forderte in seiner Eröffnungsrede eine Zulassungsordnung für Fahrräder. Derzeit dürfe jeder Produzent auf den Markt bringen, was er wolle. Wegen fehlender Regelungen müssten noch nicht einmal die Bremsen Mindestanforderungen erfüllen. Dencker appellierte an die Politiker, den Fahrradverkehr als wesentlichen Teil des Straßenverkehrs anzuerkennen und für bessere Fahrradparkplätze und Radwege zu sorgen. Er gehe davon aus, dass der Fahrradverkehr wegen steigender Kosten für andere Verkehrsmittel deutlich steigen werde.

Kay Nehm sprach sich für den Einsatz von Unfalldatenschreibern in sämtlichen Fahrzeugen aus. Somit hätten Unfallgeschädigte, die bisher keine Zeugen oder aussagekräftige Spuren liefern könnten, beweiskräftige und objektive Daten.

SPD fordert weiterhin Tempolimit

Derweil fordert die SPD-Verkehrsexpertin Heidi Wright, dass das von der Union abgelehnte Tempolimit wieder auf die Tagesordnung der Koalition gesetzt werden muss. Die Geschwindigkeits-Begrenzung sei zugleich ein Beitrag, um den Auto-Abgasstreit in der Europäischen Union zu entschärfen, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete. Dies sei bei einem Gespräch mit EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel deutlich geworden.

Dimas habe betont, dass Tempolimits eine leichtere Bauweise der Fahrzeuge ermöglichten. Damit bestünde nur noch wenig Interesse der Hersteller an hochmotorisierten Autos. Die deutschen Produzenten vor allem großer Autos sehen sich bei Verwirklichung der Abgas-Vorschläge der EU-Kommission stark benachteiligt. Dies gilt vor allem im Vergleich zu den italienischen und französischen Produzenten von zumeist kleineren Autos.

Abgasplan der EU

Der EU-Rat hatte 2007 vereinbart, dass durch Verbesserungen der Motor- und Elektrotechnik der Kohlendioxid-Ausstoß der gesamten Autoflotte in der EU bis 2012 auf durchschnittlich 130 Gramm gesenkt werden soll. Die Kommission hatte daraufhin im Dezember einen Aufteilungsplan auf die Hersteller und Produzenten-Länder vorgelegt, den die Bundesregierung und der Verband der Automobilindustrie (VDA) ablehnen.

Wright sagte, von der SPD-Fraktion müsse nun ein neuer Vorstoß ausgehen. Immerhin sei das Tempolimit auf Autobahnen von 130 Stundenkilometern auf dem Hamburger Parteitag beschlossen worden. Einen Tag zuvor hatte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Tempolimit verlangt, um damit weitere Einsparungen bei den schädlichen Treibhausgasen zu erreichen.

Quelle: ntv.de

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